Ein neues Konzept zur Integration von Einzelplatzrechnern

PCs auf dem Weg von der Isolation zur Integration

17.06.1988

Auch die Individuelle Datenverarbeitung, die bisher in erster Linie auf Stand-alone-Rechner konzentriert war, geht in Richtung Konnektivität zu Zentralrechnern. Dietmar Bothe* stellt eine Zwischenlösung vor, wie die Individuelle DV innerhalb von Abteilungen in Rechnernetze integriert werden kann, ohne daß der einzelne Anwender auf gewohnte Vorteile verzichten muß.

Der PC auf dem Schreibtisch: ein schier unerschöpfliches Potential, eine Superhilfe für alle Arbeiten im Büro. Doch leider hat er einen Schönheitsfehler: Er kann nur mühsam mit seinesgleichen reden. Der professionelle Anwender, der den PC in einer größeren Umgebung einsetzen will, der einer Reihe von Mitarbeitern dieses Instrument zugänglich machen möchte, hat Probleme. Es gibt einen Wust von Schnittstellen, aber wenig Lösungen. Für viele Anwendungen ist das ein Handicap: Statt sich als "Time-Sharing"-Benutzer des großen Zentralsystems zu bedienen und damit Zugriff auf den Datenhintergrund des Unternehmens oder mindestens der eigenen Abteilung zu haben, arbeitet man isoliert. Mehrfacharbeiten und inkonsistentes Datenmaterial gehören zum Alltag der Abteilung, die sich auf PCs eingelassen hat.

Dabei sind integrationsfähige PC-Lösungen ein ideales Arbeitsmittel, maßgeschneidert für die Abteilung im Unternehmen. Der Markt konzentriert sich aber statt dessen auf andere Bestseller, die sich jeweils auf einen PC konzentrieren. Textsysteme, Branchenlösungen und Datenbanksysteme sind hierfür bekannte Beispiele. Die Produkte sind faszinierend, und der Erfolg wird von den Verkaufszahlen belegt: Auch ein EDV-Laie kann sehr schnell "seine" Anwendung aufbauen, auf einfache Weise Abfragen starten oder Texte erstellen.

Die Nachteile liegen auf der Hand: Die Systeme sind nur auf die "persönliche Umgebung" ausgelegt und von der Kapazität her jeweils beschränkt.

Eine integrierte Lösung beseitigt mit einem Schlag mehrere Nachteile isolierter PCs: Gute Geräte haben besondere Stärken bei der Bearbeitung von Daten, verbessern die interne Kommunikation und ermöglichen die Integration der Abteilung in die Netze großer Hersteller.

Betrachten wir das Informations-Management einer Abteilung, die einen zentralen PC-Server einsetzt. In ihn verlagert man die Datenbestände inklusive des gesamten Datenmanagements. Die Konsequenz: Der PC ist damit nicht mehr belastet und kann für eine optimale Gestaltung des Benutzer-Interfaces genutzt werden. Die Beschränkungen hinsichtlich Datenmengen und Transaktionsraten entfallen: Bestimmte Server ermöglichen es jedem PC, auf Daten bis zu 10 Gigabyte zuzugreifen - auf Kapazitäten also, die sonst nur durch Großrechner erzielt werden. Die Konsistenz aller zentral verfügbaren Daten reduziert sich auf ein zentrales Update, das parallel zum Mehrbenutzerbetrieb durchgeführt wird.

Anwendungen, die nach solch einem Konzept geradezu verlangen, sind Informationssysteme für den Vertrieb, für Produkte, für Personal-Planungs- und Ergebnisdaten. Dokumenten-Retrieval, das den PC normalerweise überfordert, kann gewinnbringend eingesetzt werden. Auch für die Unternehmenslenkung tut sich eine neue Dimension auf. Der entscheidende Vorteil gegenüber herkömmlicher Business-Grafik liegt darin, daß dem Anwender jetzt eine wesentlich größere Datenbasis zur Verfügung steht. Der Aufwand für die Beschaffung des Datenmaterials entfällt, also auch die Sorgen um Konsistenz bei mehrfacher Datenhaltung.

