CIO des Jahres 2011 - Mittelstand

Platz 3 - Michael Rödel, Bionorica

24.11.2011
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Lässt sich die Qualität von Rohstoffen prognostizieren, um Ausschuss zu vermeiden? Michael Rödel, Finanz- und IT-Vorstand von Bionorica, hat auf diese Kernfrage der Prozessindustrie eine Antwort gefunden.
Michael Rödel, Vorstand Finanzen und IT bei der Bionorica SE.
Michael Rödel, Vorstand Finanzen und IT bei der Bionorica SE.
Foto: CIO

Heilpflanzen und Wein haben einiges gemeinsam. Richtig dosiert sind beide der menschlichen Gesundheit zuträglich. Entscheidend dafür ist aber die Qualität der pflanzlichen Rohstoffe - und die hängt von vielen Einflussfaktoren, etwa dem Wetter, ab. Diese gilt es soweit wie möglich zu standardisieren, um die beste Ausgangsqualität zu erhalten, zumal für die Zulassung von Arzneimitteln auch die pharmazeutische Qualität nachgewiesen werden muss.

Pharmaproduzenten wie Bionorica müssen bei der Herstellung auch die unterschiedlichen Zulassungsvorgaben der Länder berücksichtigen. Bisher wird in Qualitätskontrollen vom Saatgut bis zum Fertigarzneimittel geprüft, ob das Produkt den Qualitätsvorgaben genügt und für welches Land es freigegeben werden kann. Entsprechend höhere Kosten für Nachbearbeitung und Prüfung sowie ein höherer Lagerbestand aus Sicherheitsgründen waren die Folgen.

Das neuronale Netz

Damit ist nun Schluss. Michael Rödel, IT-und Finanzvorstand von Bionorica, hat ein Instrument gefunden, das nicht nur lineare, sondern alle komplexen Produktionszusammenhänge auswerten kann und ständig dazulernt: Das neuronale Netz, von Bionorica zusammen mit der Forschungsabteilung von Siemens entwickelt, liefert per Knopfdruck eine zuverlässige Prognose über die zu erwartende Produktqualität - auch dann, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern.

Getestet wird es erstmal anhand des pflanzlichen Erkältungsmittels Sinupret. "Prävention statt ausschließlich Kontrolle, das spart Ausschuss und ist ökonomisch wie ökologisch sinnvoll. Neuronale Netze haben ein gigantisches Potenzial, gerade für die Prozessindustrie." Rödels Begeisterung ist selbst durch den Telefonhörer spürbar.

Während des Studiums in Bayreuth hörte er zum ersten Mal von neuronalen Netzen, damals in Banken eingesetzt. Lange Jahre war er davon überzeugt, dass auch die Prozessindustrie solche Netze braucht. Binnen elf Monaten verwirklichte er nun seine langgehegte Idee in einem beispielhaften Projekt: Die Kosten blieben mit 100.000 Euro überschaubar, die Zusammenarbeit zwischen Konzern und Mittelständler war fruchtbar, nachdem man eine gemeinsame anwenderorientierte Sprache gefunden hatte.

Überzeugungsarbeit und Sammelwut

Für Rödel war es nicht leicht, den Fachabteilungen das Warum des mathematisch hochkomplexen Projektes so zu vermitteln, dass sie es auch akzeptierten und bereit waren, alle notwendigen Daten im Detail zu erfassen. Letzteres war der Schlüssel für den Erfolg: Je mehr Daten in Form von Rohstoff- oder Produktionsparametern man dem neuronalen Netz zuführt, desto höher ist die Aussagekraft und desto mehr lernt das System dazu.

Für Bionorica bringt das IT-Projekt handfeste Vorteile, so Rödel: "Wir können allen Partnern genau mathematisch nachweisen, aus welchen Parametern sich unsere Produktqualität ergibt und können diese noch exakter steuern. Das Projekt passt außerdem hervorragend in unser Credo des Phytoneering, nämlich modernste Technologie (Engineering) bei der Herstellung unserer hochwertigen und wirksamen pflanzlichen Arzneimittel (Phyto) einzusetzen." Ein solches IT-Projekt lässt auch das Herz des Finanzvorstandes Rödel höher schlagen, da es etwas im Unternehmen bewegt und nie den ROI aus dem Auge verliert.