Personalarbeit im Mittelstand

13.01.2004
Die Personalarbeit in mittelständischen Unternehmen lässt oft zu wünschen übrig. Die größten Defizite existieren bei der Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit beziehungsweise Familie sowie dem Einsatz von modernen Methoden der Arbeitsorganisation, wie eine aktuelle Untersuchung der Universität Saarbrücken zeigt.

Die Personalarbeit genießt in mittelständischen Firmen noch nicht den Stellenwert, den sich Fachleute wünschen. So verweist Christian Scholz, Betriebswirtschaftsprofessor mit Schwerpunkt Personal-Management an der Universität Saarbrücken, darauf, dass eine unprofessionelle Personalarbeit zu Produktivitätsdefiziten von 30 bis 40 Prozent führen kann. Positiv formuliert ist innovatives Personal-Management "Triebfeder und Katalysator für eine dauerhafte Wettbewerbsfähigkeit", so Werner Fröhlich, Präsident der Donau-Universität in Krems.

Der Saarbrücker Wissenschaftler hat nun in einer umfangreichen Untersuchung die Stärken und Schwächen der kleinen Betriebe nach zehn Kriterien untersucht und positive Beispiele ausgezeichnet. 24 Mittelständler wurden "auf Herz und Nieren" geprüft, was sie in Sachen Personal-Management unternehmen. Nach folgenden Gesichtspunkten wurden die Betriebe beurteilt:

- Personalbeschaffung,

- Kommunikation,

- Vergütung,

- Vision und Strategie,

- Personalentwicklung,

- Computereinsatz,

- Personalführung,

- Personaleinsatz sowie

- Work-Life-Balance.

Bei der Personalbeschaffung fällt auf, dass die Mittelständler in erster Linie über ihre eigene Homepage rekrutieren und mit Mitarbeiterempfehlungen arbeiten. Immerhin 83 Prozent der Befragten gaben an, dass sie ihre Führungskräfte via Website suchen, und 75 Prozent nehmen die Hilfe ihrer Angestellten in Anspruch. Das obere Management dagegen wird in fast drei Viertel der Fälle via Headhunter angeworben. Ein Fünftel der Mittelständler schaltet Stellenanzeigen. Die "normalen" Mitarbeiter werden in erster Linie über Empfehlungen aus der Belegschaft und über externe Jobbörsen gesucht.

Mitarbeiterbefragungen sind oft veraltet

Scholz lobt die Kleinen dafür, dass sie mittlerweile so oft online ihr Personal suchen. Verbesserungsfähig sei aber der Auftritt im Netz. Der Professor hat die Seiten nach den Kriterien: Content, Usability, Branding und Emotion (Cube) bewertet. Am wenigsten zufrieden ist er mit der Benutzerfreundlichkeit (Usability). 60 Prozent der Firmen-Websites hat er dabei mit "schlecht" oder "sehr schlecht" taxiert. Fast genauso schlecht schneidet der emotionale Teil ab, also ob sich der Surfer von der Aufmachung des Online-Auftritts angesprochen fühlt. Am besten kommen die Mittelständler beim Branding weg: Immerhin 41 Prozent der Seiten bewertet der Professor mit "gut".

In puncto Kommunikation läuft in den mittelständischen Betrieben eine ganze Menge. Fast drei Viertel der Befragten gaben an, dass bei ihnen regelmäßige Besprechungen mit allen Mitarbeitern und persönliche Gespräche mit Führungskräften stattfinden und dass E-Mail zu den Selbstverständlichkeiten gehört. Über die Hälfte hat ein Intranet eingerichtet, 63 Prozent auch eine Mitarbeiterzeitung. Kritik übt der Professor an den veralteten Mitarbeiterbefragungen. Wenn diese einmal eingeführt sind, werden sie nicht weiterentwickelt und an veränderte wirtschaftliche Bedingungen angepasst. "Die Analysen zur Mitarbeiterzufriedenheit gehören zum Standardrepertoire zeitgemäßer Personalarbeit", so der Saarbrücker. Deshalb müssten sie professionell betrieben werden.

