Recruiting in Zeiten des Fachkräftemangels

Personaler - selten so gefordert wie heute

10.01.2013
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Klingt einfach, ist es aber nicht: Gute Mitarbeiter einzustellen und zu halten ist in Zeiten des Fachkräftemangels eine echte Herausforderung. Personaler begegnen ihr mit Professionalität und Findigkeit, wie ein Roundtable in Hamburg zeigte.
Diskutierten über Recruiting-Herausforderungen (v.l.n.r.): Wolfgang Sonnabend (Arvato), Markus Gambihler (EWE), Heinz Züllighoven (Uni Hamburg), Moderator Hans Königes (COMPUTERWOCHE), Niels Fischer (Schickler), Wiebke Burrichter (Innogames) und Andreas Hein (Capgemini). Georg Bachmaier von Microsoft war aus München zugeschaltet.
Diskutierten über Recruiting-Herausforderungen (v.l.n.r.): Wolfgang Sonnabend (Arvato), Markus Gambihler (EWE), Heinz Züllighoven (Uni Hamburg), Moderator Hans Königes (COMPUTERWOCHE), Niels Fischer (Schickler), Wiebke Burrichter (Innogames) und Andreas Hein (Capgemini). Georg Bachmaier von Microsoft war aus München zugeschaltet.
Foto: Anya Zuchold

Früher mussten Hochschulabgänger sich zum Berufseinstieg noch selbst bei einem Unternehmen bewerben, heute tun wir das als Arbeitgeber bei den Jobsuchenden": So charakterisiert Wolfgang Sonnabend, seines Zeichens Personalleiter beim Dienstleister Arvato, die veränderte Situation auf dem IT-Arbeitsmarkt. Noch vor zehn Jahren hätten sich IT-Profis klassisch auf Printanzeigen beworben und seien glücklich gewesen, wenn sie unter den manchmal über 200 Kandidaten den Zuschlag erhielten. Heute informierten sich die Bewerber sehr genau über ihre zukünftigen Arbeitgeber und wählten die zwei bis drei aus, die für sie in Frage kämen. Und das seien oft große Firmen aus der IT-Industrie wie Microsoft oder SAP oder solche mit bekannten Namen aus anderen Branchen wie Audi, BMW, aber auch Arvato.

Damit nicht genug. Selbst wenn sich ein Kandidat für Arvato entschieden habe, "kann es sein, dass er nach drei Jahren geht", so der Personal-Manager. Für die Generation Y sei es nicht erstrebenswert, ein ganzes Berufsleben beim selben Arbeitgeber zu verbringen. Die jungen Leute wollten mehrere Firmen kennenlernen und unterschiedliche Erfahrungen sammeln.

Arvato-Personalleiter Wolfgang Sonnabend: "Für die Generation Y ist es nicht so wichtig, das ganze Berufsleben beim selben Arbeitgeber zu verbringen."
Arvato-Personalleiter Wolfgang Sonnabend: "Für die Generation Y ist es nicht so wichtig, das ganze Berufsleben beim selben Arbeitgeber zu verbringen."
Foto: Anya Zuchold

Um als Arbeitgeber auf sich aufmerksam zu machen und attraktiv zu sein, gehe man unter anderem in die Schulen, biete Praktikantenprogramme an, engagiere sich an Hochschulen, veranstalte besondere Events für Hochschulabgänger und halte mit Alumni-Programmen den Kontakt zu Mitarbeitern, die das Unternehmen verlassen haben. Die Erfahrung habe gezeigt, so Sonnabend, dass Gütersloh für das junge Management nicht unbedingt der Standort erster Wahl sei. Später aber, wenn die jungen Mitarbeiter Eltern sind, könnten sie der familiären Atmosphäre in der ostwestfälischen Provinz durchaus positive Seiten abgewinnen.

Auch Provinz kann attraktiv sein

Markus Gambihler, EWE TEL: "Neue Mitarbeiter müssen in den ersten Wochen spüren, dass sich jemand um sie kümmert."
Markus Gambihler, EWE TEL: "Neue Mitarbeiter müssen in den ersten Wochen spüren, dass sich jemand um sie kümmert."
Foto: Anya Zuchold

Dem Standortproblem versucht Markus Gambihler, Personalleiter der Telekommunikations-Tochtergesellschaft des regionalen Energieanbieters EWE in Oldenburg, damit zu begegnen, dass das Unternehmen seine Besonderheiten als attraktiver Arbeitgeber vor Ort stark pflegt und hervorhebt. Natürlich nütze sein Betrieb auch die Möglichkeiten der sozialen Netzwerke, um Bewerber anzusprechen. Um allerdings in der Rekrutierung erfolgreich zu sein, will Gambihler es in den Vorstellungsgesprächen schaffen, "glaubhaft rüberzubringen, warum es sich lohnt, bei uns anzufangen". Wichtiger Baustein sei dabei der Umgang der Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern. Der Neue müsse schon in den ersten Wochen spüren, dass sich jemand um ihn kümmere - "dafür sorgen die Führungskräfte und ein Set an Veranstaltungen und Möglichkeiten für frisch eingestiegene Mitarbeiter", so Gambihler.

Besonders gefordert im Wettbewerb um die größten Talente sind Unternehmensberatungen wie Capgemini, die für sich in Anspruch nehmen, immer die Besten haben zu wollen. Weil die Kandidaten mittlerweile ihre eigenen Wege gehen, um zu einem neuen Job zu kommen, ist es für Andreas Hein wichtig, auf möglichst vielen Hochzeiten zu tanzen. Er möchte alle Recruiting-Kanäle nutzen - von der klassischen Print-Anzeige über Headhunter-Einsatz, Hochschulengagement, Online- und Social-Media-Aktivitäten bis hin zu Veranstaltungen oder Mitarbeiter-werben-Mitarbeiter-Programmen. Wichtig sei aber nicht nur das soziale, sondern auch das reale Netzwerken. Im Rahmen von Veranstaltungen spreche man Leute direkt an.

Andreas Hein, Capgemini: "Wir müssen alle Recruiting-Kanäle nützen, um die Besten zu gewinnen."
Andreas Hein, Capgemini: "Wir müssen alle Recruiting-Kanäle nützen, um die Besten zu gewinnen."
Foto: Anya Zuchold

"Stand früher das Fachwissen der Bewerber im Vordergrund, so suchen wir heute Persönlichkeiten, bei denen die Balance zwischen Fach- und Sozialkompetenz stimmt", sagt der Vice President Application Service der international tätigen Unternehmensberatung. Der Bewerber müsse zum Unternehmen passen, was bedeute, dass er sich mit den Werten seines künftigen Arbeitgebers identifiziere. Im Fall von Capgemini gehe es um Haltungen wie Mut, Bescheidenheit, Teamgeist oder Spaß an der Arbeit.

Eher ein Luxusproblem hat der deutsche Microsoft-Recruiting-Verantwortliche Georg Bachmaier. Sein Unternehmen erhält jährlich über 10.000 Bewerbungen, ausgeschrieben werden rund 500 Stellen. Er formuliert sein Ziel sehr selbstbewusst: "Wir wollen, dass sich die Besten bei uns bewerben." Die Leidenschaft für IT darf dabei nicht fehlen. Dafür hat er die volle Unterstützung des obersten Bosses, Steve Ballmer, dessen Satz Bachmaier gerne zitiert, um die Bedeutung der Personalarbeit herauszustreichen: "The most important thing we do is hire great people."