Total Cost of Ownership (TCO)

PC versus NC: Eine unsachliche Diskussion?

27.06.1997

Der vielbeschworene Paradigmenwechsel in der DV, der durch Java und Network Computer (NCs) eingeleitet worden sei, heizt die Diskussion um horrende DV-Investitionen weiter an. Doch es mehren sich die Stimmen, die davor warnen, im Schlagabtausch gegensätzlicher Interessen blieben die Argumente auf der Strecke.

Spätestens, seitdem Oracle-Chef Larry Ellison vor zwei Jahren das Credo des spottbilligen NCs als Client anstimmte und seit die IBM und Sun Microsystems in den Chor gegen das Wintel-Lager einstimmten, scheint in IT-Zentren nichts mehr so, wie es einmal war. Gerade erst hatte man sich mit der Tatsache abgefunden, nur der sei auf der Höhe der Zeit, der ein dreistufiges Client-Server-Modell eingerichtet; der sich langsam vom Einbahnstraßenverkehr der Terminal-Mainframe-Anbindung verabschiedet; und der PCs als unverzichtbaren Bestandteil der Unternehmens-DV akzeptiert hat. Da redeten einem Experten ein, man sei wieder einmal einem Trugschluß aufgesessen. War man vorher ein Betonkopf, der dem Master-Slave-Konzept das Wort redete, so entlarvte man sich nun als unverantwortlicher IT-Manager, dessen einziges Wirken darin zu bestehen schien, sauer verdientes Geld der Unternehmen in den Rechenzentren der Betriebe zu verbrennen.

Doch Hilfe naht. Paul Strassmann ist für viele der Doyen, der rangälteste Wortführer der Szene, kommt die Rede auf das Thema Kostenerhebung in der DV. Er müßte also wissen, wovon er redet: "Irgendwie zusammengemischte, hypothetische Ersparnismöglichkeiten, die auf erfundenen Kosten basieren, sind ein todsicherer Weg für NC-verliebte IT-Manager, so richtig in Schwierigkeiten zu kommen."

Der US-Mann mit eigener Internet-Homepage mokiert sich in Repliken auf die Vertreter des Konzepts sogenannter Thin-Clients über Versprechungen, die finanzverantwortlichen DV-Managern das Blaue vom Himmel versprechen. Geht es nach dem Lager der NC-Adepten, so müssen Unternehmen heutzutage für die Instandhaltung und den Support ihrer heterogenen Rechnerlandschaften aberwitzige Beträge aufwenden (siehe Kasten "TCO-Berechnungen"). Insbesondere vernetzte PCs brandmarken sie als Kostentreiber. Dem Wildwuchs, dem nicht mehr beherrschbaren DV-Chaos in Unternehmen, sei nur mit NCs beizukommen. Und mit Java.

Ein Mythos unter vielen, der die Diskussion um die Auswirkungen von Java und NCs auf bislang gültige DV-Paradigmen umgibt, ist die Vermutung, mit der Einführung von NCs in Unternehmen müßten IT-Verantwortliche ihre Rechnerlandschaften komplett umkrempeln.

Richtig ist zwar, daß das NC-Konzept von Oracle und Sun Microsystems völlig auf Java als Entwicklungsumgebung abstellt. Richtig ist auch, daß Oracle und Sun die Vorteile zukünftiger DV in NC-Clients sehen, die vor Ort Java-Anwendungen verarbeiten. Diese - so die Argumentation - verbrauchen nur einen Bruchteil der Ressourcen, die etwa Windows-Applikationen Rechnern abverlangen.

Wintel-Investitionen trotz NCs und Java gesichert

Die Ausrichtung auf Java bedeutet aber nicht, daß NCs die installierte Basis an Windows-Anwendungen nicht nutzen können, so daß Unternehmen ihre Investitionen in Intel-Microsoft-Systeme in den Wind schreiben müssen.

Mittlerweile werden für NCs Gateways entwickelt, die den Durchgriff der Thin Clients auf diverse Datenbanken und Applikationen gestatten. Auch über die Schnittstellen-Definition Java Database Connectivity (JDBC) lassen sich fast alle am Markt existierenden Datenbanken ansprechen.

