Personal-lnformationssysteme:Stillhalten, weil es der Karriere dient

21.04.1978

NEW YORK/PARIS - Brisantes Thema - über den Datenschutz hinaus - sind die in fast allen Unternehmen aufgebauten "Personal-Informationssysteme", die ganz gegen ihren Namen nicht dazu dienen, das Personal zu informieren, sondern lediglich Daten über den einzelnen Mitarbeiter sammeln. In manchen Unternehmen werden pro Mitarbeiter bis zu 400 Merkmale abgezeichnet, mit denen sich ein lebensgetreues Spiegelbild des erfaßten Unternehmensmitglieds zeichnen läßt. Auch die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Paris) befaßt sich mit dem Thema Personal-Informationssysteme.

Grundlage bildeten 2000 Stichproben-Interviews, die die I.P. R.-Zentrale (Information Privacy Research Center) bei Angestellten (sämtliche in den USA ansässig) von fünf multinational tätigen US-Großunternehmen führte. Diese fünf Konzerne beschäftigen zusammen mehr als 750 000 Mitarbeiter, davon 180 000 im Ausland, von den im Ausland tätigen Mitarbeitern sind weit über 50 Prozent in Westeuropa beschäftigt.

Zwei Fragebogen wurden den Interviewten vorgelegt: Im ersten sollte erhoben werden, ob sich der einzelne Angestellte ein Bild machen kann, über die individuell identifizierbare Information, über die jeder einzelne der fünf Konzerne verfügt. Dann, sollte erfragt werden, welche Vorstellungen sich ein Angestellter über die Verwertungsmöglichkeiten solcher Informationen (nicht nur im Unternehmen selbst) macht. Klargestellt war, daß die Informationsbank nicht nur die unmittelbare betriebliche Person des Interviewten, sondern auch sein Privatleben einkreisen sollte. Und überdies war die Fragebogen-Aktion so abgestimmt, daß sich aus den Antworten auch ablesen ließ, ob der Befragte die jeweiligen Maßnahmen, die ein Betrieb zur Informationsbeschaffung über seine Mitarbeiter ergreift beanstandet oder hinnimmt.

In dem vom ersten unabhängigen zweiten Fragebogen, zusammengestellt von höheren Beamten der Registraturverwaltung sowie von Beamten des Personalbüros, ging es einerseits um Vergleiche zwischen Betriebstaktik und -praktiken und welchen Einblick und welche Einstellung das Personal zu Taktik und Praktiken hat.

Das Resümme:

þDie an dieser Umfrage beteiligten Großgesellschaften verfügten über keinerlei detaillierte, schriftlich festgelegte Richtlinien über die interne Verwertung und die externe Freigabe von Information über das Personal.

þSämtliche Betriebe verfügen über einen Vertrauensbeamten, der für Diskretion in Sachen Personalurkunden Gewähr leistet.

þIn allen Betrieben wurden inoffizielle Regulierungen und Richtlinien zwecks Handhabung von Personalinformation befolgt.

þDie Verständigung des Personals von seiten der Firma hinsichtlich der Freigabe bestimmter Information an Dritte ließ zu wünschen übrig.

þVon den fünf Konzernen gestatteten drei ihren Angestellten Zugang zu deren Personalakten.

þEine beträchtliche Zahl Angestellter, sowohl aus dem Verwaltungs- als auch dem einfachen Bürobereich (in leitender wie untergeordneter Position), war sich über bestimmte im Besitz ihrer Firma befindliche Informationskategorien nicht im klaren. Desgleichen herrschte bei derselben Gruppe Ungewißheit über drei Punkte:

- korporative Richtlinien zur Informationsverwertung,

-Freigabe von Personalakten

- dem Personal eingeräumte Privilegien im Hinblick auf freien Zugang zu den Personalakten.

Diejenigen Angestellten, deren Aussagen größere Vertrautheit mit den Informationspraktiken ihrer Firma andeuteten - vor allem, was die im Firmenbesitz befindlichen Informationskategorien anlangt -, vermittelten den Eindruck, die Diskretion, mit der Privatangelegenheiten von ihrer Firma gehandhabt werden, mehr zu respektieren.

Was die Gesamtverwertung privater Auskünfte betrifft, so ergab sich ein eindeutiger Unterschied zwischen den Mutmaßungen seitens des Personals hinsichtlich der eigentlichen Informationspraktiken und dem größeren bzw. geringeren Grad der Beanstandung solcher Praktiken, was das Personal angeht. In sämtlichen Fällen übertraf die Zahl derer, die einer gegebenen Praktik als korrekt zustimmten, die Zahl derjeniger Angestellter, die angaben, sich durch solche Praktiken nicht gestört zu fühlen.

Übereinstimmend wurde vom Personal empfunden, daß weniger Grund zur Beanstandung der meisten internen Verwertungsarten privater Information vorliege, gegenüber der Freigabe solcher Information über den Firmenrahmen hinaus jedoch größere Skepsis am Platze sei.

Im allgemeinen stimmte das Personal für die korporative Verwertung aller möglicher spezifischer Information, solange dies im Interesse des individuellen Verantwortungsbereichs des jeweiligen Angestellten geschah. So stimmten zum Beispiel über 70 Prozent der befragten Angestellten für die Freigabe von Information, die sich auf frühere Anstellungen bezog, sowie für die Freigabe krankengeschichtlicher Details - soweit dies anläßlich der Anstellung und der Bestimmung des jeweiligen Aufgabenbereiches ins Gewicht fiel.

Jedoch geht aus den eingegangenen Daten hervor, daß das Personal höchst empfindlich auf die Verwertung privater Einkommensinformation reagierte, die von der Firma zwecks Verwendbarkeit des Betreffenden für interne Betriebstätigkeit eingezogen wurde.

Die bisherige Annahme, daß bestimmte Informationsdetails heikel und darum nur mit größtem Feingefühl zu handhaben seien, hat sich nicht bestätigt - zumindest nicht dann, wenn ihre Verwertung in den Augen des Personals eine berufliche Relevanz aufweist. So stieß zum Beispiel die Freigabe krankengeschichtlicher Details zwecks Anstellung oder Beförderung bei einem hohen Prozentsatz an Personal auf keinerlei Beanstandung; im Gegenteil: man fand diese Maßnahmen - der Situation entsprechend - angemessen.

þDem Personal liegt sehr daran, Zugang zu den (eigenen) Akten zu haben: Ebenso legt das Personal großes Gewicht darauf, über die Freigabe von Personalakten außerhalb des Betriebs unterrichtet zu sein.

Schlußfolgerungen:

Falls die von einer Firma eingezogenen Erkundigungen ausschließlich von dieser Firma gehandhabt werden, dürfte es im sozialpsychologischen Sinne der vertraulichen Behandlung persönlicher Information weniger darauf ankommen, wo diese Information aufbewahrt wird.

Die Vorbehalte des Personals gegenüber der Verwendung persönlicher Information im Internbereich dieser Großfirmen sind weniger kritisch im Vergleich zu den Bedenken, die sich hinsichtlich der Freigabe solcher Information an Dritte sowie an andere Firmen einstellen.