Schließlich stellen gute Server komfortable Werkzeuge zur Generierung von Anwendungen zur Verfügung. Mit solcher Endbenutzersoftware kann man seine Online-Anwendung selbst realisieren, seine Bildschirmmasken selbst aufbauen und damit die Benutzung selbst gestalten. Als ein Beispiel dafür sei das System Freeform genannt. Freeform ist ein Masken- und Anwendungsgenerator der neuen Generation mit folgenden Merkmalen:

- Die Erstellung und Gestaltung der Masken erfolgt ebenfalls online, die Masken sind jederzeit online änderbar.

- Jeder Schritt wird durch Help-Texte unterstützt.

- Eine Standardmaske läßt sich mit nur drei Angaben erstellen - dem Maskennamen, dem Datenbanknamen und Relationennamen; diese Standardmaske ist sofort benutzbar.

- Für jedes Feld einer Maske kann eine Reihe von Optionen gesetzt werden.

- Passend zu jedem Feld einer Maske laßt sich eine individuelle Anwendungslogik definieren: Pre-Processing, Verify-Processing und Post-Processing.

- Für jedes Feld einer Maske laßt sich ein individueller Help-Text einrichten.

- Man kann an jeder Stelle von einer in eine andere Maske springen.

- Durch ein einfaches RUN ist jeder, schritt sofort online ausführbar und damit testbar.

Freeform basiert dabei auf folgender Philosophie: Das Datenmaterial ist vorhanden und seiner Struktur nach in einem zentralen Data-Dictionary festgehalten. Bei der Erstellung einer Anwendung kann man also auf diese Daten zurückgreifen, womit man mit wenigen Angaben eine lauffähige Anwendung bekommt. Es erfolgt eine automatische Verbindung zwischen den Fenstern der Maske und den entsprechenden Daten. Mit einem eigenen Editor versehen, stellt das Programm eine komplette Entwicklungsumgebung dar.

Document-Retrieval-Systeme stellen zusätzliche Anforderungen: Abfragen können nicht direkt nach ihrer Ausführung vergessen werden, sondern müssen aufbewahrt werden, um in modifizierter Form erneut zur Ausführung gebracht werden zu können. Dabei müssen Ergänzungen gemacht werden können, die die Trefferzahl einschränken oder erweitern.

All diese Möglichkeiten bedienen sich dabei der Sprachen der Vierten Generation, um für den Benutzer komfortabel zu sein: ein Konzept das jeden PC überfordern würde, der gleichzeitig umfangreiche Daten verwalten muß. Die zentrale Abteilungslösung bietet diese Erleichterungen, ist genau für diese Möglichkeiten entwickelt.

Kommunizieren mittels zentralem Server

Die Kommunikationsmöglichkeiten, die ein zentraler Server eröffnet wirken in drei Bereichen: Einmal schafft er die Verbindung von PC zu PC, zweitens verbindet er die Abteilung mit der zentralen EDV, und drittens schlägt er die Brücke zu öffentlichen Netzen. Die Einbindung der Abteilungslösung in die DV-Struktur des Unternehmens kann natürlich über Netze, SNA-Gateways, direkte Kopplungen oder ähnliches erfolgen. Eine andere Möglichkeit, die drei Kommunikationsstufen Abteilung, Unternehmen und öffentliches Netz über ein Konzept abzudecken bietet die Elektronische Post. Statt auf ISDN oder integrierte lokale Netze zu warten, die erst Realität werden müssen, bietet das Mailbox-System eine jetzt verfügbare und preiswerte Lösung.

Ein Mailbox-System verknüpft einmal verschiedene Postdienste wie Telex, Teletex, Telefax etc. miteinander; andererseits ist es auch ein Programm für die Zukunft: Sprache und Faksimile, Grafik, Daten und Text sollen dereinst zu einem "Compound-Document" werden, das über Mailboxes vom Sender direkt zum Empfänger gelangt.

Wichtiger sind die ad hoc realisierbaren Vorteile elektronischer Briefkästen: Sie können neben die bislang existierenden Medien treten, diese ergänzen und - auf der Basis vorhandener Infrastruktur - den Benutzern in der Unternehmensabteilung neue Anwendungen erschließen.

