Chef 2.0

Personalführung geht in digitalen Zeiten anders

20.02.2014
Von Sandra Sieber, Evgeny Káganer und Javier Zamora

1. Visionen vorgeben, aber Entscheidungsfreiraum lassen

Führungskräfte müssen eine klare Vorstellung haben, wohin sie die Firma im digitalen Zeitalter führen wollen. Gleichzeitig müssen sie die Initiative ihrer Mitarbeiter fordern und diese einbeziehen, um die eigene Vision auch in die Praxis umsetzen zu können. Das erfordert ein Arbeitsumfeld, in dem Mitarbeiter Ideen entwickeln und Dinge ausprobieren können. Digital Leader sollten dafür sorgen, dass die Mitarbeiter das Erlernte systematisch erfassen, analysieren und umsetzen.

Ein Beispiel: Ein globaler Anbieter für Gesundheitssoftware wollte die Zeit zwischen Ideenfindung und Realisierung verkürzen. Die Firma entschloss sich, eine soziale Plattform einzurichten, um so den Informationsaustausch innerhalb der Organisation sowie mit den Kunden zu vereinfachen. Die Umsetzung wurde einem Team von Mitarbeitern anvertraut.

Es entschied, wie die Plattform aussehen und funktionieren sollte. Der Enthusiasmus dieser Mitarbeiter - darunter viele aus der Generation Y - legte den Grundstein für das Projekt und führte es zum Erfolg.

2. Kontrolle aufgeben und zusätzliche Freiheiten schaffen

Eine Führungskraft sollte den Mitarbeitern Entfaltungsmöglichkeiten und Entscheidungsbefugnisse geben. Traditionelle Formen der Kontrolle sollten eingeschränkt werden. Das bedeutet keineswegs, dass der digitale Leader das Kommando abgibt. Er sollte jedoch nicht an rigiden Regeln festhalten, sondern vor allem die Ergebnisse beeinflussen, indem er Ziele vorgibt und die Mitarbeiter aussucht, die diese Aufgaben am besten umsetzen. Richard Thaler und Cass Sunstein beschreiben die Vorgehensweise in ihrem Buch "Nudge" (2008) und schlagen vor, dass Führungskräfte zu "Architekten der Optionen" werden.

Dieser Ansatz wäre auch sinnvoll im Umgang mit sozialen Medien. Statt Posten und Twittern zu verbieten, könnten die digitalen Führungskräfte ihren Kollegen Orientierung geben, wo und wie welche Inhalte sinnvoll geteilt werden sollten. So lassen sich nicht nur die Risiken fürs Unternehmen verringern, es entsteht sogar ein Zusatznutzen.

3. Die Basis stärken, aber Neues wagen

Für die meisten Organisationen wird sich der Wandel in mehreren Abschnitten vollziehen. Einige Maßnahmen bauen auf Bestehendem auf, andere werden mit dem Etablierten brechen. Dies führt zu Konflikten, etwa wenn zuvor hart erarbeitete Kompetenzen plötzlich in Frage gestellt werden. Auf jeden Fall müssen das operative Geschäft und die Profitabilität gesichert sein, damit die Mitarbeiter ohne Bedenken neue Ideen entwickeln können. Außerdem: Die neuen Geschäftsideen sollten zunächst nicht nach herkömmlichen Maßstäben und Kriterien bewertet werden, sie laufen schnell Gefahr, Kritikern zum Opfer zu fallen.

4. Mit Daten arbeiten, auf die Intuition vertrauen

"Empirische Daten sind in, die innere Stimme ist out." Diese Worte vom Manager einer globalen Personalberatung für die Hightech-Branche machen die Auswirkungen der großen Datenmengen auf die Unternehmensführung deutlich. Die digitale Dichte ermöglicht es uns, die Welt auf neue Weise auszuwerten. Der Siegeszug von Amazon und Google hat gezeigt, dass datengesteuerte Entscheidungsfindung die Unternehmensleistung verbessert.

Die digitalen Bosse gehen voran, wenn es gilt, die Entscheidungskultur innerhalb der Organisation zu verändern. Dabei geht es vor allem um das Ziel, fachliche Revierkämpfe durch konstruktive Diskussionen über Fakten und Ergebnisse zu ersetzen. Das bedeutet keineswegs, dass Entscheidungen zukünftig ohne sorgfältige Erwägungen getroffen werden. Nicht immer taugen Daten für genaue Vorhersagen, vor allem dann nicht, wenn sich das Umfeld rasant ändert. Um die Zukunft einschätzen zu können, spielt Intuition immer noch eine wichtige Rolle. Sie hilft den Beteiligten, sich auf die entscheidenden Informationen zu stützen, diese zu kombinieren, zu analysieren und zu interpretieren, um Hypothesen und Annahmen formulieren zu können.

5. Kritisch sein und ohne Vorurteile agieren

Das moderne Unternehmen fördert eine Kultur des Experimentierens und Ausprobierens. Das Management sollte allerdings ein größeres Ziel im Auge behalten. Nur wer ein tiefer gehendes Verständnis dafür hat, wie Technik das Leben vereinfacht, und gleichzeitig weiß, welche Unannehmlichkeiten sie mit sich bringen kann, der ist auch fähig, eine Vision vom digitalen Wandel im eigenen Unternehmen zu entwerfen. Seien Sie also durchaus kritisch, aber sammeln Sie Ihre eigenen Eindrücke. Es gibt keinen Ersatz dafür, sich auf die Erfahrungen einzulassen, die Ihre Mitarbeiter und Kunden täglich machen.

Manchmal kann es notwendig sein, für diese Aufgaben einen Chief Digital Officer (CDO) zu ernennen. Allerdings kennt die Verknüpfung der physischen und der digitalen Welt keine Grenzen, und so ist es auch nicht unbedingt erforderlich, die Verantwortung für die Digitalisierung einer einzelnen Person zu übertragen. Der Wandel betrifft die gesamte Organisation, unabhängig von Abteilungen und Hierarchien. (hk)

Sandra Sieber ist Professorin an der internationalen IESE Business School und leitet dort den Bereich Informationssysteme,

Evgeny Káganer ist ebenfalls Professor für Informationssysteme an der IESE Business School,

Javier Zamora arbeitet dort als Dozent.