Wirtschaft vor extremem Dauermangel an Führungskräften:

Personalberater vor goldenen Zeiten

17.03.1989

Der Arbeitsmarkt für qualifiziertes Fachpersonal stößt an seine Grenzen - und das angesichts von über zwei Millionen Arbeitslosen. In einigen Branchen übersteigt schon heute die Nachfrage das Potential. Bevölkerungsentwicklung und Wertewandel verstärken diese, für unsere Wirtschaft äußerst negative Entwicklung. Die gezielte, systematische Suche nach geeigneten Führungskräften wird deshalb unerläßlich.

Die Ergebnisse der langfristigen Bevölkerungsvorausrechnungen und deren absehbare Auswirkungen wurden über Jahre verdrängt. Sie dürften mittlerweile jedem Personalverantwortlichen gegenwärtig sein. Hinzuweisen ist auf eine gute und aktuelle Studie der Deutschen Bank, die im September 1988 erschienen ist, ihr Titel: "Demographie und Wirtschaftsdynamik - Vor einer Gründungswelle in der Bundesrepublik Deutschland".

Folgendes ist festzuhalten: Bis 1995 wird sich die Zahl der Berufsanfänger im Alter von 18 bis 21 Jahren gegenüber 1985 fast halbiert haben (von 980 000 auf 500 000). Schon in Kürze wird es also einen extremen Mangel an Auszubildenden geben. Diese Entwicklung wird auf das Mittelmanagement nach der Jahrhundertwende durchschlagen.

Die Gewinnung von qualifizierten Führungskräften wird aber nicht erst dann problematisch werden, sondern ist schon seit Jahren äußerst schwierig, wofür die Stichworte "Karrieremüdigkeit" und" Immobilität" stehen (Abb. 1). Die Erfahrung ist, daß sich diese Wertewandel-Symptome tendenziell stärker ausprägen.

Ich möchte diese Thematik nicht weiter vertiefen, sondern auf meine eigenen Veröffentlichungen dazu in der FAZ - Blick durch die Wirtschaft vom 6. Juli 1988 und in der COMPUTERWOCHE vom 16. September 1988 verweisen. Tatsache ist: Qualifiziertes und leistungswilliges Personal wird für die deutsche Wirtschaft in den nächsten Jahrzehnten zur (über-)lebenswichtigen Ressource, und es werden sich nur jene Unternehmen im internationalen Wettbewerb behaupten können, denen es gelingt, ihre Personalarbeit im Sinne eines modernen Personalmarketing strategisch zu instrumentalisieren.

Konstatiert werden muß jedoch, daß viele deutsche Unternehmen überhaupt keine systematische Personalplanung und -entwicklung betreiben und auch nicht können, weil die Personalabteilungen häufig stark unterbesetzt sind, so daß zu einer strategischen Personalarbeit keine Zeit bleibt und die Tagesroutine (Verwaltung) im Vordergrund steht. Selbst wenn Unternehmen ihre diesbezüglichen offenkundigen Schwachstellen schnell beheben, werden sie auch mittelfristig kaum in der Lage sein, die Erstellung von Bedarfsanalysen, die Entwicklung strategischer Konzepte und vor allem deren mühevolle und zähe Umsetzung alleine bewältigen zu können.

Berater, die sich auf das weite Feld der Personalentwicklung spezialisiert haben, werden also zukünftig eine gute Konjunktur haben. Ihre Dienstleistung ist eine anerkannt wichtige Funktion im Mix des Personalmarketing, und die Zusammenarbeit mit ihnen erfolgt gemeinhin ohne Friktionen. Die Öffentlichkeit - sprich die Medien - schenkt diesen Beratern eine eher geringe Aufmerksamkeit. Dagegen stehen die Personalberater, deren Dienstleistung die Rekrutierung ist, besonders jene, die die Methode der Direktansprache (Direct Search) anwenden, geradezu im Rampenlicht.

