Konzerngewinn von Verlusten im DV-Geschäft aufgezehrt:

Philips-Chef van der Klugt wirft endgültig das Handtuch

18.05.1990

MÜNCHEN (gs) - Nach vier Jahren, in denen es ihm nicht gelungen war, die Strukturprobleme des Unternehmens zu lösen, gibt Philips-Chef Cornelius van der Klugt (65) auf. Mit seinem Rücktritt ein Jahr vor der geplanten Pensionierung zieht van der Klugt die Konsequenz aus einem katastrophalen Geschäftsergebnis im ersten Quartal 1990.

Während die US-Hersteller langsam wieder Tritt fassen, scheint es für Europas Computerbauer zunehmend schwieriger zu werden. Eine Woche, nachdem Olivetti für das letzte Jahr einen Gewinneinbruch um 43 Prozent gemeldet hatte, mußte jetzt auch Philips ernstere Probleme eingestehen - vor allem im Bereich Informationstechnik.

Bei einem gegenüber dem Vorjahr um 1,3 Prozent auf 12,8 Milliarden Gulden (11,4 Milliarden Mark) gewachsenen Umsatz im ersten Quartal 1990 schrammte der niederländische Elektro-Multi im operativen Geschäft nur haarscharf an den roten Zahlen vorbei. Unterm Strich blieben gerade noch 6 Millionen Gulden (5,3 Millionen Mark), 97,3 Prozent weniger als im Vorjahresquartal (223 Millionen Gulden).

Kosmetisch aufpoliert wurde das Ergebnis nur durch die 330 Millionen Gulden (293,7 Millionen Mark), die den Holländern im Januar der Verkauf ihres Rüstungsgeschäfts an die französische Thomson CSF eingebracht hatte. An der Amsterdamer Börse sackte die Philips-Aktie um 20 Prozent ab.

Mit die Hauptschuld an dem Desaster trägt laut Finanzchef Henk Appelo der Bereich Informationstechnik; vor allem die Informationssysteme seien wegen des anhaltenden Preisdrucks bei weltweit sinkender Nachfrage zu einem der kritischsten Sektoren des Unternehmens geworden.

Ganz ähnlich ist die Situation bei den Bauelementen, wo sich zwar die US-Nachfrage erholte, nicht aber das Preisniveau. Zusätzlich verschärft wurden die Probleme durch die Wechselkursschwankungen von Dollar, Yen und Pfund, Verluste bei Anlagen in Schweizer Franken und südamerikanischen Währungen sowie höhere Finanzierungslasten aufgrund gestiegener Zinsen.

Analysten in Amsterdam und London indessen sehen die Ursache für die Schwierigkeiten eher in der enormen Produktvielfalt der ehemaligen Glühlampenfabrik. Sie sei zu groß um in einem turbulenten und von scharfem Wettbewerb geprägten Weltmarkt noch bewältigt werden zu können. Ein Indiz dafür ist die Tatsache, daß offenbar das Philips-Management selbst von dem miserablen Quartalsergebnis überrascht wurde. Noch auf der letzten Hauptversammlung im April hatte van der Klugt eine Gewinnsteigerung für 1990 angekündigt.

Kritisch äußerten sich auch die holländischen Gewerkschaften: Die Konzentration auf die verlustträchtige Informationstechnik gefährde Arbeitsplätze. Seit Anfang 1989 schrumpfte die Mitarbeiterzahl des Konzerns um 14 200 auf derzeit 293 400, allein in den letzten drei Monaten um 3 300.

Bei weitem nicht genug, meinen Beobachter: Vor allem im behäbigen mittleren Management seien die nötigen Entlassungen unterblieben, und auch bei der Verlagerung der Produktion in billigere Länder habe van der Klugt versagt. Von dem designierten Nachfolger Jan Timmer (57), unter dessen Leitung der Bereich Unterhaltungs-Elektronik zu einem der profitabelsten des ganzen Konzerns wurde, erhoffen sich die. Aktionäre jetzt die erforderlichen "Grausamkeiten." Auf einer demnächst stattfindenden außerordentlichen Hauptversammlung soll seine vorgezogene Amtsübernahme abgesegnet werden.

Gleichzeitig mit van der Klugt - und ebenfalls ein Jahr früher als geplant - wird Professor Gert Lorenz (60), der 1986 von der deutschen Philips GmbH kam, seinen Sessel im Vorstand räumen. Lorenz war unter anderem zuständig für den Krisenbereich Informations- und Kommunikationssysteme. Vorgezogen wird auch der Eintritt des derzeitigen Präsidenten der Philips Lighting Holding B.V., Ype Bowkamp (55), in den Vorstand. Bowkamp ist als Vizepräsident und stellvertretender Vorstandsvorsitzender vorgesehen.

BK war nicht "die größte Freude"

Trotz des schlechten Auftakts hofft Philips im laufenden Jahr noch ein Umsatzplus von sechs Prozent erreichen zu können. "Sehr schwierig" allerdings werde es angesichts "der weiterhin ungünstigen Wechselkurslage" sein, "den 1989 erzielten Reingewinn aus der normalen Geschäftstätigkeit zu verbessern" - das waren immerhin 2,29 Milliarden Gulden (2,03 Milliarden Mark).

Daß auch hierzulande der Bereich Bürokommunikation "nicht unsere größte Freude" ist, gibt man bei der Philips Kommunikations Industrie AG (PKI), über die der größte Teil des DV-Geschäfts der deutschen Philips GmbH läuft, offen zu Rote Zahlen jedoch - zur Jahreswende war über bis zu 700 Millionen Mark Verlust spekuliert worden - habe man in den letzten zwölf Monaten definitiv nicht geschrieben, weder bei der GmbH noch bei der PKI.

Auf die "nicht unbedingt positive Entwicklung im letzten Jahr", so PKI-Sprecher Ulrich Brüne, werde man natürlich reagieren. Dazu gehöre auch, sich zu "überlegen, ob unsere Produktpalette noch interessant ist". Endgültige Entscheidungen jedoch werden wohl erst nach dem 1. Juli getroffen, wenn der neue Bereichsleiter "Büro- und Informationssysteme" (Vorgänger Dieter Kaden hatte im Dezember 1989 überraschend gekündigt und damit heftige Spekulationen ausgelöst) sein Amt angetreten hat.