Online-Recruitment/"Papierschnittstelle" ist noch das Maß aller Dinge

Personalabteilungen kämpfen um den Anschluss

01.02.2002
Die Fachöffentlichkeit misst E-Recruiting einen hohen Stellenwert bei. Doch die Praxis in den Unternehmen sieht anders aus: Ihnen fehlen die strukturellen Grundlagen, die nötig sind, um aus dem elektronischen Bewerber-Management Nutzen zu ziehen. Von Wolfgang Witte*

Das Internet ist heute ein wichtiges Medium für die Personalbeschaffung, und seine Bedeutung wird in Zukunft weiter zunehmen. Vor allem Hochschulabsolventen, Führungskräfte und natürlich IT-Fachleute, aber mittlerwerweile auch Sekretärinnen oder Kaufleute orientieren sich bei der Stellensuche in erster Linie im Web. Viele Unternehmen nutzen seit Jahren ihre eigenen Websites für den Bewerberkontakt, aber auch zahlreiche externe Jobbörsen.

Umso mehr verwundert es, wenn sich Personalchefs Software-Tools für das effiziente Bewerbungs-Management vorführen lassen und dann sagen: "In ein paar Jahren sicher, aber heute ist das noch nichts für uns", lautet die Standardantwort. In den Unternehmen gibt es kaum durchgängig integrierte E-Recruiting-Prozesse, die ihren Namen wert sind. Es fehlen definierte Prozesse und integrierte Bewerberdatenbanken, vorhandene Einzelkomponenten können oft nur mit viel Aufwand verkettet werden, die "Papierschnittstelle" ist das Maß aller Dinge. Nicht zuletzt liegt die Entscheidung über Investitionen in IT-Personal nach wie vor selten allein bei der Fachabteilung, und in der IT-Abteilung oder beim Vorstand gibt es immer glamourösere Projekte.

Bewerbungen durchlaufen im Unternehmen oft viele Stellen. Die Qualität der Daten lässt zu wünschen übrig, die Beurteilungskriterien der beteiligten Stellen sind nicht einheitlich. Ein schlechtes Fundament für das Vorhaben, die besten Leute so schnell wie möglich ausfindig zu machen und für das eigene Unternehmen zu sichern.

In der Praxis erhalten die Unternehmen Bewerbungen über ihre eigene Website von durchschnittlich sechs Jobbörsen und natürlich nach wie vor in schriftlicher Form. Die Bewerbungsunterlagen liegen auf Papier, per E-Mail und in diversen Dateiformaten vor. Nur wenige Firmen bieten auf ihrer Website einen strukturierten Bewerberbogen an. Selbst wenn das der Fall ist, dient die Papierform als größter gemeinsamer Nenner. Manche Formulardaten werden ausgedruckt und anschließend manuell weiter bearbeitet.

Betrachtet man den Markt, so ergibt sich ein düsteres Bild: Stückwerk und Einzellösungen sind die Regel. Selbst bei führenden Automobilkonzernen und renommierten Unternehmensberatern muss man erschreckt feststellen, dass ein Bewerber seine Daten nicht online eingeben kann, sondern eine E-Mail schicken muss, die er bereits mit entsprechenden Attachments ergänzt hat. Diese werden dann brav von den Personalbeschaffern ausgedruckt und in Papierform weiterverarbeitet. Teilweise erhält der Bewerber auch nur den Hinweis, an welche Adresse er seine kompletten Bewerbungsunterlagen in Papierform schicken soll. Sehr beliebt ist es, die Bewerberdaten anschließend in Excel-Listen zu erfassen, damit man den Überblick einigermaßen behält, und eventuell sogar mit Hilfe dieser Daten einen Serienbrief zu erstellen. Nicht selten stößt man noch auf Betriebe, deren Personalabteilung keinen Internet-Zugang hat. In dieser Kategorie finden sich durchaus High-tech-gewohnte Krankenhäuser mit 2500 Mitarbeitern.

Die Mängel sind tiefgreifend und langlebig. Die Personalabteilung hinkt technologisch hinter anderen Fachabteilungen her. Keine Budgets, fehlende IT-Infrastruktur, minimale Personalressourcen für die eigene DV, Unkenntnis oder Fehleinschätzung des Stellenwertes von IT-Komponenten oder auch scheinbare Kleinigkeiten wie total veraltete Browser-Generationen machen E-Recruiting zu einem schönen Trugbild. Statt sich auf die grundlegend veränderte Situation auch neu einzustellen, werden für einzelne Aufgaben jeweils eigene Werkzeuge beschafft. Für den effizienten Einsatz müssten sie jedoch untereinander verbunden und auf einer gemeinsamen personalwirtschaftlichen Datenbasis arbeiten.