"Head-Hunter" noch immer ungeliebte Partner

Das Medieninteresse erscheint bisweilen überdimensioniert und nicht immer frei von tendenziösen Einfärbungen. Das mag davon herrühren, daß die Arbeitsweise der "Headhunter" außerhalb ihres Berufsstandes kaum bekannt ist und vor allem nicht, welcher Aufwand an persönlichem Einsatz und Kosten dahintersteckt. Zudem hat ihre Dienstleistung, obwohl auch in der Bundesrepublik schon seit über 20 Jahren praktiziert, noch immer die Etikette des "doch nicht so ganz Seriösen". Kein Wunder also, daß ihr Verhältnis zu den Personalverantwortlichen häufig von Mißverständnissen begleitet ist und sie eher als ungeliebter Partner gelten.

Tatsache ist, daß die externe Dienstleistung der Rekrutierung nur selten einen festen Platz im Mix des Personalmarketing hat, sondern wird meist als Ultima ratio eingesetzt, wenn nichts mehr geht. Häufig ist schon beträchtliche Zeit - manchmal Jahre - ohne Stellenbesetzung verstrichen, sind erhebliche Eigenmittel aufgewendet worden.

Vor dem Hintergrund des bevölkerungspolitischen Szenarios muß sich dieses Verhältnis jedoch wandeln. Es sollte im Interesse der Unternehmen liegen, daß sich eine Partnerschaft etabliert, wie sie zum Beispiel zwischen Marketingleiter und Werbeagentur schon seit Jahrzehnten praktiziert wird. Der Marketingleiter entwickelt die strategischen Konzepte und die Werbeagentur deren Umsetzung. Ebenso wird (und muß) sich der Personalverantwortliche zukünftig verstärkt auf die strategische Personalarbeit konzentrieren, und der Berater wird im Rahmen des Konzeptes die Suche und Vorauswahl von Führungskräften durchführen, denn nur er kann mit seiner Vorgehensweise und seinem Mitarbeiterstab das gesamte verfügbare Potential im Markt ansprechen. Die endgültige Auswahl der Kandidaten verbleibt natürlich beim Personalleiter und den Fachvorgesetzten. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.

So wie der Marketingleiter die Aufgabe hat, die beste Werbeagentur auszuwählen, muß der Personalverantwortliche die beste Personalberatung für sein Unternehmen selektieren. Doch welche Kriterien dafür ansetzen, wenn die Arbeitsweisen der Rekrutierungsberater anscheinend so wenig bekannt und transparent sind? Die Berater müssen selbst für Glasnost sorgen, damit ihre Tätigkeit nachvollziehbar und bewertbar wird.

Jede seriöse Beratungsgesellschaft, die ihr Geschäft langfristig und professionell betreibt, hat geschriebene ethische Grundsätze, die in den Firmenbroschüren abgedruckt sind. Ein gutes Beispiel für solche Grundsätze sind jene, die die Mitglieder des "Arbeitskreises der Personalberater in Deutschland e. V." am 7. Dezember 1983 in Frankfurt verabschiedet haben. Die sieben Berufsgrundsätze lauten:

1. Es werden nur Beratungsaufträge übernommen, für deren Durchführung die erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse vorhanden sind.

2. Der Berater ist verpflichtet, im Rahmen eines übernommenen Auftrags systematisch nach dem neuesten, ihm zugänglichen Stand der Methodologie zu arbeiten. Er unternimmt alle Anstrengungen, seine Kenntnisse, Fähigkeiten und Verfahren zu verbessern und seinen Klienten die Vorteile solcher Verbesserungen uneingeschränkt zugänglich zu machen.

3. Eine Beratung erfolgt ausschließlich im Rahmen eines konkreten Auftrags, bei dem im vornhinein mit dem Klienten Art, Umfang und zu erwartendes Ergebnis der Beratung sowie deren Honorierung vereinbart wurden.

4. Die Honorierung der Beratung erfolgt stets im Rahmen eines vereinbarten Fest- oder Zeithonorars. Es wird in keinem Fall ein bestimmtes oder unbestimmtes, am Erfolg der Beratung orientiertes Honorar vereinbart.