In der Vergütungspolitik agiert der Mittelstand konservativ. Immerhin die Hälfte der Befragten gewährt eine zusätzliche Altersvorsorge, und ebenso viele zahlen die geleisteten Überstunden; aber nur noch zwei Prozent haben Stock-Options-Programme. Vor drei Jahren hätte dieses Ergebnis sicher noch anders ausgesehen. "Ausbaufähig" sei nach Scholz Darstellung der variable Anteil der Vergütung. Weniger als ein Drittel der Studienteilnehmer zahlen dem Topmanagement einen nicht festen Anteil, und bei den Führungskräften sind es sogar nur 16 Prozent der Arbeitgeber. Wichtig sei aber in erster Linie "ein faires und transparentes System der Leistungserfassung und -bewertung", so der Wissenschaftler. Für jeden Beschäftigten müsse erkennbar sein, dass sich Leistung in seinem Unternehmen "wirklich" lohne.

Scholz erwartet von den Mittelständlern, dass sie eine Personalstrategie und -vision formulieren. Letztere sollte ein "klares Bild" von der anzustrebenden Zukunft vermitteln und Aussagen darüber machen, "welche Rolle dem Mitarbeiter in dieser Arbeitswelt zukommt". Immerhin 66 Prozent der Mittelständler haben eine Personalstrategie, bei 13 Prozent ist sie nur "ansatzweise" vorhanden.

Wissens-Management spielt noch keine Rolle

In der Personalentwicklung haben die Kleinen von den Konzernen gelernt und decken so ziemlich die ganze Palette der Methoden und Lerninhalte ab. Das heißt, dass 92 Prozent der Befragten für ihre Manager Kurse zu den Themen Kommunikation, Führungsverhalten und Leistungsbeurteilung anbieten. Fast so viele haben Konfliktlösungstechniken und Teambildungsseminare im Programm. Ebenfalls zu den Standards gehören Trainings zu Projekt- und Zeit-Management, zu Fremdsprachen und zu Qualitäts-Management. Am wenigsten bietet der Mittelstand Kurse zu visionärem Management, interkulturellem Training sowie Fitnessprogramme an. Was sich ändern wird, davon sind die Personaler überzeugt, ist, dass "die Arbeitnehmer bereit sein müssen, auch während ihrer Freizeit zu lernen", wie es der Manager eines Softwarehauses formulierte.

Was den Computereinsatz im Personalwesen angeht, haben die meisten Kleinen die wichtigsten Prozesse automatisiert. So geben 83 Prozent der Teilnehmer an, dass die Lohn- und Sozialverwaltung IT-gestützt läuft, bei fast drei Viertel auch die Arbeitszeit- und Bewerberverwaltung. Was noch verbesserungsfähig ist sind Funktionen wie elektronische Personalakte, Personaleinsatz und Leistungsbeurteilung. Auch die Einrichtung einer Skill-Datenbank und das Einführen von Wissens-Management sind noch die große Ausnahme.

Schlechte Noten für Führungskultur

Weniger gut schneiden die Mittelständler beim Thema Personalführung ab. "Eine Reflexion über die eigene Führungskultur findet so gut wie nicht statt", so der Professor. Die meisten Mittelständler seien Inhaber-geführt, und dort heiße es dann immer: "Bei uns geht es familiär zu." Im Grunde herrschten oft ziemlich autoritäre Strukturen, viele Eigentümer sagten sinngemäß: "Personalführung brauchen wir nicht, jeder kann zum Chef gehen, wenn ihn was bedrückt." Und sobald sich die wirtschaftliche Lage verschlechtere, werde der Mitarbeiter schnell "vom Mittelpunkt zum Kostenfaktor". Als Beleg nennt Scholz die Ergebnisse zu der Frage, wie die Management-Kultur im Unternehmen analysiert werde. Die eine Hälfte antwortete "überhaupt nicht", die andere "schlecht". Wichtig seien auf jeden Fall Zielvereinbarungen, deren Ergebnisse aber wiederum regelmäßig verbindlich zu überprüfen sind. "Führung ist nicht dazu

da, Mitarbeiter zu verwöhnen, sondern soll sie auch intellektuell herausfordern", so das strenge Urteil des Professors.

