PCMer wandeln sich von Boxenschiebern zu Lösungsanbietern Performance versus Produktspektrum versus Dienstleistung

11.09.1992

Die PCM-Welt-genauer: die Marktkonstellation, gebildet aus dem Anbieter IBM und den Herstellern von steckerkompatiblen Geräten - hat im Laufe der Zeit eine Entwicklung erfahren, die sich durch besondere Dynamik auch im Vergleich zu anderen DV-Märkten, auszeichnet. Es begann damit, daß Amdahl durch die Einführung der 470/ V6 im Jahre 1975 die Abhängigkeit des Anwenders vom Marktführer in einem Kernbereich stark reduzierte. In der Folge entwickelte Amdahl eine Palette von Alternativangeboten. Comparex und später Hitachi Data Systems (HDS) zogen nach.

Heute beinhaltet Amdahls Lösungsspektrum Elemente, die zur Verbindung aller Ebenen einer unternehmensweiten Informationsverarbeitung erforderlich sind. Die Tatsache, daß Amdahl in Deutschland in der Rechnerkategorie oberhalb von 100 MIPS einen Marktanteil von jetzt bereits über 15 Prozent für sich verbuchen kann, ist also keineswegs auf ein simples finanzielles Unterbieten des Mitbewerbs zurückzuführen. Dies bestätigt auch HDS. Der Preisvorteil Mark pro MIPS, der noch vor kurzem ein Hauptargurment bei Hardware-Entscheidungen war, tritt immer mehr in den Hintergrund. Die PCM-Rechner haben insbesondere in der oberen Leistungsklasse ihre eigenen Wettbewerbsvorteile vorzuweisen.

Unterschiede zwischen Amdahl, HDS und Comparex

Während HDS sich in bezug auf seine Angebotspalette sehr konservativ verhält, haben die beiden Wettbewerber Comparex und Amdahl jeweils aus den interessanten Wachstumsraten des System-Integrationsmarktes ihre Schlüsse gezogen und Entscheidungen gefällt.

Beide Häuser treten im Gegensatz zu HDS heute nicht mehr als Boxenschieber, sondern als DV-Dienstleistungsanbieter auf. Gegenüber Amdahl wiederum erscheinen Comparex und HDS mit einem erheblich breiteren Produktspektrum auf dem Markt.

Comparex unterscheidet sich wiederum von HDS und Amdahl dadurch, daß es erheblich aggressiver im ostdeutschen Markt, aber auch in Osteuropa tätig ist. Hier kommt natürlich der Standortvorteil von Comparex als deutsches Unternehmen zum Zuge. Amdahl tut sich im Osten schwer, weil die Volumina in den ostdeutschen und osteuropäischen Rechenzentren noch nicht in den Leistungsbereich der Amdahl-Rechner reichen. Mit dem Multiple-Domain-Feature und mit der erprobten Installation von MVS parallel zu Unix spielt wiederum Amdahl seine Wettbewerbsvorteile voll aus.

Vergleicht man die Umsätze der PCMer im europäischen Umfeld miteinander, und zwar die Umsätze auf 370/390-Basis, so erscheint Comparex mit der breiten Produktpalette vor Amdahl und Hitachi als Marktführer.

Amdahl bietet mit den "offenen Systemen"

- Portabilität: Software-Investitionen da der Anwender von einer Hardwareplattform zur anderen migrieren kann.

- Skalierbarkeit: Der User kann seine Applikationen auf dem geeigneten System einsetzen, gleichgültig, ob es sich dabei um eine Workstation oder um einen Supercomputer handelt.

- Interoperabilität: Der Kunde ist in der Lage, seine Systeme und Anwendungen so zu integrieren, daß ein globales System entsteht und inselartig verstreute Informationen beliebig verfügbar werden.

- Flexibilität: Der Anwender kann seine Informationsverarbeitung mit neuer Technologien ausbauen und erweitern, insbesondere kann er Client -Server Architekturen implementieren.

