Große Mikrohersteller graben den "Kleinen" das Wasser ab:

PC-Preiskrieg beschleunigt Marktbereinigung

20.05.1983

MÜNCHEN (bwk) - Ein erbitterter Preiskampf kennzeichnet gegenwärtig den amerikanischen Mikrocomputermarkt. Vor allem bei den Homeund Spielcomputern unterbieten sich die Hersteller mit immer agressiveren Methoden. Aber auch vor den professionellen Mikros macht diese Entwicklung nicht halt. Preissenkungen bis zu 25 Prozent sind in den USA schon fast die Regel. Im europäischen Markt bahnt sich Vergleichbares an.

Wegen der massiven Preisreduzierungen für Homecomputer rechnen amerikanische Marktforscher einem Bericht der Nachrichtenagentur VWD zufolge jetzt mit einer Kaufwelle. Wurden 1982 rund 2,4 Millionen Geräte dieser Art verkauft, sollen es in diesem Jahr bereits acht Millionen sein. In diesem Zeitraum haben die meisten Hersteller ihre Preise um die Hälfte gesenkt. Bei einigen Produkten waren die Abschläge noch höher.

So kostete ein 99/4A-Rechner von Texas Instruments Mitte 1981 etwa 525 Dollar, während der derzeitige Preis nur noch bei 149 Dollar liegt-mit weiter sinkender Tendenz. Der VC-20 von Commodore, von dem jährlich 840000 Stück produziert werden, kostet jetzt in Billigläden 89 Dollar, 1981 waren es immerhin 299 Dollar. Den größten Preisverfall erlebte allerdings der Atari 400, nach 630 ist er jetzt für 79 Dollar zu haben.

Auch die Hersteller von professionellen Mikrocomputern wie IBM, Apple oder NCR senkten in den letzten Wochen die Preise für ihre Produkte um bis zu 25 Prozent. Diese Geräte liegen derzeit etwa zwischen 1000 und 3000 Dollar, das entsprechende Softwareangebot wurde meist sogar noch erweitert. Die Reduzierungen sind hier jedoch nicht so groß wie im Homecomputer-Markt, da die kommerzielle Software einen bedeutenden Teil der Kosten ausmacht.

Gründe für den Preisverfall sehen Beobachter erst in zweiter Linie in der Senkung der Produktionskosten und dem Einsatz verbesserter Technologie. Ursache sei in erster Linie der brutale Konkurrenzkampf, den sich die Anbieter derzeit um ihre Marktanteile liefern. So wird erwartet, daß in den nächsten Jahren eine "Bereinugung" des Marktes eintreten wird, die nur die "Großhersteller" überleben läßt. Mikro-Experten sehen darin einen sehr ähnlichen Trend, wie er vor zehn Jahren bei Taschenrechnern zu beobachten war: Von den zirka 200 Anbietern, die es damals gab, sind heute etwa zehn bedeutende übriggeblieben.

Diese Entwicklung wird aller Voraussicht nach den Eintritt der "Großen" in den Mikromarkt beschleunigen. Vor allem IBM habe mit seinem PC Zeichen gesetzt und sei nunmehr als "Fixpunkt" zu betrachten, an dem sich jeder Mikro-Hersteller messen lassen müsse. Viele der "Garagenunternehmen", die in den letzten Jahren wie die Pilze aus dem Boden schossen, hätten schon aus finanziellen Gründen allein langfristig kaum Überlebenschancen, denn sie verfügten in der Regel nicht über das

Kapital, das Großunternehmen für Forschung, Marketing und Support

aufwenden könnten. Kleinunternehmen dürften sich somit nur noch in

Marktnischen als Anbieter spezieller Lösungen oder von steckerkompatiblen Produkten halten.

Durch den Preisverfall der Geräte und den Einstieg von IBM und DEC in den Mikromarkt ändere sich auch die Vertriebspolitik der "Kleinen" gravierend. Der Konkurrenzkampf der Anbieter verringere die Gewinnspanne derart, daß sich über den teueren Direktvertrieb kein Überschuß mehr erzielen lasse. So versuchen die Hersteller immer neue Vertriebswege aufzutun, die den Mikrorechner als Massenprodukt "salonfähig" machen sollen. Hier gehe der Trend eindeutig zum "Verkauf aus dem Regal" in Käufhäusern u(...) Großhandelsketten mit zahlreichen Filialen.

Neue Vertriebswege

Ähnliche Tendenzen erwarten PC-Experten auch für den deutschen Markt. Konstatiert Diebolds Mikro-Spezialist Thomas Centner: "Die deutlichen Preisnachlässe in den USA werden sich auch in der Bundesrepublik bemerkbar machen und auch hier wird dies vorrangig über neue Vertriebskanäle durchgesetzt". IBM erregte mit dem "Metro-Coup" Aufsehen, worauf einige Anbieter bereits auf der Hannover-Messe mit Preisnachlässen bis zu 25 Prozent reagierten. Schon heute haben die zehn führenden Mikro-Hersteller in Europa einen Marktanteil von 60 Prozent, die ersten fünf Unternehmen gar 44 Prozent, wie Zahlen der International Data Corporation (IDC) belegen.

Allerdings werde sich der Verdrängungswettbewerb auf den einzelnen nationalen Märkten weniger hart und aggressiv vollziehen als in den USA, wenn auch letztendlich mit demselben Resultat, sagen die hiesigen Marktforscher.

Im Homecomputer-Bereich fallen hierzulande die Preise bislang jedoch nicht in dem Ausmaß wie in den Vereinigten Staaten. Wenig Chancen geben Branchenbeobachter den sogenannten Grau-Importeuren amerikanischer Geräte. Zum einen sind die Kosten, die ein "illegaler" Import verursacht, nicht zu unterschätzen, zum anderen sehen sich die deutschen Vertretungen gut gerüstet. "Die Versuche hier in Deutschland einen grauen Markt zu installieren werden am mangelnden Service und fehlenden Garantieleistungen dieser Anbieter scheitern", glaubt Wolfgang Sass, Direktor des Geschäftsbereiches Datensysteme bei Texas Instruments. Auch dürfte sich der Mikro-Anwender schwer tun, amerikanische oder gar japanische Bedienungsanleitungen zu lesen, was die Verkaufschancen der "Grauen" zumindest erheblich beschränkt.

Im Bereich der professionellen Mikros erwarten deutsche PC-Insider in den nächsten zwölf Monaten auch hierzulande einen Preisrückgang von 20 bis 30 Prozent. Vor allem vor der nächsten Hannover-Messe seien verstärkt Aktivitäten zu erwarten.