IO-Probleme verzögern Auslieferung für kommerziellen Markt

Peinlich: HP kriegt RISC nicht auf die Reihe

03.10.1986

BAD HOMBURG - Die Auslieferung der für Ende 1986 angekündigten RISC-Maschine von Hewlett-Packard ist vorerst geplatzt. Grund: zusätzliches Software-Tuning im E/A-Bereich. Das für kommerzielle Anwendungen entwickelte Modell 930 wird nunmehr frühestens Mitte des nächsten Jahres verfügbar sein. Dagegen laufen die Shipments des technisch-wissenschaftlichen Modells 840 nach Plan.

"Wir müssen den I/O-Bereich weiter optimieren; er enthält noch zu?? Code", begründet Marketingleiter Jochen Leonhardt die Verzögerung des 4,5-Mips-Computers, der die Rechnerfamilie HP 3000 im oberen Leistungsbereich ergänzen soll. "Dabei haben wir den Testaufwand speziell für das neue Dateisystem wohl unterschätzt." Die notwendige Justierung stehe aber in keinem Zusammenhang mit der Precision Architecture" von HP.

Die neue Architektur auf Basis des Reduced Instruction Set Computing (RISC), in die der Hersteller von Superminis in den letzten fünf Jahren bereits mehr als 250 Millionen Dollar investiert hat, soll auch weiterhin den Grundstock für alle künftigen Rechnerentwicklungen bilden. Leonhardt: "Um diese technologieunabhängige Architektur zu konzipieren, hat HP fast drei Jahre Grundlagenforschung in den Laboratorien betrieben. Zudem mußte die neue HW-Generation ein wesentliches besseres Preis-Leistungs-Verhältnis erbringen, um am Mitbewerb vorbeiziehen zu können."

Die ersten Produkte der Serie 900 mit der HP-eigenen "Precision Architecture" kündigte das Unternehmen bereits Anfang 1986 an (siehe CW Nr.10 vom 7.März 1986, Seite 1). Dabei brach der Computerbauer aus Palo Alto erstmals mit der Tradition: Entgegen allen bisherigen Gewohnheiten, nach denen HP neue Produkte erst ankündigte, wenn sie auch innerhalb der nächsten 60 Tage ausgeliefert werden konnten, legten die Verantwortlichen diesmal den Auslieferungstermin auf ein halbes Jahr im voraus fest.

Um den Kunden das Warten auf die neuen Rechner zu verkürzen, hatte HP schon bei der Ankündigung eine entsprechende Offerte parat: Als Zwischenschritt wurde den Anwendern die Serie 70 aus der Familie 3000 empfohlen. Auf diese Ausweichmöglichkeit verweist der Hersteller jetzt erneut: Es seien in den letzten sechs Monaten bereits 1400 Maschinen verkauft worden; dies zeige, daß die Benutzer selbst dann nicht auf das Modell 930 gewartet hätten, wenn man den Auslieferungstermin hätte halten können. Zudem seien die Migration-Upgrades preislich so gestaltet worden, daß dem Kunden dadurch kein finanzieller Schaden erwachse.

Gleichwohl scheint die Verzögerung durch das "offizielle Face-lifting" der Weichware nicht der einzige Grund für das HP-Bestreben zu sein, ihrer Klientel die Serie 70 schmackhaft zu machen. Wie aus labornahen Kreisen verlautet, sind noch nicht alle Anwendungsprogramme, die HP heute auf der Preisliste führt, im Native-Mode des Modells 930 verfügbar. Derzeit liefen viele Applikationen auf der neuen Maschine lediglich im sogenannten Kompatibilitätsmodus; dabei werden die alten Instruktionen emuliert. Der Vorteil der "Precision Architecture" komme aber nur zum Tragen, wenn für die Programme mit Hilfe der optimierenden Compiler neuer RISC-Code erzeugt werde.

Daß Hewlett-Packard durch die nun eingetretene Verzögerung größere Probleme entstehen könnten, halten Marktanalysten indes für unwahrscheinlich, allerdings sei ein Imageverlust nicht ausgeschlossen. Witzeln etwa Brancheninsider bei Diebold: "Es würde HP sicher besser anstehen, wenn sie das nicht nachgemacht hätten, was andere Hersteller wie IBM oder DEC schon vorexerziert haben - die können sich sowas eher leisten".

Auch bei der Konkurrenz kommt ob des HP-Verdrusses keine rechte Schadenfreude auf. Rolf Taake, Leiter Produktmarketing für die "Targon" bei der Nixdorf Computer AG, Paderborn, kommentiert offenbar aus eigener leidvoller Erfahrung: "Wenn man eine Architektur völlig neu entwirft, braucht jeder HW-Produzent seine Lernkurve - da gibt es immer ein paar Überraschungen." Und die Problematik bei der Optimierung der I/O-Subsysteme sei wohl allen Herstellern gemeinsam.