Personalberater kämpfen ums Überleben

28.01.2003
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Personalberater durchleben harte Zeiten, weil die gewohnten Auftraggeber ihre Dienste kaum noch in Anspruch nehmen. Das rigorose Kosten-Management der Unternehmen bedeutete in den vergangenen Monaten für viele Berater das Aus. Die Zeit, in der Headhunter Kompromisskandidaten liefern konnten, ist vorbei.

„Wir haben den absoluten Tiefpunkt wahrscheinlich hinter uns“. Er sollte es wissen. Wolfgang Lichius ist Partner bei Deutschlands größter Personalberatung Kienbaum und gleichzeitig im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) zuständig für Personalberatung. Die schwierigste Zeit sei zwischen Mitte 2001 und 2002 gewesen. In dieser Phase seien die Umsätze im Durchschnitt um ein Drittel eingebrochen. Einige Berater sprechen gar von Umsatzrückgängen von 40 Prozent und mehr. Darüber hinaus sind eine Menge Headhunter von der Bildfläche verschwunden, haben Konkurs anmelden müssen oder wurden aufgekauft.

Prominentestes Opfer ist die Personalberatung Baumgartner, die mit Kienbaum Jahrzehnte um die Vorrangstellung im deutschen Markt wetteiferte. Nachdem die Stuttgarter vom weltweit agierenden Personaldienstleister TPM aufgekauft wurden, ist seit Anfang dieses Jahres auch der Name verschwunden. Immer wieder ist zu hören, dass es vor allem die Berater, die sich ausschließlich auf die Informationstechnik- und Telekommunikationsindustrie spezialisiert haben, arg erwischt hat. Hier sollen über 50 Prozent der Firmen vom Markt verschwunden sein, mutmaßen Insider.

Wolfgang Lichius, Kienbaum: Wir haben den absoluten Tiefpunkt hinter uns.

Entsprechend nüchtern beurteilen die „IT-Kopfjäger“ ihre Lage: „Es ist sehr ruhig geworden, die Suche nach Mitarbeitern hat sich drastisch verringert“, erzählt die Münchner Beraterin Nicoline Beyer. Die Anzahl der offenen Stellen ist gesunken und es gründen sich kaum neue Firmen. „Ganz schlimm hat es kleine bis mittlere spezialisierte Beratungen getroffen, die in der Boomphase aufgebaut haben und dabei zu großzügig in den Kostenstrukturen waren“, glaubt Jürgen Rohrmeier, der bei Kienbaum auf die IT-Szene spezialisiert ist. Am stärksten sei das „Massengeschäft“ zurückgegangen, bei dem man zum Beispiel New-Ecomomy-Firmen beim Aufbau einer kompletten Mannschaft unterstützte.

Eine Rolle spielt hier auch das Internet, glaubt Roland-Berger-Partner Volker Langlitz. Er beobachtet, dass vor allem IT-Unternehmen nach Technikern und Spezialisten zunehmend online suchen, vielleicht noch eine gedruckte Anzeige schalten, aber selten die Dienste eines Beraters dafür in Anspruch nehmen. Dieser solle sich nur noch um die schwer zu besetzenden Positionen kümmern. Die wirtschaftliche Situation der Personalberater hängt stark von der ihrer Kunden ab. Die Unternehmen sind wählerischer geworden.

„Der Kostendruck auf die Personalabteilungen ist enorm gestiegen, Entscheidungen für Stellenbesetzungen dauern länger“, beobachtet Walter Dürr von der Beratung HR-Unlimited. Die bisher üblichen Honorarregelungen seien kaum mehr haltbar. Immer mehr Berater ließen sich darauf ein, auf Erfolgsbasis zu arbeiten, was dazu führe, dass mehrere Headhunter denselben möglichen Interessenten für die gleiche Stelle kontaktierten. Die Unternehmen möchten jetzt pro Position mehr Kandidaten als früher sehen und das in möglichst kurzer Zeit, so Dürr. Lichius stimmt ihm zu: „Schnelligkeit und Qualität haben in den Unternehmen im Moment höchste Priorität.“ In Boomzeiten, erinnert sich der Kienbaum-Mann, sei es wichtig gewesen, überhaupt einen C++-Programmierer herbeizuschaffen, „auch wenn er ein Stinkstiefel“ war.

Geringe Wechselbereitschaft der Kandidaten

Susanne Liebscher, PSD Group: Die Kandidaten müssen 100 Prozent passen.

Lag in den letzten Jahren der Schwerpunkt auf der Identifikation und Suche von Kandidaten, spielten jetzt die Auswahl sowie die fachliche und persönliche Beurteilung des Bewerbers eine überdurchschnittliche Rolle“, schildert Stefan Fijacki von Schuler & Partner aus Frankurt. Und Susanne Liebscher von der PSD Group aus Frankfurt am Main ergänzt: „Der zu Vermittelnde muss 100 Prozent passen“, die Anforderungen seien enorm gestiegen und das macht die Situation für manchen arbeitslosen Hochqualifizierten besonders schwierig. Bewerber sollten idealerweise aus einer ungekündigten Stellung kommen.

Grundlegendes Problem sei allerdings, so die beiden Kienbaum-Consultants Rohrmeier und Lichius, die Wechselbereitschaft derer, die noch über einen festen Job verfügten, sei gesunken. Nach dem Motto „Ich weiß, was ich hier habe, und kann die Situation einschätzen“, ließen sich Fach- und Führungskräfte kaum zu einem anderen Arbeitgeber locken. Die Berater konnten in den letzten Monaten viele Bewerber nicht vermitteln. Deshalb probieren es einige Beratungshäuser wie Schuler & Partner mit einem „Executive Coaching“. „Dieser Ansatz hilft den Jobsuchenden bei einem beruflichen Wechsel“, ist Schuler-Berater Fijacki überzeugt.

 

Kundenorientierung lässt sich verbessern

Das ist indes nur eine kleine Geschäftsidee, um die schwierigen Zeiten zu überstehen. Ansonsten betonen alle befragten Berater, dass sie vor allem in puncto Kundenorientierung noch besser agieren wollen. Roland Berger plant eine weitere Internationalisierung sowie eine „konsequentere Ausrichtung auf Themenschwerpunkte“. Lichius weiß von einigen Beratungsunternehmen, die Outplacement und Interims-Management zusätzlich in ihr Angebot aufgenommen haben. Ansonsten empfiehlt er, nicht zu viel zu experimentieren. „Schuster, bleib bei deinem Leisten“ - wer nach diesem Motto handele, sei noch immer erfolgreicher als derjenige, der sich mit Personal-Management-Dienstleistungen andiene, von denen er nichts verstehe.

Beim Blick in die Zukunft scheiden sich die Geister: Während Liebscher von der PSD Group auch für dieses Jahr skeptisch ist, zeigt sich Langlitz optimistisch: „Allen Unkenrufen zum Trotz erlebt die E-Business-Branche eine Wiederbelebung, verbunden mit einer guten Nachfrage nach Spezialisten.“ Der Roland-Berger-Partner profitiert allerdings auch vom Netzwerk der Firmengruppe und ist daher nicht so abhängig von der IT-Branche: „Die Situation in den Bereichen Automotive, Maschinen- und Anlagenbau sieht deutlich besser aus.“