Podiumsgespräch: Rollenwandel in der DV- ein Käufermarkt für Computer?

07.11.1975

Hansjürgen Schwab, Geschäftsführer der Diebold Deutschland GmbH:

"Die vielgepriesene Kostendegression der Großsysteme gilt nicht mehr uneingeschränkt. Die Anwender mußten erkennen, daß zentralisierte Großsysteme mit einem hohen Anteil unproduktiver Kosten belastet sind, während gezielt und speziell eingesetzte Kleinsysteme mit einem wesentlich höheren Nutzfaktor arbeiten. Die prohibitive Tarifpolitik der Deutschen Bundespost begünstigt den Markt für kleine Einzelsysteme und behindert den Aufbau von Verbundsystemen. - Der verstärkte Einsatz von Rechnern am Arbeitsplatz verlangt neue Organisations- und Programiertechniken, denn die von den Großrechnern bekannten problemorientierten Programmsprachen sind für den Endbenutzer ungeeignet."

Dieter F. Sauer, Univac-Marketing-Direktor der Sperry/Rand GmbH:

"Es werde sich auch künftig Großrechner verkaufen, weil der Rechnenbedarf ständig steigt- und zwar gerade für anspruchsvolle Anwendungen, die Großrechnerkapazität verlangen. Die Bundesrepublik wird ein Mark der kleinen Stückzahlen mit Grabenkampf um jeden Kunden bleiben. Wir glauben weiter an Kooperationsmöglichkeiten mit Siemens. Man kann nur überleben, wenn man weltweit 10 Prozent Marktanteil hat."

Friedrich-Franz Herzog, Generaldirektor der NCR GmbH:

"Die Menschen fürchten sich nicht mehr vor der Automation. Herr Jedermann geht schon heute ganz selbstverständlich mit Floppys, (Schallplatten), Bildschirmterminals (Fernsehgeräte), Bandeinheiten (Tonbandgeräte) sowie Tastaturen und Druckern (Schreibmaschine) um."

Dr. Manfred P. Wahl, Unternehmensberater

"Das Sättigungspotential des Marktes ist in den letzten Jahren immer wieder falsch beurteilt worden. Die bundesdeutschen DV-Förderprogramme hinken immer 5 Jahre hinter der Marklage her. Wenn die Entwicklung so weitergeht, ist 1980 das 4. DV-Förderprogramm fällig. Die deutschen Firmen bekommen nur Fördermittel, weil sie nicht rechtzeitig Entschlüsse fassen konnten: 1956 lehnten AEG und Siemens die Zusammenarbeit mit der IBM Deutschland für die Entwicklung von Halbleitern ab, da die Absatzchancen für diese Elemente zu gering erachtet wurden. 1964 hätte Siemens nochmals eine Chance gehabt - mit seiner starken Stellung auf dem Telefonsektor hätte sich das Unternehmen erfolgreich auf dem Gebiet Datenfernübertragung und ohne öffentliche Hilfe engagieren können."

Dr. Fritz-Rudolf Güntsch, Ministerialdirektor im Bundesministerium für Forschung und Technologie:

"Wir sind in einem Dilemma: Sollen wir Firmen fördern, weil es ihnen schlecht geht oder aber andere, damit es ihnen weiterhin gut geht? Wir glauben, daß wir beiden Teilen helfen müssen. 1975 hat Siemens im DV-Bereich 300 Millionen Mark für Forschung und Entwicklung aufgewendet, der Rest deutscher Hersteller zusammen 75 Millionen Mark. Bei den Fördermitteln, die wir gezahlt haben, ergab sich das gleiche Verhältnis: Siemens bekam 90 Millionen, die restlichen Firmen 20 Millionen Mark, davon gingen 7 Millionen Mark an die Firma Nixdorf. Gerade für die Hersteller kleiner Systeme gibt es noch viele Chancen. Wir haben in Deutschland beispielweise 50 000 niedergelassene Ärzte, von denen noch keiner einen Computer oder ein Terminal hat. Das ist ein hervorragender Markt, und es gibt viele mit hohem Stückzahl-Potential."

Dr. Gerd Bindels, Generalbevollmächtigter der Honeywell-Bull GmbH:

"Der Mini-Markt wird verunsichert durch die Firmen, die nicht wissen zu welchen Preisen sie anbieten sollen. Kleine und kleinste Firmen, von denen jede Woche eine neu am Markt erscheint, bewirken einen totalen Preisverfall - auch wenn jede Woche eine dieser Firmen wieder verschwindet. Wir sehen besonders gute Wachstumsmöglichkeiten für Prozeß- und Großrechner, die in Netzwerken arbeiten.

Heinz Nixdorf, Vorstandsvorsitzender der Nixdorf Computer AG:

Die Datenverarbeitung hat in den letzten Jahren nicht geboten, was sie im Interesse des Kunden hätte bringen müssen. Die Menschen brauchen zu lange, um das technisch Mögliche auch zu beherrschen -deswegen gibt es nun einen gigantischen Nachholbedarf. Ei(..) Verdoppelung des weltweiten DV-Umsatzes in den nächsten 5 Jahren ist möglich. Wir stehen allerdings in einem möglich. Abwehrkampf gegen IBM mit ihren kleinen Systemen. Der Schlüssel, nach dem der Bund seine Fördermittel, verteilt, ist töricht und ungerecht. Es hat eine gigantische Fehlsteuerung der Fördermittel der letzten Jahre gegeben. Wir haben uns alle geirrt, aber jetzt ist der Groschen gefallen."

Harro D. Welzel, Geschäftsführer der Philips Electrologica Vertriebs-GmbH:

Es gibt nicht, 'den DV-Markt' wir haben in der Branche einen Klassenkampf und ich bin dabei ein Vertreter des dritten Standes, der Kleinen, der Arbeiter. Der Ma(..) ist noch lange nicht gesättigt: Erst 10 Prozent aller Betriebe mit mehr als 10 Beschäftigten in der BRD nutzen die Datenverarbeitung in irgendeiner Form durch Einsatz eines eigenen Systems oder im Service."