Bewerber-Management-Programme bilden die Grundlage für die effiziente Gestaltung des gesamten Recruiting-Prozesses. Sie verwalten und steuern alle Bewerbungen aus den unterschiedlichen Medien. Durch die intelligente Integration von Online- und Papierbewerbungen sind alle Bewerbungsdaten in einem System zu finden. Diese Software steuert den gesamten Prozess, etwa Anzeigenschaltung, manuelle Bewerberdatenerfassung, Serienbriefschreibung, interne Durchlaufkontrolle und Erfolgskontrolle. Sie sollte in der Lage sein, eine erste Vorauswahl geeigneter Kandidaten über einen Profilabgleich zu ermöglichen. Mit integrierten, Web-basierenden Systemmodulen werden die Fachabteilungen, externe Personalberatungen und nicht zuletzt der Bewerber selber mit an das System angeschlossen.

Viele Investitionsvorhaben in IT-Personal leiden darunter, dass ohne HR-Konzept gearbeitet wird. Dabei müsste heute die Integrationsfähigkeit in E-HR-Konzepte entscheidendes Auswahlkriterium sein. Beratungsunternehmen vernachlässigen andererseits gern die praktische Seite: Dann werden Anforderungen definiert, die aufgrund der heute vorhandenen Lösungen nicht umsetzbar sind.

Richtig und schnell anfangen heißt die Devise im Internet-Zeitalter. Dafür geeignete Systeme können sowohl modular beschafft als auch später mit weiteren integrationsfähigen Lösungen ergänzt werden. Angesichts der oft desolaten technischen Ausgangslage in den Unternehmen müssen sie außerdem sowohl in den PC- als auch den Internet-Welten zu Hause sein.

Der Einstieg in das E-HR gelingt nur Schritt für Schritt. Damit die Unternehmen dabei nicht ins Stolpern geraten, sollte eine Arbeitsgruppe - oder bei kleineren Unternehmen eventuell auch nur ein Mitarbeiter - diesem Thema ausreichend Zeit widmen. Mal so gerade neben dem allgemeinen Tagesgeschäft läuft nichts Vernünftiges. Dabei sollte man einerseits nicht dem typisch deutschen Wahn der Perfektion verfallen und die Ziele auf 120 Prozent legen, andererseits aber Projekte wegen "vermeintlicher" Hemmnisse nicht auf die lange Bank schieben. Es gibt in der Regel nur ein Hemmnis, dass nicht zu überwinden wäre, nämlich die verengte Perspektive der Geschäftsleitung und der Personalabteilung selbst. Denn ohne Budgets und den Willen zur Umsetzung geht natürlich nichts.

Ein ergebnisorientierter Einstieg ließe sich zum Beispiel mit einer offenen, integrationsfähigen Spezialsoftware wie dem E-Cruiter von HR4You erreichen. Da es sich um eine ASP-Lösung handelt, bringt sie rasch vorzeigbare Ergebnisse bei geringem Risiko. Sie ist gut integrierbar und wird daher auch von anderen Anbietern wie Perbit als Teil einer umfassenden HR-Suite angeboten. Denn auch der E-Cruiter wäre für sich allein und ohne Bewerberverwaltung installiert nur eine Teillösung des Rekrutierungsprozesses.

Die Realisierung eines integrierten Konzeptes erfordert nicht allzu hohe Budgets. Effizienzsteigerungen ergeben sich, wenn Fachabteilungen, Führungskräfte sowie Mitarbeiter in Form von Self-Service-Funktionen flexibel angebunden werden. Dafür muss es möglich sein, die Informationen auf nutzergerechten, frei definierbaren Bildschirmformularen zusammenzustellen. Die Bedienungsoberfläche der Systeme hat entsprechend einfach und die Modularität der Funktionalitäten auf kleinste Einheiten skalierbar zu sein. Reine Standardsysteme mit festen Datenstrukturen wären daher eine Investition in die Vergangenheit. Da die Unternehmen häufig noch nicht alle Voraussetzungen für rein Internet-gestützte Lösungen haben, ist es erforderlich, dass die Systeme sowohl mit "normalen Windows-Clients" als auch mit Internet-Clients ausgerüstet sind.

Ein Blick in die USA zeigt, dass Online-Testverfahren zur Vorauswahl von Bewerbern oder Kontaktgespräche per Webcam schon in wenigen Jahren eher die Regel als die Ausnahme sein werden. Davon ausgehend werden sich die gesamten Prozesse des Personal-Managements Web-basierend verändern. Ohne integrierte Datenhaltung, definierte Prozesse und umfassende IT-Unterstützung geht dann im Personalbereich gar nichts mehr. Ein Blick auf die Aktenstöße, die heute noch den Schreibtisch eines Personalsachbearbeiters bedecken, zeigt, wie weit der Weg noch ist. (hk)

*Wolfgang Witte ist Geschäftsführer der Perbit Software GmbH.