5. Soweit im Zusammenhang mit einem Beratungsauftrag die Mitwirkung bei der Suche nach Führungskräften übernommen wird, ist der Berater verpflichtet, sich an die geltenden Gesetze sowie an die "Grundsätze zur Abgrenzung von Personalberatung und Arbeitsvermittlung bei der Besetzung von Stellen für Führungskräfte der Wirtschaft" der Bundesanstalt für Arbeit zu halten.

6. Alle dem Berater im Rahmen eines Auftrags zugänglichen Informationen werden von ihm streng vertraulich behandelt. Die Preisgabe von Klientennamen als Referenz erfolgt ausschließlich nach Zustimmung des oder der betroffenen Klienten.

7. Der Berater ist in der Darstellung seiner Beratungsleistungen und in der Akquisition von Beratungsaufträgen zu seriösem Verhalten verpflichtet.

Solche sieben Berufsgrundsätze versichern dem Klienten uneingeschränkte Loyalität - eine Unerläßlichkeit jeder Geschäftsbeziehung. In diese Loyalität wird jeder seriöse Berater auch seine Kandidaten einbeziehen und sie in gleicher Weise behandeln.

Solche Berufsgrundsätze sind nur Worte, gewiß. Trotzdem sollte man sie nicht gering achten, denn sie sind und bleiben die ethische Geschäftsgrundlage der seriösen Berater. Allerdings sagen sie noch nichts über die Effizienz und Qualität einer Beratungsleistung aus. Seriosität, Loyalität und ehrlicher Wille werden zukünftig alleine nicht mehr ausreichen, um die zunehmend schwieriger werdenden Beratungsaufträge in angemessener Zeit zu lösen. Im Wettbewerb der Beratungsgesellschaften untereinander werden daher die eingesetzten Verfahren und Systeme immer entscheidender. Punkt 2 der zitierten Berufsgrundsätze gibt darauf einen wichtigen Hinweis. Wie solche modernen Verfahren und Systeme die Effizienz und Qualität der Beratungsleistung wesentlich optimieren können, zeigen die folgenden Charts.

Abbildung 2 zeigt den Ablauf einer systematischen Direktsuche, angefangen vom Briefinggespräch mit dem Klienten bis zum Abschluß. Es vermittelt eindrucksvoll, welcher Aufwand in der Regel notwendig ist, um für eine bestimmte Position qualifizierte Kandidaten zu finden, vorauszuwählen und zu präsentieren. Dieser Aufwand hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen und wird - ohne Zweifel - weiter ansteigen. Deswegen werden Arbeitsteilungen und ein selektives, DV-gestütztes Vorgehen immer wichtiger, um die Effizienz der Beratungsleistung den veränderten Arbeitsmarktbedingungen permanent anzupassen.

Abbildung 3 zeigt, wie in kürzester Zeit durch DV-Einsatz die optimale Zielgruppe (Branchen, Firmen) bestimmt werden kann, damit die Mitarbeiter der Research-Abteilung überhaupt systematisch und in relativ kurzer Zeit die richtigen Personen identifizieren können. Das Informations-Management erfolgt durch zwei Systeme:

- Inhouse mit drei CD-ROMs, die einen Lesezugriff auf Hoppenstedt, ABC-Industriedatenbank sowie Liefern und Leisten geben. Die Datenmenge umfaßt: 500 Branchen, 400 000 Firmeninformationen, zwei Millionen Produktinformationen, 140 000 Managementdaten (öffentlich bekannt).

- Online auf das Fach-Informations-Zentrum in Karlsruhe (FIZ-Technik), das über 120 Datenbanken den Zugriff auf 10,5 Millionen Wirtschaftsinformationen ermöglicht.

Alle Informationen werden mehrfach im Jahr up-dated.

Bei den meisten Beratungsgesellschaften erfolgt die Selektion der optimalen Zielgruppe (sie entscheidet wesentlich über Effizienz und Zeitachse einer Projektabwicklung) durch manuelle Auswertung der Hoppenstedt-Handbücher. Das ist jedoch ein ungemein aufwendiger Suchprozeß. Außerdem sind in diesen Handbüchern nur zirka 23 000 Firmen verzeichnet.