Die Anbieter von Java-Tools sprießen wie Pilze aus dem Boden (siehe CW Nr. 16 vom 18. April 1997, Seite 24: "Angebot an Java-Software nimmt rasant zu"). "Dbanywhere" von Symantec, "SQL Retriever IV" und "Tarantella" von SCO oder "Ntrigue Client for Java" von Insignia Solutions sowie "Soft NC" von Triteal sind nur eine winzige Auswahl von interessanten Produkten, die die Einbindung von NCs in bestehende heterogene Mainframe-, Unix- und Windows-Umgebungen Wirklichkeit werden lassen und den Thin Clients ermöglichen, auf die Applikationen der jeweiligen Betriebssystem-Plattformen zuzugreifen.

Soft NC ist eine Java-Desktop-Umgebung, mit der Java-NC-Clients Windows-, Unix-, 3270- und 5250-Applikationen nutzen können. Wyse, NCD und Fujitsu gehören zu den Herstellern von Thin Clients, die Soft NC für ihre Geräte in Lizenz genommen haben.

Mit der Server-basierten Tarantella-Emulationssoftware können text- und X-grafikorientierte Unix-Anwendungen von NCs angesprochen werden. Eine künftige Version soll 5250- und 3270-Anwendungen unterstützen. Noch später, so der Produktplan von Triteal, ließen sich dann auch Windows-Applikationen ansprechen. Tarantella fungiert dabei als Mittler zwischen verschiedenen Applikations-Servern und den Clients. Auf letzteren sorgen Java-Applets für die Darstellung, die Visualisierung von Main- frame-, X-Window-, Motif- oder später Windows-Anwendungen. Voraussetzung für Tarantella: Auf den Clients muß eine "Java Virtual Machine" (JVM), eine Ablaufumgebung für Java-Anwendungen also, installiert sein.

Insignias Java-Applet Ntrigue ist auf die Windows-Welt ausgerichtet. Ntrigue läuft in einem Java-Browser und öffnet ein Gateway zu einem NT-Server, auf dem wiederum Microsoft-Office-Anwendungen laufen.

Sehr interessant ist auch die Lösung, die die Citrix Systems Inc. mit "Winframe" für X-Window-Terminals anbietet. Bemerkenswert insofern, als Windows NT von Haus aus kein Multiuser-Betriebssystem ist. Gerade X-Terminals assoziiert man in der Regel aber mit Unix. Citrix hat sich demgegenüber zur Aufgabe gemacht, X-Terminals einerseits eine Anbindung an die NT-Welt zu schaffen, andererseits aber trotzdem eine Multiuser-Umgebung bereitzustellen. Die Antwort lautet Winframe.

Wie wichtig Microsoft die Kooperation mit Citrix ist, zeigt die vereinbarte Kreuzlizenzierung: Gates gesteht Citrix Quellcode-Lizenzrechte und das Recht zum eigenen Vertrieb von NT Server zu. Der Softwareriese nimmt dafür einen Platz im Firmenvorstand des kleineren Partners ein und besitzt Lizenzrechte an den NT-Multiuser-Erweiterungen, also an Winframe.

Der große Vorteil von NCs gegenüber den Wintel-Produkten ist, daß sie unabhängig von Betriebssystemen und Prozessoren sind. Java-Applikationen laufen auf jeder Hardwareplattform, die eine Java-Runtime-Umgebung besitzt, ohne Rekompilierung. Egal also, ob in einem NC ein "Strongarm"-Prozessor von Digital Microelectronics, ein "Arm"-Chip von Advanced RISC Machines oder IBMs "Power-PC"-CPU stecken - auf allen Systemen können Java-Programme abgearbeitet werden.

Intel, das offiziell das NC-Konzept scheut wie der Teufel das Weihwasser und das dem NC-Paradigma gemeinsam mit Microsoft ein Net-PC-Design entgegenstellt, verdient sehr wohl auch an den kleinen, PCs in der Leistung aber nicht nachstehenden NCs: Unter anderem die HDS Network Systems Inc. und Boundless Technologies, beides gewichtige Repräsentanten der NC-Szene, feuern ihre Thin Clients mit Intels RISC-Prozessor "960" an. Darüber hinaus war die Mehrzahl der auf der Oracle Open World im April dieses Jahres gezeigten rund 500 NCs mit Intel-CPUs ausgestattet. Oracle selbst präsentierte einen NC mit Intel-Chip, setzt bei NCs aber auch auf die ARM-RISC-Prozessoren.

