Einschätzungen zur geplanten Übernahme durch Oracle

"Peoplesoft wird seinen Widerstand aufgeben müssen"

24.09.2004
MÜNCHEN (pg/ba) - Nachdem die US-amerikanischen Justizbehörden Oracles Übernahmeplänen Rückendeckung gegeben haben, rechnen die meisten Analysten damit, dass der Widerstand Peoplesofts bröckelt. Unklar ist, welche Konsequenzen für die Anwender entstehen würden.

Christian Glas, Berater Anwendungssoftware, Pierre Audoin Consultants (PAC)

Durch das Gerichtsurteil in den USA sind die meisten rechtlichen Probleme aus dem Weg geräumt. Peoplesoft ist im letzten Halbjahr extrem unter Druck geraten, weil sich das Lizenzgeschäft, aber auch der Aktienkurs katastrophal entwickelt haben. Der Grund ist, dass Kunden, die eine Neuanschaffung planen und zu Peoplesoft tendieren, Angst haben, eine Fehlentscheidung zu treffen.

Oracle scheint an einer Produktintegration nicht interessiert zu sein. Das tatsächliche Übernahmeziel ist mehr Marktanteil. Für Oracle wäre die Fusion aber riskant, weil sie gegen den Widerstand von Peoplesoft durchgesetzt werden soll.

Der wirkliche Gewinner heißt bisher SAP, da der verlorene Marktanteil von Peoplesoft nahezu komplett an das deutsche Unternehmen ging und nicht an Oracle. Das wird zunächst so bleiben, weil Oracle und Peoplesoft zu sehr mit sich beschäftigt sind. Deshalb ist die SAP ja auch ein starker Befürworter der Fusion.

Markus Wild, Geschäftsführer der Bäurer GmbH:

Oracle und Peoplesoft sind nicht unsere direkten Konkurrenten. Trotzdem ist die Verunsicherung im Markt spürbar. Das Thema Konsolidierung wird von den Großen gerne als Verkaufsargument genutzt. Sie argumentieren damit, dass die kleinen und mittelgroßen Softwarehäuser nicht überleben werden. Dieser Logik zufolge sollen die Kunden nur bei den Marktführern kaufen.

Oracle wird die Übernahme gelingen. Es wird jedoch keine marktbeherrschende Stellung von Oracle-Peoplesoft geben. Mit SAP und Microsoft, das sich in diesem Bereich breit machen möchte, ist die Konkurrenz in ausreichendem Maß gewährleistet.

André Birrenbach, IT-Leiter der Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien GmbH:

Wir würden die Situation sicher kritisch analysieren, falls eine größere Investition anstände. Ich glaube derzeit allerdings nicht, dass Peoplesofts Produkte schnell vom Markt verschwinden. Dazu ist deren Verbreitung zu groß. Sollten Support und Entwicklung eingestellt werden, würde Oracle die Kunden massiv verprellen. Die Drohungen sind daher wohl mehr Kriegsgerassel als strategische Überzeugung.

Bei den Kartellbehörden könnte die Übernahme eventuell durchgehen. Man muss jedoch abwarten, wie sich die europäischen Stellen äußern, die meist etwas kritischer sind als die Amerikaner. Trotzdem zweifle ich daran, dass Oracle die Übernahme gelingt. So ist es bislang nicht geglückt, die Peoplesoft-Aktionäre dazu zu bewegen, ihre Anteile in großem Stil zu verkaufen.

Marc Tenbieg, Analyst und Management Berater, Braiconn Deutschland:

Nach der Entscheidung des kalifornischen Bundesgerichts deutet alles auf die Übernahme von Peoplesoft durch Oracle hin. Peoplesoft wird seinen erbittert geführten Widerstand mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nach nunmehr über 15 Monaten aufgeben müssen, weil das Neukundengeschäft stark eingebrochen ist und die Unsicherheit das eigene operative Geschäft lähmt.

Bei einer Fusion werden jedoch zwei vollkommen unterschiedliche Unternehmenskulturen aufeinander prallen, intern sowie auch im Umgang mit den Kunden. Während Oracle schon immer sehr aggressiv auftrat, verfolgt Peoplesoft mehr das Prinzip der individuellen Betreuung und Problemlösung. Trotzdem macht die Fusion für Oracle Sinn, weil Neukunden zukünftig immer stärker zu Anbietern tendieren, die sich mit einem breiten Portfolio am Markt positionieren.

Ob es Larry Ellison allerdings gelingen wird, die Peoplesoft-Kunden an sein Unternehmen zu binden, ist fraglich, auch wenn er einen Teufel tun wird, das lukrative Wartungsgeschäft mit Peoplesoft-Produkten aufzugeben.

Peter Mischok, Managing Director der Igepa IT Service GmbH und Peoplesoft-Kunde

Der Übernahmekampf hat keine Auswirkungen auf unsere Softwarestrategie. Da die Softwareprodukte Peoplesofts technologisch State of the Art sind, müssen die Anwender in den nächsten Jahren auf keine Technologiewechsel gefasst sein.

Man muss auch strategisch überlegen, welches Interesse Oracle mit dem Peoplesoft-Kauf verfolgt: Nur um die Kundenbasis zu kaufen - wohl kaum? Glauben Sie wirklich, dass ein Oracle-Produkt in der Lage ist, heute eine Enterprise-One-Software abzulösen? Ehrlich gesagt weniger. Letztendlich hieße die Alternative SAP, und es kann doch nicht das Ziel einer Fusion sein, die Kunden der Konkurrenz zuzutreiben.

Ich persönlich glaube nicht daran, dass die Übernahme gelingen wird. Es wird weiter zu juristischen Konflikten kommen. Diese Schlacht würde für beide Unternehmen eher nachteilig sein.

Andreas Bitterer, Vice President und Analyst Technology Research Services, Meta Group Deutschland

Eine Fusion zwischen Oracle und Peoplesoft ist sicher machbar, ihr Erfolg aber nur schwer vorauszusehen. Wie kompliziert solche Merger sind, zeigt das Bespiel HP und Compaq.

Glaubt man den Aussagen, dann geht es Oracle mit dem Kauf von Peoplesoft nicht ums Portfolio, sondern nur um Marktanteile. Damit ist klar, dass die Peoplesoft-Produkte nicht weiterentwickelt werden. Man wird den Kunden irgendwann eröffnen, dass sie keinen Support mehr erhalten und auf Oracle umschwenken sollen. Die großen Verlierer dieser Übernahme wären die Anwender, weil es nur um Geld, Wall Street und Shareholder Value geht. Als Neukunde sollte man sich deshalb zunächst mit SAP befassen. Das ist auch die Entwicklung, die derzeit zu beobachten ist. SAP ist momentan der große Gewinner.