Der Unterschied liegt in der Software:

Personal Computer contra Bürocomputer

29.07.1983

Die Übergänge zwischen großen und kleinen Personal Computern verschwimmen immer mehr. Früher sinnvolle Abgrenzungen lassen sich angesichts der Verwendung gleicher Technologien nicht mehr aufrechterhalten. Hat der klassische Bürocomputer überhaupt noch eine Lebenschance? Oder gibt es noch Kriterien, die die zum Teil erheblichen Preisunterschiede, zwischen beiden Computergattungen rechtfertige? Der nachstehende, auszugsweise wiedergegebene Beitrag stammt als Vorabdruck aus dem voraussichtlich Anfang 1984 erscheinenden Buch "Personal- und Bürocomputer in der Praxis" von Gerhard J. Pleiel, Dipl.-Betriebswirt und Marketingleiter der Apple Computer GmbH, München.

Zunächst muß versucht werden, den Standort beider Computergattungen anhand zusätzlicher Hilfsgrößen wie Leistungsklassen, Zielgruppen etc. zu definieren. Nur so werden die gegenseitigen Einflüsse und Wirkungen deutlich.

Was den kommerziellen Markt betrifft, so wird sich die Hauptauseinandersetzung zwischen Büro- und Personal Computern bis 1984 primär in den Leistungsklassen III und IV also dem klassischen Bereich der bildschirmorientierten Organisations-und Abrechnungscomputer zwischen 10 000 und 30 000 Mark abspielen, die bisher in erster Linie für Aufgaben der Buchhaltung Lohnabrechnung, Fakturierung und Auftragsbearbeitung eingesetzt wurden. Das ist der Markt der Klein- und Kleinstbetriebe. Im Mittelpunkt stehen dabei Kleinstbetriebe und Freiberufler mit bis zu 20 Beschäftigten. Gleichzeitig sind davon aber auch die Datenerfassungsanlagen und Terminals zwischen 5000 bis 20 000 Mark betroffen, zumal Personal Computer-Hersteller bewußt auch Rechenzentrumsanwender als zahlenmäßig interessanteste Zielgruppe betrachten (zur Zeit rund 800 000 Anwender in der Bundesrepublik Deutschland).

Eindeutige Domäne der Personal Computer wird der bislang nur minimal ausgeschöpfte Markt der Manager und Sachbearbeiter sein, in dessen Mittelpunkt die "persönliche Anwendung" anstelle von Horizontal- und Branchensoftware steht.

Etwas problematischer dürfte sich der Markt der Kleinbetriebe mit 20 - 50 Beschäftigten gestalten, da hier speziell softwareseitig schon hohe Ansprüche gestellt werden, die von den Personal-Computer-Anbietern (noch) nicht befriedigend abgedeckt werden können. Darin liegt auch der Hauptvorteil der traditionellen Bürocomputerfirmen, die auf ein großes Softwarepotential und - Know-how zurückgreifen können.

Die Annäherung zwischen Personal Computern und Bürocomputern wird noch klarer, wenn man die Preisentwicklung genauer betrachtet. Während sich professionelle Personal Computer in den beiden letzten Jahren hinsichtlich Preis und Leistung auf Grund höherer Qualitätsforderungen nach oben entwikkelt haben, ist bei den klassischen Bürocomputern (auf Floppy-Disk-Basis) fast parallel ein Preisrutsch nach unten eingetreten (siehe Abb. 1).

Damit dürften sich dann weitere Abgrenzungsversuche erübrigen. Das bedeutet für den potentiellen Kleincomputerkäufer nichts anderes, als daß sich professionellle Personal Computer und kleine Bürocomputer der Very-Small-Business-Kategorie bis etwa 25 000 Mark (Diebold-Klasse I) längst als direkte Konkurrenten gegenüberstehen, was auf der Hannover-Messe 1983 sehr deutlich wurde.