Der an diesem Beispiel und mit diesen vier Begriffen umschriebene State of the Art ist das, was den heutigen PCM-Markt sowohl von dem alten Zuschnitts als auch von anderen aktuellen DV-Märkten unterscheidet.

Im Gegensatz zu Amdahl argumentiert Hitachi mit einem leistungsstarken CPU-Peripherie-Konzept und mit zügigen Reaktionen auf die Ankündigungen des Marktführers. Bei der Summit-Ankündigung war HDS sogar schon früher da. Mit dem Prism-Konzept zieht Hitachi beim Weg in die Unix-Welt die Spuren des Marktführers nach.

Im Ranking führt Amdahl mit leistungsstarken Rechnern und Platten. An gleicher Position steht europaweit Hitachi mit dem breiten Produktangebot, obwohl Laserdrucker und optische Speicher noch ausbleiben. Als besonderen Makel in der Angebotspalette von HDS kann das Fehlen von DV-Dienstleistungen gelten. HDS ist damit nicht marktkonform. Kunden wollen nämlich auch von PCMern immer mehr Lösungen. Nachdem im Vorjahr die Ausgaben für DV- Dienstleistungen höher waren als die Ausgaben für Hardware und dieser Trend weiter anhält, wird auch HDS sicherlich bald vor der Entscheidung stehen, vom Boxenschieber zum Lösungsanbieter zu migrieren .

Die offene Gestamtlösung als Wettbewerbsfaktor

Die offene Gesamtlösung a la Amdahl ist das Ergebnis einer Entwicklungsarbeit, die in Übereinstimmung mit internationalen Standards Produkte entstehen ließ, mit denen eine unternehmensweite Implementierung zuverlässiger und wirtschaftlicher offener Gesamtlösungen möglich geworden zu sein scheint.

Amdahls UTS, ein System-V-kompatibles Mainframe-Betriebssystem, wurde auf Großrechnern entwickelt und erschließt auch innerhalb einer mehrschichtigen Struktur unternehmensweit zusammenarbeitender Unix-Systeme die Leistungsfähigkeit der /390-Systemarchitektur (siehe nebenstehenden Kommentar).

Bestehende Investitionen in MVS-beziehungsweise VM-Systeme dürften dank der verschiedenen UTS-Koexistenzfunktionen nichts von ihrem Wert verlieren. Einer der Träger von Integrationsmöglichkeiten ist die Serie der 4655 Kommunikationsprozessoren.

Auf der Unix-Seite wird diese Lösung von den verbreitetsten Netzprotokollen unterstützt, darunter NFS, TCP/IP und die BSD-Netzwerkerweiterungen, auf Host-Seite - wie auch bisher schon - die 3270-Terminalemulation und die komplette SNA-Host-Connectivity.

Diese Amdahl-Systemwelt ist für viele Anwender vor allem deshalb interessant, weil sie erstmals in dieser Umgebung neue Anwendungen ermöglicht, zum Beispiel Großrechner-Bildverarbeitung auf der Basis der Plexus-Software.

Von Amdahl wird mit Nachdruck hervorgehoben , daß das oben skizzierte Instrumentarium den Unternehmen durchaus die gewohnte Beweglichkeit und Sicherheit geben werde und im Bedarfsfall sogar ohne Zeit- und Reibungsverluste ermöglicht.

- Management-Strukturen zu ändern,

- Management-Informationssysteme besser zu nutzen,

- externe Prozesse mit internen Vorgängen (zum Beispiel bei Zulieferern und Abnehmern) fester zu verankern,

- die Marktausrichtung des Unternehmens abzuändern und

- jeweils aktuelle Technologien in die Infrastruktur einzugliedern.

Die Hürde, vor die sich die Unternehmen jetzt noch gestellt sehen, besteht vor allem darin, daß sich wichtige für unternehmensweite Entscheidungen maßgebliche Informationen in

einzelnen Abteilungen oder an einzelnen Standorten (und dort auf inkompatiblen, proprietären Systeminseln) befinden. Die

Notwendigkeit, diese Barriere zu überwinden, wird mittlerweile kaum noch angezweifelt.

