PC-Gewaltakt

11.11.1983

Für PC-Freaks und Peanut-Spekulanten muß das Junior-Announcement Big Blues eine herbe Enttäuschung sein. Glaubte die Clique unverbesserlicher IBM-Enthusiasten noch bis zu letzt, der Marktführer werde für den Hobbyisten ein kleines Wunderding fabrizieren, so beweist sich der Computerriese wieder einmal weniger als technologischer Vorturner. Einen "Oh-Effekt" erzielte indes schon eher die Bekanntgabe des Hardware-Zuschneiders Teledyne Incorporated, eine bisher unbedarfte Technikschmiede jenseits des Silicon Valley. In der Jungehe mit dem kalifornischen Mikroproduzenten übernimmt der Branchenprimus lediglich den OEM-Part, konzentriert sich dabei vorrangig auf die Vermarktungsstrategie.

Daß IBM mit ihrem "JR" deshalb schon bald die von den Apples, Adams und Ataris besetzte "Spielwiese" restlos umpflügen und dabei vor allem die kleinen Trouble-shooter über den Zaun drücken wird, darf zumindest in den USA vorausgesetzt werden. Der seit Einstellung der Kartellklage erfolgte Aggressionsschub in den Vertriebsreihen und Marketingetagen des Computermultis wird sein übriges dazu beitragen.

In ihrer "Alles-oder-nichts-Mentalität" schreckt die 1981 gegründete Personal-Computer-Division der IBM offenbar nicht einmal vor Gewaltakten an der eigenen Mutter zurück, wie die Ankündigung der erweiterten PC-Modelle "XT/370" und "3270 PC" zeigt. Mit dem Rücken zur Wand stehen jetzt insbesondere altgediente Terminalverkäufer, die kaum noch über Argumente verfügen, dem Benutzer eine bodenständige Bildschirmanwendung schmackhaft zu machen, seit die Rechnerzwerge mit den Jumbos kommunizieren. So lassen denn auch IBM-Strategen in Armonk und White Plains durchblicken: "Der P(, ist die beste Datenstation, die wir je hatten."

Mit ihrer progressiven, aber auch aggressiven Denkweise hat sich das PC-Team um Division-Chef Philip Estridge schon gänzlich abgenabelt von der bürokratischen Unternehmensstruktur der blauen Ziehmutter. Glaubt man den Analysten, so zielen die neuen Personal Computer der Estridge-Crew nicht nur in Richtung 3270-Bildschirm, sondern haben mittelfristig auch die Small-Business-"Mühlen" 123,132 /34 und /36 im Visier. Ganz wagemutige Prognostiker sehen gar schon bald den gesamten Midrange-Sektor einer unaufhaltsamen Mikro-Welle weichen.

An derartigen Spekulationen wollen aber selbst PC-Stimmungskanonen noch nicht so recht glauben. Bisher kann IBM allein im 4300-Bereich ein Installationsvolumen von rund 30 Milliarden Dollar verbuchen. In diesem für die "Blue Boys" strategisch überaus wichtigen Marktsegment wird auch heute noch echtes Geld verdient. Der Computerchampion wird sich hüten, einen modernen Super-PC für 5000 Dollar zu verkaufen, wenn er für einen alten Hobel noch eine halbe Million rausschinden kann.

Zwar spielt IBM zuweilen die Bedeutung ihrer Kleinrechner etwas herunter, um nicht die bestehende Kundenbasis sowie die eigenen Small-Business-Verkäufer zu konsternieren, doch macht sie andererseits keinen Hehl daraus, daß schon in ein paar Jahren das PC-Geschäft zur zweiten großen Umsatzsäule neben den Mainframes heranwachsen wird. Inwieweit die derzeit von Ertragseinbrüchen gebeutelten Personal-Computer-Anbieter hier noch mithalten können, hängt offenbar stark von ihrer Innovationskraft ab. Fest steht, nach einem heißen Sommer bescherte die IBM ihren Mitbewerbern durch die PC-Announcements einen heißen Herbst. Einigen Herstellern steht jetzt noch ein turbulenter Winter bevor.