Perspektiven betrieblicher ADV-Aus- und Weiterbildung

09.12.1977

Dr. Hans G. Klaus, Geschäftsführer des BIFOA-Betriebswirtschaftliches Institut für Organisation und Automation an der Universität zu Köln. Projektleiter DV-Aus- und Weiterbildung

Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen stellen vielfach noch immer eine Budgetgröße dar, die in "guten Zeiten" großzügig auf bewährte Mitarbeiter in Form von Seminarbesuchen verteilt wird and in "schlechten Zeiten" als erste dem Rotstift zum Opfer fällt. Dieser Eindruck wird vielfach durch isolierte und punktuelle Wissensvermittlung in teilweise zufällig ausgewählten Seminarveranstaltungen bestätigt.

Hier bedarf es auf dem Gebiet der ADV einer Umorientierung, in dem die oft kostspieligen Aus- und Weiterbildungsaktivitäten in eine Gesamtkonzeption sämtlicher Ausbildungsmaßnahmen einer Unternehmung integriert werden. Dies gilt um so mehr, als einerseits ein immer größerer Kreis von Mitarbeitern mit DV-Problemen in Berührung kommt und andererseits immer mehr DV-Spezialisten im Hinblick auf andere Ausbildungsinhalte geschult werden müssen. Es empfiehlt sich, die Gesamtkonzeption unter Einbeziehung der Aufgaben der Organisationsentwicklung auf einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren auszurichten und aus den Zielen der Unternehmensleitung abzuleiten. Auf der Basis derartiger Leitlinien ist eine Bedarfsanalyse durchzuführen, mit der die Lücke zwischen den Anforderungen der Bereiche, Abteilungen und Arbeitsplätze und dem Eignungsprofil der Stelleninhaber ermittelt wird.

Spätestens in diesem Stadium bedarf es einer intensiven Zusammenarbeit zwischen Organisatoren, pädagogisch geschulten Ausbildern und Personalfachleuten, die in einem Analyseteam organisiert sind. Dabei werden dann Konsequenzen von DV-Vorhaben (etwa Entwicklung von Informationssystemen) für organisatorische Maßnahmen und Ausbildungsmaßnahmen verschiedenster Art erkennbar, von denen der DV-spezifische Teil abzugrenzen ist. Es wird aber auch erkennbar, wo Diskrepanzen zwischen Arbeitsplatzanforderung und Mitarbeitereignung nicht durch Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen abgedeckt werden dürfen, sondern auf andere, auch organisatorische Mängel zurückzuführen sind.

Der Einsatz von derartigen Analyseteams trägt außerdem zur dringend notwendigen Anwendung einheitlicher und systematischer Bedarfsermittlungs- und Prognosemethoden bei. Beispiele hierfür sind etwa die Methoden der Interaktionsanalyse, der Klima- und Rollenanalyse. Aus der Kenntnis eines strukturierten Bedarfs heraus ist es dann möglich, im Einklang mit den Unternehmungszielen im Dienste einer synchronen Organisations- und Personalentwicklung die erforderlichen Lernziele abzuleiten und systematisch nach Prioritäten, Zielgruppen und Lernkomplexen zu ordnen.

Wer soll nun im Unternehmen betriebliche Ausbildungsmaßnahmen im DV-Bereich planen, durchführen und vor allem eine Koordinierung sichern? Zur Steuerung der DV-Ausbildungsmaßnahmen bietet sich an, die Funktion Aus- und Fortbildung als Stabsstelle dem Leiter des Bereichs Datenverarbeitung zuzuordnen oder ihn als Linienfunktion neben anderen Abteilungen anzusiedeln, letzteres ist jedoch wegen des übergreifenden und beratenden Charakters dieser Funktion sowohl im Bereich Datenverarbeitung selbst als auch in den verschiedenen Fachabteilungen wenig zu empfehlen.

