Programme beim Kollegen tauschen:

Plädoyer für eine Software-Börse

07.04.1978

MÜNCHEN (uk) - Über die "unverhältnismäßig hohen Preise für mehr oder weniger gute Standard-Softwareprodukte" ärgerte sich Horst Sondermann, Leiter "Programmierung" bei der Strabag Bau-AG (Köln). Er plädiert für eine Anwender-Softwarebörse, auf der selbstgestrickte Programme getauscht oder dem Kollegen gegen geringe Dokumentationskosten überlassen werden. CW stellt diesen Vorschlag zur Diskussion:

Wir sind EDV-Anwender und haben uns, wie vieIe andere auch, mit den hinlänglich bekannten Problemen des EDV-Alltags auseinanderzusetzen. Es liegt in der Natur der Sache, daß es sich da in erster Linie um Probleme handelt, und um die geht es uns hier, die durch den Einsatz von Software gelöst werden können.

Nun gibt es ja für die Bewältigung von Software-Problemen entweder die Möglichkeit, bei einem Software-Unternehmen "von der Stange" zu kaufen oder sich eine für den speziellen Fall sogenannte "maßgeschneiderte" Lösung zu erstellen. Beides ist sicher im Einzelfall sinnvoll und hat seine Berechtigung.

Betrachten wir aber einmal den Bereich der Software, der die EDV-Organisation und den internen Ablauf einer DV-Abteilung durch Automation unterstützen soll. Dazu gehören vor allen Dingen solche Dienstprogramme, die dem EDV-Profi in Arbeitsvorbereitung und Operating, Programmierung und Systemanalyse wertvolle Hilfe bei der Bewältigung von Routineaufgaben bieten. Um nur einige Stichworte zu geben:

Parametergesteuerte Standardlist-, Duplizier- und Testdatengeneratoren-Bibliotheksverwaltungsprogramme-Generatoren zur Standardisierung von Programmen (NPG).

Speziell auf diesem Markt tummeln sich eine Reihe von Software-Unternehmen mit mehr oder weniger guten Produkten. Der oft entscheidende Nachteil ist der in vielen Fällen unverhältnismäßig hoch erscheinende Preis. Sicher, geht man davon aus, daß bei einem Software-Unternehmen erst einmal die Entwicklungs- und Verwaltungskosten hereingeholt werden müssen, bevor es ans Verdienen geht, ist der Preis wahrscheinlich sogar in Ordnung. Nur tröstet das den potentiellen Anwender wenig.

Und genau hier setzt unsere folgende Überlegung an:

Wenn man konstatiert, daß im Laufe der Jahre eine Vielzahl von Anwendern sich für die angesprochenen Probleme selber "maßgeschneiderte" Lösungen "gestrickt" haben, dann können diese Lösungen durch die bei den meisten Anwendern ähnlich gelagerten Probleme gar nicht so speziell sein, daß es sich nicht lohnen würde, über die hier nur von einem genutzte, weitestgehend im verborgenen schlummernde Programmkapazität einmal nachzudenken.

Gewiß sind viele Anwender, gerade im Bereich der internen EDV-Organisation, im Besitz von auch für andere interessanten Software-Produkten. Aus eigener Erfahrung und auch durch Kontaktnahme mit befreundeten Firmen läßt sich sagen, daß oft nur die fehlende ausführliche Dokumentation der Grund dafür ist, daß eine Veröffentlichung erst gar nicht ins Auge gefaßt wird.

Andererseits ist es jedoch so, daß wenn ein solches Produkt aus dem Potential eines Anwenders verkauft werden sollte, es ungleich preiswerter sein könnte als ein vergleichbares auf dem Software-Markt; denn die Entwicklungskosten, die ja sowieso einmal entstanden sind, brauchen in keine Kalkulation einzufließen. Etwas Aufwand zu treiben wäre ggfs. für eine vernünftige Dokumentation; aber die käme ja in jedem FalI zumindest den eigenem Leuten zugute.

So ein Produkt müßte ja auch nicht unbedingt verkauft werden. Genauso interessant wäre es beispielsweise, mit einem anderen Anwender brauchbare Produkte auszutauschen.

Hier könnten doch in einer Art Software-Börse die EDV-Anwender aufgefordert werden, wie von allgemeinem Interesse scheinenden Programme einmal etwas ausführlicher darzustellen.

Ich meine, daß es sich auf jeden Fall einmal lohnt, über diesen Vorschlag nachzudenken. Immerhin würde es sich doch um bereits in der Praxis bewährte Produkte handeln. Und gerade das ist von besonderem Wert.

Wenn Ihnen die Idee von der Anwender-Software-börse gefällt, schreiben sie an die CW-Redaktion oder direkt an: Strabag Bau-AG, 5000 Köln 21, Postfach 211 120, c/o Horst Sondermann.