Interview/

Plug and play für offene Systeme

05.07.1996

CW: Warum haben Sie diese Softwaredatenbank ins Leben gerufen?

Tanner: Die an sich erfreuliche Produktvielfalt macht es für Anwender schwer, die Spreu vom Weizen zu trennen. Die Folge sind hohe Integrationskosten. Hinzu kommt, daß die nötigen Informationen über Standards oft zu schwer oder zu teuer zu beschaffen sind. Hierbei hilft unser Angebot.

CW: Interessiert die Anwender das Thema offene Standards überhaupt noch?

Tanner: Jeder entwickelt nur noch dann selbst, wenn es sich überhaupt nicht vermeiden läßt. Standardpakete kann man aber nur kaufen, wenn Standards existieren.

CW: Solche Standards gibt es genügend, aber wie steht es mit Offenheit?

Tanner: Wir haben rund 250 Großanwender in unseren Reihen. Insgesamt zahlen sie Milliarden von Dollar pro Jahr und arbeiten regelmäßig in Arbeitsgruppen mit, um offene Standards zu bekommen.

CW: Jeder Anbieter, insbesondere im Web-Bereich, beruft sich auf offene Standards, die sich aber bei genauerer Betrachtung als proprietär "optimiert" herausstellen. Wie sollen Anwender damit zurechtkommen?

Tanner: Das Problem ist schwer zu lösen. Wenn ein Anwender aber einen relativ etablierten Standard wie ein Open-Unix-Betriebssystem verwendet, können wir ihm über das Software Registry ziemlich genau sagen, welche Web-Software bei ihm problemlos läuft.

CW: Woher stammen die Informationen?

Tanner: Vom Anbieter.

CW: Sie verbreiten also Marketing-Sprüche?

Tanner: Nein. Der Wert der Information liegt ja gerade in den Inhalten, die über die Werbeaussagen hinausgehen. Dafür haben wir ein schwer manipulierbares Prüfverfahren eingerichtet.

CW: Sie wollen den Anwendern also Informationen liefern, wie sie eine offene Plug-and-play-Umgebung mit den Produkten verschiedener Hersteller schaffen können?

Tanner: Das ist Zukunftsmusik, aber wir tun die ersten Schritte in diese Richtung. Was der Anwender erwarten kann, ist, daß der Beschaffungsaufwand aufgrund genauerer Informationen sinkt. Außerdem läßt sich das Risiko senken, mit einem Projekt zu scheitern.

CW: Was verlangen Sie für die Dienstleistung?

Tanner: Sie ist kostenlos.

CW: Wie kommen Sie dann auf Ihre Kosten?

Tanner: Die Anbieter müssen für die Registrierung zahlen.

CW: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, zeigen Sie auch die Inkompatibilitäten und Schwächen der Anbieter auf. Warum sollten die Hersteller sich unter diesen Umständen als Lieferant für einen Service Informationen anbieten, ihre Technik prüfen lassen und dafür auch noch bezahlen?

Tanner: Das Verfahren hat auch für die Anbieter Vorteile. Vor allem die kleineren Firmen können ihre Produkte auf diese Weise weltweit bekannt machen. Außerdem gehört das werbewirksame X/Open-Branding zu unserer Dienstleistung für die Hersteller. Unser Ziel ist es, möglichst viele Softwarehäuser für unser Programm zu gewinnen. Schließlich wollen die Kunden wissen, wie sich ihre DV mit Microsofts Windows NT verträgt oder auch mit IBMs AS/400.

CW: Aber Microsoft kann doch gar nicht daran interessiert sein, mitzuarbeiten, wenn dadurch offenbar wird, daß viele der von dem Unternehmen verwendeten Standards nur bedingt offen sind.

Tanner: Stimmt, Microsoft ist nicht besonders glücklich mit unserem Service. Deshalb hieß es auf unsere Anfrage: "Wir brauchen kein zusätzliches Markteting." Wichtiger für uns sind aber die großen Anwendungssoftware-Anbieter wie SAP und Peoplesoft.

CW: Sind Peoplesoft und SAP dabei?

Tanner: Sie sind dabei, aber ich kenne ihren Status nicht genau. Die Web-Seiten sind ja gerade erst eingerichtet worden. Zur Zeit sind rund 30 Hersteller registriert, weitere 2300 Firmen mit insgesamt 5000 Produkten befinden sich in der Warteschlange.