Auch ein anderer Mythos über Java und NCs zieht sich durch die Streitgespräche der verschiedenen Lager: Entwickler müssen die Java-Programmiersprache erlernen. Diese aber sei mittlerweile mindestens so komplex wie etwa C. Eine Besonderheit der Java-Umgebung, auf die unter anderem das US-Fachblatt "Byte" in seiner April-Ausgabe zu Recht hinweist, ist aber die Java Virtual Machine (JVM). Hierbei handelt es sich um eine Software-Implementierung. Deren Plattform ist der native Befehlssatz, der Java-Bytecode. Compiler anderer Programmiersprachen können diesen Java-Bytecode nun ebenso ansprechen wie jeden anderen Instruktionensatz. Die Firma Intermetrics, schreibt "Byte", hat einen "Ada"-Compiler entwickelt, der Java-Bytecode produziert. Parcplace/ Digitalk experimentiere in gleicher Absicht mit einem "Smalltalk"-Compiler. Auch ein "C++"-Compiler müsse in der Lage sein, Java-Bytecode zu generieren. Das Fachblatt zitiert den Vater von Java, James Gosling, mit der Ansicht, sogar Microsofts "Visual Basic" könne Java-Bytecode kreieren. Fraglich sei allerdings, ob die Gates-Company das auch wolle.

Thin Clients versus Fat Clients

-Dumme Terminals sind direkt mit einem Mainframe-, Mini- beziehungsweise Host-System verbunden. Sie besitzen keine "Intelligenz" und verfügen über keine grafische Oberfläche (GUI = Graphical User Interface). Die von ihnen benutzten Applikationen liegen auf dem zentralen Computer, sie werden dort auch verarbeitet. Typische Beispiele sind die IBM-3270- und 5250-Terminals, DECs VT-Series-Terminals und andere ANSI/ASCII-Terminals.

-Grafikorientierte Terminals/X-Terminals sind Thin Clients. Sie benutzen Applikationen, die ebenfalls auf einem Server liegen und dort verarbeitet werden. Im Gegensatz zu dummen Terminals aber erledigt das Display die Grafikverarbeitung lokal.

-NCs sind den Thin Clients zuzuordnen. Sie unterscheiden sich von Terminals allerdings in einem wesentlichen Punkt: NCs verarbeiten sehr wohl auch lokal Anwendungen. Einschränkung: Es müssen Java-Anwendungen sein. Ferner ist der "politische" Ansatz von NCs anders als bei Grafikterminals: Letztere sind unter Ausnutzung der Winframe-Option in erster Linie auf NT-Applikationen geeicht, ordnen sich also dem Microsoft-Lager zu. NCs hingegen sind unabhängig von Betriebssystem- und Hardware-Plattformen.

-Net PCs sind im Prinzip verkappte PCs. Sie zeichnen sich vor allem durch Management- und Administrations-Tools aus, die den technischen Support, die Administrierung sowie die Softwareverteilung erleichtern und damit die Kosten für einen solchen Rechner reduzieren sollen. Außerdem besitzen Net PCs per Definition ein versiegeltes Gehäuse. Damit soll eigenmächtigen Veränderungen im Innenleben der Systeme vorgebeugt werden, die Anwender unerlaubterweise vornehmen. Insbesondere Intel und Microsoft wollen mit der Net-PC-Initiative den Angriff der NC-Glaubensgemeinde parieren.

Microsoft steuert zur Kostenreduzierungsdiskussion zudem noch seine Initiative "Zero Administration for Windows" (ZAW), Intel die Aktion "Wired for Management" bei. ZAW gibt DV-Verantwortlichen Softwarewerkzeuge an die Hand, die die Administration von vernetzten PC-Landschaften weitgehend automatisieren. Wired for Management ist Intels Beitrag zur Kostenreduktion. In Hardware, das heißt in Intel-Prozessoren eingebettete Software macht es unter anderem möglich, vernetzte PCs fernzuwarten und zu kontrollieren. Management-Tools wie Intels "Landesk"-Software dienen ebenfalls der Verwaltung räumlich entfernt stehender Rechner. Net PCs muß man aufgrund ihres prinzipiellen Softwarekonzeptes sowie ihrer Ausstattung zu den Fat Clients rechnen. Äußerstenfalls kann man sie als Diät-Clients verstehen.

-PCs sind Fat Clients. Auf ihnen lagert nicht nur das Betriebssystem, sondern häufig auch die Applikationen, die lokal auf den PCs verarbeitet werden. PCs sind mit Servern/Hosts verbunden, nutzen oft aber deren Ressourcen kaum. Allerdings gibt es auch Vernetzungskonzepte, bei denen die Applikationen nicht auf lokalen PCs, sondern auf Servern lagern.