Sowohl für kleinere Unternehmungen als auch um eine didaktisch-einheitliche Realisierung von unternehmungsspezifischen Ausbildungskonzeptionen zu erreichen, erscheint eher das Tätigwerden von DV-Beauftragten, die fachlich dein DV-Leiter, disziplinarisch der zentralen Ausbildung oder Personalabteilung zugeordnet sind, sinnvoll.

Ein methodischer Mangel im Bereich der DV-Aus- und Weiterbildung ist vor allem in der unzureichenden Anwendung aktiver Lehrmethoden im Rahmen der betrieblichen Ausbildungsmaßnahmen zu sehen. Zu stark wird noch ein Schüler-/Lehrer-Verhältnis anstelle von selbständig operierenden Lerngruppen gepflegt, für die der Ausbilder die Rolle des Moderators und Helfers einnimmt. Mit dieser Rolle sind jedoch die meisten internen und externen Ausbilder methodisch überfordert, obwohl durch den Einsatz von Experten und Führungskräften für Ausbildungsaktivitäten in zunehmendem Maße ein Personenkreis erschlossen wird, der für das künftige Ausbildungsverständnis von entscheidender Bedeutung ist. Denn das Engagement des Ausbilders wird durch die Aktivierung der Lernenden keineswegs verringert, sondern im Schwerpunkt auf die Phasen der Lernvorbereitung und Lernnachbereitung verlagert, Bereiche, die bisher nahezu völlig vernachlässigt werden.

Damit ist zu einem weitere n kritischen Punkt der betrieblichen Aus- und Weiterbildung überzuleiten, nämlich der Kontrolle betrieblicher AusbiIdungsmaßnahmen, die über eine Budgetkontrolle hinausgehen und eine Kontrolle des Lerntransfers ermöglichen. Dies bedeutet, daß sowohl die organisatorischen als auch "klimatischen Voraussetzungen" geschaffen oder verbessert werden müssen, damit Ausbildungsmaßnahmen sich über den Teilnehmer tatsächlich in einem verbesserten Arbeitsergebnis und damit einem Unternehmungserfolg niederschlagen können.

Die Andragogik hat im Rahmen der Evaluierungsforschung wichtige Ansätze entwickelt, die eine verstärkte Anwendung in den Unternehmungen verdienen. Sie wendet sich verstärkt der Vor- und Nachbereitungsphase von Lehrveranstaltungen zu, der Schaffung kontinuierlich betreuter Lernprozesse sowie der optimalen Abstimmung von Lernbedingungen und Arbeitsbedingungen bzw. Organisationsklima als Grundvoraussetzungen für einen effizienten Lerntransfer.

Die Konsequenzen einer Lagebeurteilung lassen demnach auf dem Sektor der DV-Aus- und Fortbildung folgende Aktionsrichtungen erfolgversprechend erscheinen:

- Innerbetrieblich ist eine Integration der DV-Aus- und Weiterbildung in die Bemühungen um eine gesamtbetriebliche Personal- und Organisationsentwicklung zu beachten. Systematische, im Team erarbeitete Bedarfsanalysen und Transferbedingungen gehören hierzu.

- Überbetriebliche Ausbilder und Ausbildungsinstitutionen können sich nicht mehr mit dem Angebot von Informationsveranstaltungen allein zufriedengeben. Vielmehr müssen sie vor allem gegenüber kleineren Unternehmungen als Ausbildungsberater fungieren, die sich auch für den gesamten Lernprozeß einschließlich des Lerntransfers verantwortlich fühlen, und die Unternehmungen zu einer Gesamtkonzeption zu einer Ausbildungskonzeption aus einem Guß, anhalten.

- Schließlich ist die Wissenschaft und die Forschungsförderung aufgerufen, mehr noch als in der Vergangenheit, auf die schulungsrelevante Verwertbarkeit und Aufbereitung ihrer Ergebnisse zu achten, um neben dem geschilderten Rückstand auf pädagogischem Gebiet eine schnellere Umsetzung von innovationsträchtigen Forschungsergebnissen zu ermöglichen.