Die Gefahren positiven Denkens

Politiker und Blondinen sind eben so

19.02.2009
Von 
Jan-Bernd Meyer betreute als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE. Auch für die im Auftrag der Deutschen Messe AG publizierten "CeBIT News" war Meyer zuständig. Inhaltlich betreute er darüber hinaus Hardware- und Green-IT- bzw. Nachhaltigkeitsthemen sowie alles was mit politischen Hintergründen in der ITK-Szene zu tun hat.

Blondinen, Säbelzahntiger und Vorurteile

Gehirnforscher wie Ernst Pöppel von der Ludwig-Maximilians-Universität in München haben ebenfalls eine Erklärung für den ganz alltäglichen Missmut - und als Naturwissenschaftler sogar ein wenig Verständnis für die Ursachen solcher Negativkonditionierung: "Die Gehirnforschung sagt, dass Information immer antizipativ verarbeitet wird. Das heißt, wir haben immer Hypothesen über Sachverhalte."

Gehirnforscher Ernst Pöppel von der Ludwig-Maximilians-Universität in München sagt, ohne Vorurteile sei der Mensch nicht überlebensfähig.
Gehirnforscher Ernst Pöppel von der Ludwig-Maximilians-Universität in München sagt, ohne Vorurteile sei der Mensch nicht überlebensfähig.
Foto: Hassiepen

Der Mensch trete mit der Geburt zwar in gewisser Weise offen in die Welt hinein. Er werde dann aber nach bestimmten Lebensmechanismen in einen kulturellen Kontext hineingeprägt - und "dann gilt ganz automatisch nicht mehr das Gesetz der absoluten Wahrheit". Die kulturelle Prägung, der Kontext also, in dem ein Mensch lebt, bedeutet, dass "alle meine Wahrnehmungs- und Denkprozesse relativer Natur sind", erklärt Pöppel. Jeder Denkakt, jede Wahrnehmung sei im Grunde eine Bestätigung oder eine Zurückweisung einer Hypothese, die Menschen haben. Alles, was der Homo sapiens mache, tue er immer "im Rahmen einer Einstellung, einer Erwartung, einer Hypothese".

Persönliche Einstellung und Erwartungshaltung - das ist denn auch der Schlüssel zum Verständnis von individuellen Konditionierungen, mit denen man sich durch den Tag schleppt. Dieses Verhalten, so vorurteilsbeladen es ist, hat seine Grundlage letztlich im evolutionären Erbe des Menschen, so Pöppel. Wenn nämlich der Steinzeitmensch durch den Busch streifte und sich plötzlich dem Säbelzahntiger gegenübersah, bekam er es mit der Angst zu tun. Verankert im genetischen Code lief automatisch ein überlebenswichtiges Programm ab, das nach ganz einfachen und vor allem schnellen Lösungen suchte. So läuft auch heute noch der Denkprozess beim Menschen ab. "Es gehört zu unserer genetischen Ausstattung, immer einfachste Begründungen zu haben. Das war in der Menschheitsgeschichte nie anders", resümiert Pöppel. Die Erklärung für die Existenz von Vorurteilen liegt also unter anderem auch in der Suche nach einfachen Lösungen, um möglichst schnell handeln zu können.

Nun ist eine Blondine kein Säbelzahntiger. Ebenso wenig wie ein Politiker oder ein Manager. Es bestünde also kein Grund, sich dem Zwang auszuliefern, immer schnell urteilen und handeln zu müssen, und dies auf Kosten einer komplexeren Lagebeurteilung. Trotzdem läuft der genetische Code auch heute immer noch wie geschmiert. Denn auch soziale Vorurteile unterliegen solch einem Mechanismus, sind sie doch "Hypothesen über das Verhalten von anderen, die ich habe", sagt Pöppel. Deshalb sind Manager und Politiker halt so. Und Blondinen sowieso.