Sind freie Mitarbeiter wirklich frei?

Pogrammierer können trotz Werkvertrag unabhängig sein

01.03.1991

Das LG München I hat immer wieder Fälle zu entscheiden, bei denen ein freier Mitarbeiter Honorar aufgrund eines "Werkvertrages" einklagt, bei dem das Werk so gar nicht recht spezifiziert ist. Das LG München I sieht diese freien Mitarbeiter als persönlich abhängig an und verweist diese Streitigkeiten an die Arbeitsgerichte.

Im Grunde geht es um Fälle, die die Assoziation Arbeitnehmerüberlassung hervorrufen. Wenn ein freier Mitarbeiter ausgeliehen wird, stellt sich zu Recht die Frage, ob er wirklich noch frei ist (1). Sobald das Landgericht München als Zivilgericht feststellt, daß der Betroffene nicht mehr frei ist, muß es seine Zuständigkeit verneinen und die Sache - auf Antrag des Betroffenen - an das zuständige Arbeitsgericht verweisen. Auf die Frage, ob Arbeitnehmerüberlassung vorliegt, darf es dann nicht eingehen. Dementsprechend wird das Wort Arbeitnehmerüberlassung in den verschiedenen Urteilen nicht erwähnt.

Schon die 21. Kammer hatte in einem Beschluß vom 15. April 1988 so entschieden. Die 7. Kammer hat diese Gedanken in ihren Beschlüssen vom 02. Oktober 1990 (7 O 10 2 10/90) und vom 29. November 1990 (7 O 68 62/90) übernommen und weitergeführt.

Dem ersten dieser beiden Beschlüsse lag ein Vertrag zugrunde, nach dem der Kläger Software auf der Basis von Spezifikationen für ein Projekt einer Endkundin erstellen sollte. Der Vertrag enthielt sogar einen Festpreis. Dennoch ordnete das Gericht den Vertrag erst einmal als Dienstvertrag und nicht als Werkvertrag ein. Denn die Leistungen seien nicht "genau definiert" worden. Der Kläger hatte in drei Monaten eine Reihe von Einzelprogrammen zu erstellen. Das Gericht sah darüber hinaus eine Reihe von Momenten, die für den dienstvertraglichen Charakter sprechen würden:

- Die Parteien hatten einen Rahmenvertrag geschlossen, der "Zusammenarbeit" vorsah.

- Nach dem Rahmenvertrag sollten alle Rechte an den Arbeitsergebnissen ausschließlich dem Beklagten zustehen.

- Der Kläger (Auftragnehmer) hatte unter Vertragsstrafe versprochen, ohne Unterbrechung an dem Projekt zu arbeiten, und sich Unterbrechungen von seinem Auftraggeber genehmigen zu lassen.

- Es waren monatliche Abschlußzahlungen in Höhe des Wertes der jeweils nachgewiesenen vertragsgemäßen Leistungen vorgesehen.

- Der Kläger hatte ein Wettbewerbsverbot übernommen, nicht bei der Endkundin tätig zu werden.

- Der Kläger hatte sich verpflichtet, gegenüber der Endkundin nicht mitzuteilen, daß er Unterauftragnehmer war.

Das Gericht sah den Kläger innerhalb dieses Dienstvertrages als so persönlich abhängig an, daß es ihn als Arbeitnehmer, zumindest als arbeitnehmerähnliche Person einstufte (und die Sache daraufhin an die Arbeitsgerichte verwies): "Darüber hinaus ist der Kläger aufgrund seiner wirtschaftlichen Situation auf die Verwertung seiner Arbeitskraft angewiesen.

Auf Verwertung seiner Arbeitskraft angewiesen

Ohne die längerfristig geplanten Bindungen an ... (den Auftraggeber) und (dessen) Projektwerkverträge würde für den Kläger die wirtschaftliche Existenzgrundlage entfallen. Insbesondere ist der Kläger während der Dauer der Vertragsbeziehungen gar nicht in der Lage, neben seiner Tätigkeit für die Beklagte auch noch für andere Auftraggeber zu arbeiten", weil er nämlich ununterbrochen an dem Auftrag arbeiten mußte.

Man kann darüber streiten, ob ein hochbezahlter Programmierer wie der Kläger (monatliche Vergütung geplant zirka 15000 Mark) so abhängig wie ein angestellter Programmierer wird, wenn er einige Monate lang einen Auftrag mit voller Arbeitskraft übernimmt. Man sollte aber auf jeden Fall all diejenigen Bindungen im Vertrag weglassen, die nicht erforderlich sind.

- Der Abschluß eines Rahmenvertrages bleibt sinnvoll. In ihm sollte betont werden, daß Werkverträge oder Dienstverträge geschlossen werden können.

- Es kann dem Einzelvertrag überlassen bleiben, inwieweit die Rechte dem Auftraggeber zustehen sollen (weil der diese an die Endkunden übertragen muß). Es kann aber im Rahmen vereinbart werden, daß der Auftragnehmer das spezifische Know-how des Auftraggebers beziehungsweise des Endkunden, das ihm bekannt wird, zumindest auf die Dauer von zwei Jahren geheimhalten muß, daß er aber ansonsten das gewonnene Know-how anderweitig nutzen darf.

- Es braucht nicht vereinbart zu werden, daß der Auftragnehmer ununterbrochen arbeiten muß. Gerade bei Werkverträgen reicht es aus, Endtermine zu vereinbaren.

- Monatliche Abschlußzahlungen sind sachgerecht. Hier kann dem LG München I nicht zugestimmt werden. Es bietet sich aber bei Werkverträgen an, jeweils nur einen Teil, zum Beispiel monatlich 80 Prozent zu zahlen, den Rest dann nach Abnahme.

- Das Wettbewerbsverbot ist entgegen dem LG München I äußerst sinnvoll, das heißt berechtigt, und kann deswegen vereinbart werden. Gerade Beratungsunternehmen, die mit Freiberuflern arbeiten, können überhaupt nur auf dieser Basis überleben. Andernfalls macht sich der Freiberufler nach dem ersten Auftrag ganz frei und arbeitet direkt für den Endkunden. Dem Beratungsunternehmen bleiben dann nur die Akquisitionskosten.

- Es ist der Branche eine liebe Gewohnheit, dem Auftragnehmer zu verbieten, seine Stellung als Unterauftragnehmer zu offenbaren. Von lieben Gewohnheiten sollte man Abschied nehmen !

Der wichtigste Punkt in der Vertragsgestaltung bleibt der, die Aufgabenstellung im Vertrag zumindest einigermaßen zu

detaillieren.