Der Computer simuliert Krankenhaus-Entscheidungen

Planspiel Klinik: Management soll Kostenbewußtsein wecken

07.04.1978

Planspiele als Aus- und Weiterbildungsmethode haben in der freien Wirtschaft bereits große Verbreitung gefunden. Im Bereich der öffentlichen Verwaltung wird dieses Instrument jedoch nur sehr sparsam eingesetzt. So gibt es beispielsweise noch kein Modell für das Krankenhauswesen, obwohl in den vergangenen Monaten gerade dieser Sektor wegen der überaus starken Kostenexplosion viel diskutiert wurde.

Wenn man nach den Gründen dieser Kostenentwicklung sucht, so ist sicherlich ein wesentlicher Punkt das mangelnde Kostenbewußtsein der meisten am Arbeitsprozeß im Krankenhaus beteiligten Personen. Speziell im medizinischen Bereich werden Kostengesichtspunkte kaum beachtet, oder nur am Rande berücksichtigt.

Aus diesem Grunde wurde das Planspiel KLIMA (Klinik-Management) im Rahmen einer Dissertation am Lehrstuhl für Operations Research (Professor Dr. M. Meyer) der Universität Erlangen-Nürnberg entwickelt. Ziel von KLIMA ist es, den teilnehmenden Spielern im Laufe des Spielprozesses Erfahrungen zu vermitteln, welche komplexen Auswirkungen (unter anderem auch auf dem Kostensektor) die verschiedensten Entscheidungen im

Krankenhaus haben.

Das Experimentieren am Modell soll dazu beitragen, daß sich die Spieler eine Theorie über die vielfältigen Zusammenhänge bilden, deren Wahrheitsgehalt sie immer wieder an den Reaktionen des Modells testen können.

Das Planspiel KLIMA ist in Fortran programmiert und auf den Rechenanlagen Cyber 172 und TR 440 der Universität Erlangen-Nürnberg implementiert. Seit 1976 wurden mehrere Testspiele sowohl an der Universität als auch "draußen" durchgeführt, die von den Teilnehmern durchaus positiv bewertet werden. Ein weiterer Einsatz ist im Rahmen der Ausbildungsseminare des Deutschen Krankenhausinstitutes (DKI) Düsseldorf geplant. Außerdem soll KLIMA regelmäßig in Lehrveranstaltungen für Betriebswirte an der Universität Erlangen-Nürnberg verwendet werden.

Es handelt sich um ein mehrperiodiges, nicht-interaktives, computergestütztes Offline-Planspiel. Die Spielerentscheidungen werden abgelocht, das Simultationsmodell damit durchgerechnet. Die Ausgabe erfolgt über EDV-Listen, wobei sowohl umfangreiche Ergebnisse für die einzelnen Gruppen als auch vergleichende Übersichten zum Gruppenvergleich produziert werden.

Das vorliegende Planspiel ist das Abbild eines idealtypischen "Modellkrankenhauses" mit drei Abteilungen (Chirurgie, Innere Medizin und Gynäkologie/Geburtshilfe). Die Gebäude und die Bettenkapazität sind fest vorgegeben und unveränderlich. Die Führung des Krankenhauses besteht aus einem Kollegium, das sich aus dem Verwaltungsleister und den Chefärzten der drei Abteilungen zusammensetzt.

Das Spielerteam besteht demzufolge aus diesen vier Personen. Verschiedene Entscheidungen müssen für die Abteilungen getrennt getroffen werden, andere für das Krankenhaus gemeinsam. Es ist auch die Absicht des Spiels, die Kooperation innerhalb dieses Teams zu fördern und die Kompromißbereitschaft bei unterschiedlichen Ansichten zu erhöhen.

Stochastische Größen

Zur Vereinfachung des Modells beschränkt sich das Krankenhaus auf die Behandlung von bestimmten Krankheiten. Viele der zugrundeliegenden Größen sind stochastisch und unterliegen bestimmten Wahrscheinlichkeitsverteilungen (Patientenankünfte, Verweildauer, Krankheiten, etc.).

Das Spiel kann über bis zu zwölf Perioden gespielt werden, wobei eine Periode einem Quartal entspricht. Die 4 Spieler treffen aufgrund der vorherigen Ergebnisse die Planungsentscheidungen für die nächste Periode. Das Modell wird mit einer Computersimulation durchgerechnet und diese liefert die neuen Ergebnisse. Nach jeder Periode oder zu bestimmten Zeiten werden Zwischenstatistiken geliefert, die die Ergebnisse der einzelnen Spielergruppen vergleichend darstellen. Nach jeder Periode sollten die Ergebnisse mit dem Spielleiter diskutiert werden, und am Ende des Spieles ist eine Manöverkritik durchzuführen.

Es können bis zu zehn Teams teilnehmen, die jeweils ein Krankenhaus verkörpern. Alle Krankenhäuser beginnen mit der gleichen Ausgangssituation. Interaktionen zwischen den einzelnen Gruppen finden nicht statt. Die Krankenhäuser stehen also - was die ankommenden Patienten anlangt - nicht in Konkurrenz zueinander.

Die Spielerteams geben am Spielanfang ihre Zielvorstellungen bekannt. Das heißt: das Spiel ist nicht auf eine bestimmte Zielvariable ausgerichtet. Jede Gruppe kann mehrere und unterschiedliche Zielvariablen bestimmen, an denen sich die Manöverkritik später orientiert. Es kann also auch kein "Sieger" des Spieles im eigentlichen Sinn ermittelt werden, sondern jedes Team wird daran gemessen, wie gut es die selbstgesetzten Ziele verwirklichen konnte.

Idealtypisches Modell

Es sollte aber versucht werden, am Schluß zu diskutieren, inwieweit die einzelnen Zielvariablenbündel sinnvoll sind und ob sie nicht nur für das Krankenhaus, sondern auch für ??? Gesamtgesellschaft wünschensw??? sind. Dabei kommt es aber vordergründig nicht darauf an, eine "Optimallösung" zu finden, sondern durch die Diskussion bei den Spielern eine Aufgeschlossenheit für die vielfältigen Gesichtspunkte und Anschauungen zu erhalten und ihnen damit die Komplexität der Materie vor Augen zu führen.

In der umfassendsten Version können die Spielerteams Entscheidungen in folgenden Bereichen treffen: Pflegesätze, Notfallkapazität, Verweildauerzuschläge, Wochenendentlassungen, Zuschläge für Sonderleistungen, variable Kosten pro Pflegetag, Investitionen zur Reduzierung der medizinischen Verweildauer, Personalmanagement, Sachmittel, Forschung und Entwicklung, Überstunden und klassenloses Krankenhaus.

Umweltfaktoren berücksichtigt

Die wesentlichen Ergebnisvariablen sind: Belegungsgrad, Abweisungsrate, Abfertigungsrate, Notbetten, Bettenverschwendung, Gewinn/Verlust/ Kostendeckung, Benutzungskosten pro Patient, Verweildauerdurchschnitt und Leistungsniveau (Qualität).

Der Spielleiter hat umfangreiche Möglichkeiten, variable Systemparameter am Anfang des Spieles nach seinen Vorstellungen und Spielintentionen festzulegen. Außerdem sind mehrere Größen auch während des Spielablaufes vom Spielleiter veränderbar. Somit können vielfältige Umweltänderungen simuliert werden (Änderung der Ankunftsrate, Lohn- und Preissteigerungen, etc.).

* "KLIMA-Macher" Dr. Reinhard Meyer ist stellvertretender Leiter des Demonstrations-Datenverarbeitungs-Projektes für das Allgemeine Krankenhaus (DEPAK), Kulmbach.