Abbildung 4 zeigt die Organisation und Arbeitsteilung in einer großen Beratungsgesellschaft. Der Berater ist hier kein "Einzelkämpfer", was bei der Durchführung von Direktsucheprojekten, insbesondere im Mittelmanagement und bei Spezialistenfunktionen, in Zukunft ein hoffnungsloses Unterfangen sein dürfte, wenn hohe Maßstäbe hinsichtlich Qualität der Kandidaten und der Zeitachse angelegt werden.

Jeder Berater in dieser Gesellschaft kann sich auf einen tiefgestaffelten Support abstützen. Er verfügt über einen persönlichen Assistenten oder eine Assistentin, wobei es sich nicht etwa um Sekretärinnen mit entsprechender Tätigkeit handelt, sondern um hochqualifizierte Mitarbeiter mit akademischer Ausbildung und Berufserfahrung, die ausschließlich in der Projektabwicklung eingesetzt sind. Darüber hinaus kann er zusätzlich auf einen Assistentenpool zurückgreifen, und, was ganz entscheidend für die Abwicklung von Direktsucheaufträgen ist, als interne Dienstleistung steht eine mitarbeiterstarke Researchabteilung sowie eine IV-Abteilung zur Verfügung.

Damit ist auch in der Personalberatung die Arbeitsteilung noch nicht ausgereizt. Wie bei Gesellschaften der allgemeinen Unternehmensberatung sollte es möglich sein, Beraterteams zu bilden, wenn die Schwierigkeit der Projekte oder der Umfang der Zusammenarbeit dies erfordert.

What about Quality? Es ist bekannt, daß die mittleren und großen Beratungsgesellschaften in den letzten Jahren stark gewachsen sind und aufgrund der Marktbedürfnisse auch weiterhin überproportional expandieren werden. Die kleinen Gesellschaften und insbesondere die Einzelberater ohne Mitarbeiterstäbe geraten dagegen zusehends ins Hintertreffen.

Einzelberater geraten zunehmend ins Hintertreffen

Expansion heißt mehr Mitarbeiter und das bedeutet natürlich auch Qualitätsprobleme. Die kann man aber durchaus im Griff behalten. Wichtig ist, daß man sich - wie in der übrigen Wirtschaft - des Problems bewußt ist und handelt. Bei der hier beispielhaft aufgezeigten Arbeitsteilung ist es erforderlich, daß alle Abläufe streng standardisiert und formalisiert sind und kurzfristige Checks dem Berater die Übersicht über den Projektverlauf gewährleisten. Alle Abläufe müssen in ein QS-System eingebettet sein und ein QS-Verantwortlicher, der unabhängig von der Geschäftsführung agiert, muß die Einhaltung der Standards garantieren. Genauso wie in der übrigen Wirtschaft kann (und muß) es auch in der Personalberatung QS-Zirkel geben, deren Aufgabe es ist, die Verfahren und Systeme zu optimieren.

Jede langfristig angelegte Geschäftsverbindung basiert auf Vertrauen. In schelmischer Abwandlung von Goethes Spruch im Faust, erlaube ich mir daher zu sagen: "Am Anfang war das Vertrauen!" Es muß aber kein blindes Vertrauen sein, denn die Verfahren und Systeme der Personalberater sind nicht geheimnisvoll; man kann sie sogar anfassen.

Ich möchte daher mit einem Rat an alle jene Personalverantwortlichen in den Unternehmen schließen, die zukünftig verstärkt Personalberater im Rahmen ihres strategischen Marketing-Mix langfristig einsetzen wollen: Treffen Sie die endgültige Auswahl auf eine Gesellschaft erst dann, wenn Sie deren Geschäftsräume besichtigt, die wichtigsten Mitarbeiter kennengelernt und sich von der Leistungsfähigkeit der eingesetzten Verfahren und Systeme überzeugt haben!

_AU:Dieter Stein