PCs werden immer mehr!

05.01.1996

Christoph Witte

Serioese Prognosen gibt es nicht - nur richtige und falsche. Dabei ist es gleichgueltig, ob sie auf statistischem Material beruhen oder aus dem hohlen Bauch kommen. Je oefter jemand richtige Voraussagen macht, desto besser wird seine Reputation als Experte. Deshalb hier zunaechst ein paar sichere Tips: SAP bleibt auch 1996 mit R/3 Marktfuehrer. Um Windows 95 wird es zwar in diesem Jahr ruhiger werden, aber Microsoft duerfte damit genauso abraeumen wie mit Windows 3.x. AEhnliches gilt fuer den Windows NT Server. Auf Abteilungsebene wird das Betriebssystem wohl kraeftig zulegen, und zwar auf Kosten von Novell Netware, OS/2 und auch Unix.

Immer noch auf der sicheren Seite bewegen wir uns, wenn wir den Mainframe auch 1996 am Leben lassen. CMOS-Prozessoren und niedrigere Preise werden dafuer sorgen. Bevor das Eis der Prognostik duenner wird, noch schnell ein letzter sicherer Blick in die nahe Zukunft: PCs werden immer mehr und billiger; Multimedia, das Wort des Jahres 1995, laesst sich fuer Anwendungsunternehmen auch 1996 trotz aller Telekom-Fernsehspots nur schwer mit Leben fuellen. Ach ja, auch Intel bleibt Marktfuehrer bei Prozessoren, keine Frage.

Schwerer sagen laesst sich dagegen, welche Rolle Internet und World Wide Web in diesem Jahr spielen werden. Was wird aus den hochgejubelten Protagonisten Netscape (Navigator) und Sun (Java)? Gelingt es Microsoft, Oracle, IBM und all den anderen, die erst vor relativ kurzer Zeit das Internet entdeckt haben, in diesem Markt Glaubwuerdigkeit zu erringen?

Eins ist jetzt schon sicher: Die Diskussion ueber Information-Highway, WWW, Multimedia und Online-Dienste wirkt sich auch auf die IS-Profis in Anwendungsunternehmen aus. Direkt beruehrt wird ihre Arbeit, weil sie sich ueberlegen muessen, ob es Sinn macht, trotz fehlender breitbandiger Weitverkehrsverbindungen Arbeitsgruppen auf Basis von WWW-Technologien zu organisieren, die interne Kommunikation auf TCP/IP-Basis zu stellen oder Intranets einzurichten. Indirekt betroffen, und das ist wahrscheinlich noch wichtiger, sind IT-Spezialisten, weil die Informationsverarbeitung durch die breite gesellschaftliche Diskussion auch in Unternehmen aus ihrem Schattendasein heraustritt.

Firmenbosse koennten, angeregt durch Berichte in der Tages- und Wirtschaftspresse ueber die weltumspannenden Moeglichkeiten der Informationsverarbeitung, demnaechst mehr von ihren IS-Abteilungen verlangen als - pardon - die Buchhaltung zu automatisieren oder computergestuetzte Kassensysteme zu supporten. Sie werden keinen Sinn mehr haben fuer die Alltagsschwierigkeiten, die Systeme abstuerzen lassen, Kommunikationswege verschuetten oder Applikationen fuer den Endanwender schwer bedienbar machen. Sie wollen DV-Investitionen in direkte Wettbewerbsvorteile umgemuenzt sehen. Gelingt es IS-Teams, solche zu erzielen, werden die naechsten zwoelf Monate spannend, gleichgueltig welcher Hersteller sich mit welchem Produkt durchsetzt. Schliesslich spielen Anbieter immer nur die Rolle, die ihnen Anwender zugestehen.