Die Grenzen der gegenseitigen Leistungsfähigkeit überlappen sich zusehends. Personal Computer versuchen, die noch immer höher einzuschätzende Qualität und Zuverlässigkeit der klassischen Bürocomputer durch ein Mehr an Leistung, Ausstattung und Speichern bei geringerem Preis auszugleichen, während die Bürocomputerhersteller ihre Anlagen ebenfalls technisch und preislich zum Nutzen des Anwenders verbessern.

Denkt man diese Entwicklung konsequent zu Ende, so ist die Prognose erlaubt, daß hochwertige Personal Computer-Systeme und Bürocomputer in ein bis zwei Jahren im kommerziellen Einsatzbereich eine Symbiose eingehen und in einem Sammelbegriff "Very-Small-Business-Systeme" (kleine Bürocomputersysteme) aufgehen werden. Dies bezieht sich jedoch nicht auf den unter 10 000 Mark liegenden Preisbereich, der eine klare Angelegenheit der Personal Computer bleiben wird.

Der praktische Nutzeffekt dieser Aussage für den Anwender liegt darin, daß es ihm angesichts der zunehmenden Nivellierung der Hardware gleichgültig sein kann ob sich der für seine Belange richtige Kleincomputer nun "Bürocomputer" oder "Personal Computer" nennt. Er kann sich so viel konzentrierter den entscheidenden Leistungskriterien Software und Service widmen, was ja längst dem generellen Trend des Computermarktes entspricht.

In der Praxis wird oft nach einem direkten Leistungsvergleich zwischen Personal Computer und Bürocomputer gefragt. Dieser Vergleich war bis 1982 auch noch ohne weiteres möglich.

Inzwischen haben sich die Differenzierungsmöglichkeiten jedoch weitgehend reduziert, was die ungemein dynamische Entwicklung der Mikrocomputer nur unterstreicht. Vereinfacht dargestellt ergeben sich heute zwischen höherwertigen Bürocomputern und professionellen Personal Computern noch Unterschiede (siehe Tabelle).

Schlußfolgerungen:

Die Gegenüberstellung verdeutlicht ganz klar, daß die Unterschiede heute weniger in der Hardware, sondern primär bei den Leistungen Software und Service und natürlich auch im Preis zu suchen sind. Personal Computer mit 16- oder 32-Bit-Prozessoren halten hardwareseitig jedem Bürocomputer stand. Wo es zur Zeit noch hapert, ist das Gebiet der Branchenapplikationen und das damit verbundene Branchen-Know-how. Hier verfügen die klassischen Bürocomputer über zahlreiche ausgereifte und integrierte Branchenpakete, die mit speziell geschulten Branchenverkäufern gezielt im Direktvertrieb vermarktet werden. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, daß dieser von Bürocomputerherstellern erbrachte Leistungsvorsprung mit erheblichen Mehrkosten verbunden ist, die nur noch bei Verkäufen von etwa 40 000 Mark aufwärts vertretbar sind.

Deshalb wird von Personal Computer-Herstellern meist auch eine andere Strategie vertreten, die weniger auf, vertikale Branchenlösungen, sondern auf die stückzahlmäßig interessanteren "persönlichen Anwendungen" für Manager und Sachbearbeiter zielt. Die Erstellung und Vermarktung spezieller Branchenlösungen überläßt man eher OEMs und Softwarehäusern mit Branchen-Know-how.

Tatsache ist, daß die von Personal-Computer-Herstellern ausgelösten "Mikrolawine" nicht mehr aufzuhalten ist. Bürocomputerhersteller, die diesem Trend nicht folgen, laufen Gefahr ihre angestammten Märkte zu verlieren. Dies gilt speziell für die vielzitierte "mittelständische Wirtschaft" - und hier wiederum für die große Zahl der "EDV-Einsteiger" und Rechenzentrumskunden.

Es ist deshalb zu erwarten, daß auch die wenigen bisher im Mikromarkt nicht vertretenen Bürocomputerhersteller dies bis spätestens 1984 nachholen werden.