Recruiting in Zeiten des Fachkräftemangels

Personaler - selten so gefordert wie heute

10.01.2013
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.

Arbeit als Feuerwehrmann

Unternehmen haben Probleme, gute Mitarbeiter zu bekommen, den Hochschulen fehlt es an vorgebildeten Informatikstudenten und den Bewerbern an Orientierung - für Personalberatungen ist das kein schlechter Nährboden für ihre Vermittlungsgeschäfte. Niels Fischer von der Schickler Unternehmensberatung arbeitet denn auch an den Schnittstellen zu diesen Gruppen: "Es bleibt weiter schwierig, gute Nachwuchskräfte und erfahrene IT-Mitarbeiter zu finden." In der aktuellen Marktlage sieht er sich mittlerweile oft in der Rolle des Feuerwehrmanns: "Wir werden gerufen, wenn alle klassischen Rekrutierungsmaßnahmen nicht gefruchtet haben und schon alles ausprobiert wurde."

Niels Fischer, Schickler: "Wir werden gerufen, wenn klassische Recruiting-Instrumente nicht gefruchtet haben."
Niels Fischer, Schickler: "Wir werden gerufen, wenn klassische Recruiting-Instrumente nicht gefruchtet haben."
Foto: Anya Zuchold

Schwierig sei es auch, wenn sich die Erwartungen des Kandidaten mit denen des Unternehmens nicht deckten oder der Auftraggeber trotz schwieriger Marktlage nicht bereit sei, auf Wünsche des Kandidaten einzugehen. Oder eine andere typische Situation, die Fischer zunehmend Sorge bereitet: Das Profil des Kandidaten passt perfekt auf die Stelle, aber der Auftraggeber lehnt ihn wegen des Alters ab. Fischer: "Natürlich will jeder Auftraggeber einen Mitarbeiter, der zu 100 Prozent passt. Wenn aber absehbar ist, dass das Wunschprofil nicht erfüllt werden kann, sollte man gemeinsam darüber nachdenken, entweder das Profil anzupassen oder einen 80-Prozent-Kandidaten einzustellen, der sich entwickeln kann." Dauerhaft gebe es keinen Sinn, den Markt zu ignorieren.

Der 80-Prozent-Kandidat

Innogames-Personal-Managerin Burrichter kann unter bestimmten Voraussetzungen auch mit einem 80-Prozent-Kandidaten leben: "Wenn wir merken, dass die Fähigkeiten eines sehr guten Bewerbers nicht zu 100 Prozent zu der ausgeschriebenen Stelle passen, sind wir flexibel genug, auch mal die Stellenausschreibung zu ändern, statt diesen guten Kandidaten zu verlieren." Sie empfinde es "als Luxus, dass wir vieles individuell machen können", dass Zeugnisse und Diplome zweitrangig seien. Als Beispiel führt sie einen Rettungsflieger ohne akademischen Abschluss an, der ein hervorragender Entwickler und eine ebenso gute Führungskraft sei.

Auch Arvato-Personalleiter Sonnabend wünscht sich mehr Flexibilität in der Auswahl und Förderung des zukünftigen Personals. Nach wie vor verhindere seiner Erfahrung nach vor allem in Großunternehmen ein umfangreiches Regelwerk, gelegentlich auch unorthodoxe Kandidaten mit interessanten Werdegängen einzustellen.

Angesichts des anhaltenden Fachkräftemangels werden Unternehmen - wie auch die Beispiele hier gezeigt haben - nicht umhinkommen, zum einen flexibler im Recruiting zu agieren und zum anderen stärker in die Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter zu investieren. Bezeichnend dafür ist eine Überlegung des EWE-TEL-Personalleiters Gambihler: "Wenn schon der Personalerberater die von uns geforderten Spezialisten nicht findet, ist es klar, dass wir intern einige unserer Mitarbeiter auf längere Sicht weiterentwickeln und weiterbilden müssen."