Leibniz-Rechenzentrum braucht 39fache TR-440-Leistung

Polit-Gerangel um 30-Millionen-Jumbo

31.10.1975

MÜNCHEN - "Politisch hochbrisant" nennt die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) eine Entscheidung, die endgültig Bundesforschungsminister Matthöfer fällen muß: die Auftragserteilung für das neue Großrechenzentrum der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, das die Münchener Universitäten versorgt.

Am besten liegt bisher Control Data (CDC) im Rennen: Sie hat für 30 Millionen Mark einen Cyber-175-Doppelprozessor mit zwei Kommunikationsprozessoren 2552 und 16 Platteneinheiten (zusammen 3,2 Milliarden 6-Bit-Zeichen) angeboten. Die beiden Cyber mit 3 MOPS (Million Operation per Second) Nennleistung haben jeweils l96K 60-Bit-Worte Hauptspeicher und sollen über einen gemeinsam genutzten Großkernspeicher mit 500KW (60 Bit ) gekoppelt werden. In jede Cyber sind zur Steuerung der Ein/Ausgabeoperationen 17 "peripherie Rechner" Ó 4 K12-Bit-Worte eingebaut.

Immense Benchmark-Tests

Für diesen Vorschlag hat sich das Leibniz-Rechenzentrum nach ausführlichen Tests entschieden: in das Auswahlverfahren haben die Münchener über sieben Mannjahre Arbeit gesteckt. Neben dem betont E/A-intensiven "Erlanger Benchmark" und dem "Freiburger Benchmark" wurde ein Bündel von neun kleinen zum Test der Hardware-Geschwindigkeit sowie ein speicherintensiver Benchmark gefahren. "Ein immenser Aufwand", kommentierte einer der Anbieter.

Euro-Geld für US-Jumbo?

Die DFG will erst das Protokoll der entscheidenden Sitzung der DFG-"Senatskommission für Rechenanlagen" schriftlich ausgefeilt vorliegen haben bevor sie verkündet, was sie Matthöfer empfiehlt. Der steht dann vor der Frage, ob er Geld für den US-Jumbo bewilligt oder bei diesem Auftrag europäische Computerpolitik betreiben will.

Immerhin hatte ICL die "New Range"-Maschine 2980 angeboten, die allerdings erheblich unterhalb der von den Münchenern geforderten Leistungsfähigkeit liegt. Der britische Energieminister Wedgewood Benn ("Vater der ICL") soll anläßlich eines Routinebesuches bei Forschungsminister Hans Matthöfer für die Euro-Lösung interveniert haben.

Außerdem liegt in Bonn ein "Informationsangebot" über einen

Amdahl-Rechner 470 V/6, das die Siemens-Tochter Computergesellschaft Konstanz übersandte - in München bisher mit einem TR-440-Doppelprozessor vertreten.

Dieser Doppelprozessor reicht den Münchener Universitäten schon lange nicht mehr - auch nicht, wenn sie wie bisher zusätzlich die 360/95 des Max-Planck-Institutes in Garching mitbenutzen. "Wir brauchen derzeit die Kapazität von mehr als sieben TR-440-Einheiten und schätzen den Bedarf aufgrund einer Umfrage in den Instituten für 1978 aus 39 TR-440-Einheiten", erklärte Leibniz-RZ-Leiter F. Peischl kürzlich bei einem Vortrag in Karlsruhe. "Bei der Angebotseinholung haben wir die 15- bis 20fache Leistung eines TR 440 verlangt.

Solchen Dimensionen ist der TR-440-Hersteller nicht gewachsen - deshalb die Japan-Kontakte. Der Amdahl-Rechner hat zwar bei Tests an US- Universitäten IBMs 168 (ein Doppelprozessor war auch in München im Wettbewerb) geschlagen, ist aber noch neu am Markt - und eine Vereinbarung über eine Zusammenarbeit CGK/ Fujitsu, die mit ihrer Kapitalmehrheit bei Amdahl bestimmt, ist bisher Spekulation.