Darum begrüßten die Anwender auch einhellig, ihre Unternehmenssysteme dank der vom PCM-Markt kommenden Dynamik zusammen mit neuester Technologie zu einem einheitlichen zusammenhängenden System aus heterogenen Komponenten zusammenbinden zu können.

Damit - so ein großer Anwender - sei die "Hürde der fragmentierten Information" überwunden, soweit der Anwender den im Zentrum der unternehmensweiten Informationsverarbeitung anfallenden Bedarf an Rechnerleistung wirklich qualifiziert abdecke.

Etliche Großanwender haben in diesem Zusammenhang offenbar auf` Amdahls neuestes Flaggschiff, die 5995-M-Serie, gewartet, jedenfalls suggerieren dies - bezogen auf Deutschland - folgende Zahlen: Ende 1991 konnte die deutsche Amdahl-Tochter erst einen Rechner dieser Größenklasse absetzen; im ersten Halbjahr 1992 waren es bereits sechs. Jetzt jedoch, im zweiten Halbjahr '92. ist absehbar, daß Amdahl Deutschland Ende dieses Jahres über 20 dieser Maschinen verkauft haben wird.

Der Grund dafür liegt auf der Hand: Von Mitte 1992 an hat Amdahl die letzten produktionstechnischen Restriktionen der neuen 5995-M, bedingt durch den Anlauf der Serie, beseitigt und kann die Nachfrage -so die Unternehmensangabe-uneingeschränkt befriedigen.

Zudem sollen vom dritten Quartal '92 an innerhalb der 5995 M-Serie auch die 8-Way-MP-Systeme weltweit am Markt verfügbar sein. Diese unter der Typenbezeichnung 8650 angebotenen Modelle sind Amdahl zufolge die leistungsfähigsten Rechnerkomplexe im betreffenden Marktsegment. Bis zum Jahresende '92 sollen einige von ihnen auch in Deutschland installiert sein. Die PCMer rechnen für 1992 mit einer Leistungssteigerung von 30 bis 35 Prozent MIPS bei den Kunden, bei Neukunden sogar mit 80 Prozent. Hitachi wird mit seinen 8 Wege-Plattformen der neuen JX Serie im Leistungsbereich von 52 bis 230 MIPS noch 1992 auf den Markt kommen. Man geht da von aus, daß von den Großrechnern der beiden PCMer der Markt etwa 100 Systeme in diesem Jahr aufnehmen wird.

Die Erfolgsfaktoren im aktuellen PCM-Markt

Sieht man einmal von dem noch immer stattfindenden starken Wettbewerb über den Preis ab und versucht unabhängig davon, Erfolgsfaktoren zu definieren, an denen man die Position der PCMer messen kann, so sind dies heute im wesentlichen

- Konzentration und Bedarf an leistungsstarken Rechnern,

- "Offenheit "der Systeme und eine enge Verbindung zwischen Unix und MVS,

- Kundennachfrage nach Lösungen.

Die drei hier quasi in einem Spotlight verglichenen Wettbewerber Amdahl, Comparex und Hitachi lassen sich wie folgt positionieren:

- Amdahl: leistungsstarke Rechner; verfügt über ein Konzept zur Öffnung der Mainframes und mit dem Systementwicklungs-Tool Huron über ein Instrument, um Software für Unix und MVS-Zielrechner zu entwickeln; in Summe ein Konzept, das den Kundenerwartungen recht nahe steht, allerdings mit der Einschränkung einer relativ schmalen Produktpalette.

- Comparex: Der Marktführer unter den PCMern bietet eine sehr breite Produktpalette an und hat zumindest in Deutschland aufgrund der Herkunft und der relativ langen Existenz auf dem Markt Standortvorteile. Gleichermaßen ist das Unternehmen durch die Tatsache, daß es sich dem EDV-Dienstleistungsmarkt geöffnet hat, Hitachi gegenüber im Vorteil.

- An Hitachi Data Systems wird es sein, über Customer Needs neu nachzudenken oder weniger Erfolg hinterherzulaufen.

_AU: Wilfried Köhler-Frost