Uwe Kloos, Personalchef beim Münchner IT-Dienstleister Softlab, legt vor allem großen Wert auf Transparenz. "In einem Dienstleistungs- und Projekthaus sind die Mitarbeiter das wahre Kapital der Firma, und die Personalarbeit hat sich konsequent darauf auszurichten." Hier spielten nicht nur professionelle Personalinstrumente eine dominante Rolle, sondern diese "müssen auch durch Grundwerte untermauert werden." Dabei gehe es um Werte wie Effektivität, Solidität, Intelligenz und Menschlichkeit.

Softlab ist gerade dabei, ein neues integriertes Karriere- und Entwicklungssystem einzuführen, das dem Mitarbeiter eine "Landkarte" für eine eigenverantwortliche Weiterentwicklung aufzeigt und die Vergütungschancen transparent macht.

Teilzeitarbeit wird wenig angeboten

Auch mit den modernen Methoden der Organisation scheinen viele Mittelständler auf Kriegsfuß zu stehen. Immerhin gaben 61 Prozent der Studienteilnehmer an, dass sie flexible Arbeitszeiten eingeführt haben. Bei näherem Betrachten sieht das Ergebnis eher deprimierend aus, denn nur 17 Prozent bieten Teilzeitarbeit an, 15 Prozent setzen auf selbststeuernde Teams, fünf Prozent besitzen Qualitätszirkel, drei Prozent virtuelle Büros, und jeweils zwei Prozent haben es schon mal mit Jobsharing und Jobrotation probiert.

Am stärksten sind die Defizite bei der Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit beziehungsweise Familie. "Das bekommt keiner richtig hin", lautet der lapidare Kommentar des Professors. Bei der Frage nach der Familienfreundlichkeit werden 41 Prozent der Firmen als "sehr schlecht" und 45 Prozent als "schlecht" bewertet. Diese ungünstige Beurteilung kommt deshalb zustande, weil die Firmen nach bestimmten Kriterien befragt wurden, die ein familienfreundliches Unternehmen auszeichnen wie Betreuungsmöglichkeiten, Kindergarten etc. Bei der Selbsteinschätzung glauben allerdings 46 Prozent der Befragten, dass sie familienfreundlich sind.

Best Pers Award 2003

Christian Scholz, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Saarbrücken, will die Personalarbeit im Mittelstand verbessern, weil er hier ein "erhebliches" Verbesserungspotenzial ausgemacht hat. Deshalb hat er einen Preis ausgeschrieben, den Best Pers Award. In der Jury sitzen ausgewiesene Personalprofis wie VW-Personalvorstand Peter Hartz, Rolf Wunderer, Professor in St. Gallen, Werner Fröhlich, Professor und Präsident der Donau-Universität Krems, sowie Commerzbank-Vorstandsmitglied Andreas de Maiziere.

Sieger des ersten Wettbewerbs wurde das Münchner Softwarehaus Softlab vor den Unternehmen Teleatlas und Zollner Elektronik. Alle drei schnitten in sämtlichen Bewertungskategorien von der Personalbeschaffung bis hin zu Vision und Strategie gut ab.

In den einzelnen Kategorien wurden ebenfalls Preise verteilt. Aufgefallen ist, dass die Softwarebranche mit Abstand die meisten Preise einsammelte. In der Kategorie "Computerisierung" belegte Datev Platz zwei, in der Kategorie "Personalentwicklung" siegte das Münchner Softwarehaus Soft M, in der Sparte "Kommunikation" war Softlab ganz oben auf dem Treppchen, beim Personaleinsatz wurde der Oberhachinger Dienstleister Skytec als Erster ausgezeichnet, Zweiter wurde der IT-Dienstleister IMG, ein Spinoff der Uni St. Gallen. Die beste Personalbeschaffung leisten Datev und Softlab, und in puncto Strategie und Vision wurde Softlab zweiter.