Gute Mailbox-Systeme kopieren (elektronisch) eine persönliche Ablage: Briefe und Notizen können nach Datum und/oder Namen archiviert werden. Auch kann der Zugriff über spezielle Schlüsselworte ermöglicht werden. Erlaubt das Mailbox-System eines Unternehmens dann noch den Zugriff auf die zentral geführte Datenbank, so hat man eine ideale Arbeitsumgebung: Durch ein Fenster, nämlich ein Terminal, schauen Management und Sachbearbeiter in ihre persönlichen Aktenordner und auf die unternehmensweit relevanten Datenbestände. Natürlich spielen hier Aspekte des Datenschutzes eine wichtige Rolle, aber dies ist ein Thema der Datenbank, und man hat es bei vielen Konzepten gut im Griff.

Mailbox-Konzept kommt auch dem Datenschutz zugute

Ein weiteres Argument für die elektronischen Briefkästen ist deren Anwendung zum Mitarbeiter und nicht zum Gerät. Während Telex und Telefax irgendwo zentral im Unternehmen ankommen, dort abgeholt werden müssen und per Hauspost erst zum Empfänger gelangen, ist der elektronische Brief ein persönlicher Brief, kommt an im Personal Computer. Datenschutz und Sicherungsmechanismen, die bei Telex und Telefax unmöglich sind, können hier greifen. Hinzu kommt, daß Sender und Empfänger mobil werden. Sie sind nicht an ihren Arbeitsplatz gebunden. Sie können auf Reisen und von zu Hause mittels batteriegetriebenem Portable ihren Briefkasten leeren; Voraussetzung ist lediglich ein Telefonanschluß.

Eng damit verbunden ist ein Argument, das auch auf die Benutzerfreundlichkeit der Mailbox-Systeme zielt: Jeder bestimmt selbst, wann er in seinem Briefkasten nachschaut, wann er seine Post liest. Ideal ist dies Insbesondere bei der Kommunikation über weite Entfernungen, wenn die Zeitverschiebung eine wesentliche Rolle spielt. Der Mitarbeiter wird nicht mehr durch ständige Telefonate in seinem Arbeitsrhythmus gestört, ist aber dennoch immer erreichbar.

Ei Vorteil dieser Mailbox-Systeme ist die hohe Verfügbarkeit für den Benutzer: Ein Briefkasten ist nie besetzt, wie eine Online-Verbindung, kann also immer Daten aufnehmen. Der Empfänger kann die Post jederzeit einsehen und jederzeit antworten. Diese Vorteile spielen nicht nur bei der Inhouse-Kommunikation eine wichtige Rolle, auch für Teilnehmer von außen, die per Datex-P über den Datenbank-Server mit den Teilnehmern des lokalen Netzes kommunizieren, entfällt die Telefon-Frustration (keiner geht an den Apparat, oder es ist ständig besetzt).

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß das Konzept zentraler Server gekoppelt mit verteilten PCs den Anforderungen einer Unternehmensabteilung bezüglich Kommunikation und Datenmanagement in hohem Maße gerecht wird, ohne eine lnsellösung zu schaffen.

Rechnet man die Möglichkeiten des PC hinzu, so sind an jedem PC-Arbeitsplatz die Anwendungen Datenbank (große Leistung, komfortable Anwendungsgenerierung), Kalkulation (Spreadsheets auf umfangreicher Datenbasis), Textverarbeitung und Kommunikation (in Abteilung, Unternehmen und Öffentlichkeit) zu einem System integriert.

PC-Industriestandard schafft Unabhängigkeit

Anwendungen, wie Datenbankabfrage, danach Einbringung in ein Kalkulationsblatt und Übersendung an einen Empfänger, sind in Minutenschnelle erstellt. Schließlich kommt hinzu, daß sich die Mitarbeiter nicht umstellen müssen, ihren gewohnten PC behalten, daß man restlos alle existierende Hardware weiterhin voll nutzen kann. Man kann die Entwicklung moderner Endbenutzersoftware (Windows, Frames, Grafik etc.), die sich zunehmend mehr an der PC-Front abspielt, verfolgen und übernehmen. Durch den Quasi-Standard IBM PC oder Kompatible bleibt man zudem unabhängig von der Produktlinie eines Herstellers. Somit kann die Abteilung immer mehr "Techniker-ferne" und "Anwender-nahe" Werkzeuge nutzen und sich von auf ihre originären Ziele konzentrieren - mit einer leistungsstarken und flexiblen Informationsverarbeitung im Hintergrund.