Quartalseinbruch kostet SAP Image des Börsenlieblings

Peoplesoft und Baan wachsen schneller als die SAP

01.11.1996

In Zeiten, in denen die Deutsche Telekom mit immensem Marketing-Aufwand versucht, aus den Deutschen doch noch ein Volk von Aktionären zu machen, schlug die Meldung vom Kurseinbruch des bisherigen Börsenlieblings SAP hohe Wellen. Dabei sind die Fakten weniger besorgniserregend, als es der Kursrutsch vermuten lassen würde: Die SAP AG hat ein für ihre Verhältnisse schwaches Sommerquartal hinter sich und korrigierte daraufhin ihre Umsatzerwartung für 1996 von 3,8 auf 3,5 Milliarden Mark herunter.

Im dritten Jahresviertel stiegen die Einnahmen lediglich um 22,3 Prozent auf 778 Millionen Mark - das ist wenig im Vergleich zu den beiden vorausgehenden Quartalen, als man um durchschnittlich 38 Prozent wuchs. Der Gewinn ging im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um elf Prozent zurück, betrug im dritten Quartal aber immer noch 135 Millionen Mark. Im ersten Halbjahr 1996 waren noch insgesamt 509 Millionen Mark Profit erwirtschaftet worden.

Auf diese Neuigkeiten reagierten vor allem US-Anleger mit panischen Verkäufen. Stamm- und Vorzugsaktien fielen um rund 24 Prozent auf Werte um die 210 Mark und rissen den Dax unter die magische 2700-Punkt-Grenze. Der Börsenwert der deutschen Renommier-Softwerker fiel über Nacht um knapp sieben Milliarden Mark und betrug plötzlich "nur noch" zirka 21 Milliarden Mark.

Besser erging es den Herausforderern Peoplesoft und Baan in den ersten neun Monaten dieses Jahres. Peoplesofts Umsatz stieg um stolze 96 Prozent auf rund 450 Millionen Mark. Der niederländische Wettbewerber Baan Company N.V. legte ein Wachstum von 88 Prozent hin und setzte rund 400 Millionen Mark um.

Beide SAP-Widersacher glänzen auch mit ihren Ergebnissen im abgelaufenen dritten Quartal, die sich bei Peoplesoft um 92 Prozent und bei Baan um 80 Prozent über dem Vorjahresniveau bewegen. SAP mag sich damit trösten, in einer anderen Liga zu spielen: Keiner der beiden Konkurrenten konnte in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres mit seinen Umsätzen auch nur annähernd die Summe erreichen, die die Walldorfer in diesem Zeitraum als Reingewinn verbuchten.

Unabhängige Beobachter sind sich einig in der Einschätzung, daß die SAP inzwischen eine Größenordnung erreicht hat, in der das halsbrecherische Wachstumstempo der letzten Jahre nicht aufrechtzuerhalten ist. "SAPs Geschäft ist nach wie vor gesund", urteilt etwa Gartner-Analyst Andrew Dailey im Gespräch mit dem "Wall Street Journal". Allerdings habe das milliardenschwere Softwarehaus mit Problemen zu kämpfen, die der Größe geschuldet seien - etwa mit überproportional steigenden Fixkosten.

Vorstandssprecher Dietmar Hopp nannte eine zu einseitige Konzentration auf den Entwicklungssektor als Ursache für die gegenwärtigen Probleme. Darüber habe man den Vertrieb schlicht vernachlässigt. Fakt ist jedoch, daß die SAP AG zur Zeit gezwungen ist, die Entwicklung mit aller Macht voranzutreiben. Die Standardsoftware R/3 muß im Eiltempo fit gemacht werden für das Electronic-Commerce- beziehungsweise Internet-Geschäft, andernfalls könnten Marktforscher wie die Forrester Group mit ihren düsteren Prognosen für die deutsche Softwareschmiede recht behalten.

SAP zeigte vor allem im europäischen Markt Schwächen - insbesondere in Deutschland, der Schweiz, Schweden und Großbritannien. Dennoch hoffen die Walldorfer weiterhin, auch hierzulande ein jährliches Wachstum von 20 Prozent realisieren zu können - dazu allerdings müßte das an Systemhäuser übertragene Geschäft mit mittelständischen Betrieben erfolgreich verlaufen. Bisher ist dies noch nicht der Fall, auch wenn die Lesart der Walldorfer in dieser Frage eine andere sein mag.