"Aufräumarbeiten" in Deutschland sind in vollem Gange

PC-Direktvertreiber Dell will Compaqs Thronfolge antreten

04.06.1999
Von Beate Kneuse* MÜNCHEN - Während PC-Weltmarktführer Compaq schwächelt, versucht Erzrivale Dell die Spitzenposition zu übernehmen. Ein Blick auf die Marktanteile zeigt indes, daß zwischen den beiden texanischen PC-Produzenten noch ein respektabler Abstand liegt. Vor allem in Deutschland gilt es für Dell, jede Menge Hausaufgaben zu erledigen, will man zur Konkurrenz endlich aufschließen.

Noch kann Compaq den Führungsanspruch des PC-Direktversenders aus Austin gelassen sehen. Für das erste Quartal 1999 errechnete das US-Marktforschungsunternehmen IDC für den PC-Krösus aus Houston einen weltweiten Marktanteil nach Stückzahlen von 14,4 Prozent. Dell folgt mit 9,9 Prozent auf Platz zwei, IBM nimmt mit 8,8 Prozent den dritten Rang ein. In Westeuropa ist der Abstand gar noch größer. Mit einem Marktanteil von 9,8 Prozent überholte Dell die IBM (9,6 Prozent) und liegt jetzt dort ebenfalls auf Platz zwei. Bis zu den 18,8 Prozent von Compaq aber ist noch ein weiter Weg.

Dennoch dürfte das enorme Wachstumstempo, das die Company von Michael Dell nach wie vor an den Tag legt, bei Compaq-Interim-Chef Ben Rosen nicht wenig Nervosität hervorrufen. Dell erzielte in seinem ersten Quartal 1999/00, das am 29. April endete, einen Reingewinn von 434 Milionen Dollar, was gegenüber den 305 Millionen im vergleichbaren Vorjahreszeitraum eine Steigerung um 42,3 Prozent bedeutet. Beim Umsatz verbesserten sich die Texaner um 41,3 Prozent von 3,92 Milliarden auf rund 5,54 Milliarden Dollar. Davon generierte man 30 Prozent über das Internet. Die Online-Verkäufe, so erklärte Edmund Bernadi, Vice-President Central Europe, unlängst vor der Presse in München stolz, belaufen sich zur Zeit auf 18 Millionen Dollar pro Tag.

Gerade im weiteren Vorantreiben des Geschäfts über das Netz der Netze sieht der 48jährige Manager große Chancen, Marktführer Compaq in naher Zukunft vom Thron zu stoßen. "Es gibt keinen billigeren Vertriebsweg als das Internet." Und er setzte noch einen drauf: "Wir praktizieren das weltweit größte Internet-Vertriebsmodell." Zumal man auch rein auf Kundenwunsch und nicht auf Lager produziere. Dies führe dazu, daß sich der Lagerbestand bei Dell mittlerweile auf sechs Tage reduziert habe (erklärtes Ziel: null Tage) und man damit der Konkurrenz weit voraus sei. Bei Compaq seien es derzeit 29 Tage, bei IBM gar 41, hieß es. Daß die Wettbewerber ebenfalls zunehmend auf den Online-Vertriebszug aufspringen und dabei das Dell-Konzept zunehmend kopieren, scheint Bernardi nicht zu beunruhigen. "Unser Modell läßt sich ohne Zweifel kopieren, der dabei anfallende Aufwand ist aber nicht realisierbar", betonte er. Dazu müßten die Konkurrenten nämlich jede Menge Mitarbeiter entlassen und Fabriken schließen, erklärte er süffisant.

Trotz aller Erfolge herrscht jedoch auch bei Dell nicht eitel Sonnenschein. In Deutschland, einem der wichtigsten, gleichwohl schwierigsten PC-Märkte in Europa, stehen die "kleinen" Texaner nach wie vor nicht so prächtig da. Mit einem Marktanteil von gerade mal 4,4 Prozent nimmt Dell derzeit Platz sechs ein. Der Umsatz sank im ersten Quartal gegenüber dem vorangegangenen ersten um zehn Prozent. Bernadi, der erst seit Februar 1999 (auch) das Zepter in der Deutschland-Dependance schwingt, verhehlte nicht, daß die hiesigen Aktivitäten eines der größten Sorgenkinder im Gesamtunternehmen seien. Es werde aber vehement daran gearbeitet, dies zu ändern. Schon für das laufende Quartal erwartet der Dell-Verantwortliche ein Umsatzplus von zehn Prozent - eine Wachstumsrate, die sich seine Company hierzulande auch für die dann folgenden Drei-Monats-Perioden auf ihre Fahnen geschrieben hat.

Seinen Optimismus begründete Bernardi damit, daß man die letzten Monate genutzt habe, um eine umfangreiche Reorganisation durchzuführen. So seien die regionalen Strukturen aufgelöst und für jedes Kundensegment ein eigenes Vertriebsmodell kreiert worden. Gleichwohl reduzierte man die Außendienstmannschaft und bemüht sich derzeit, den Innendienst deutlich zu verstärken. Mann kann es auch so formulieren: Der erfolgreiche Verkauf via Web, mit dem Dell weltweit, vor allem aber in den USA so gerne hausieren geht, läuft in Deutschland bislang aus vielfältigen Gründen schlecht. Aufgegeben hat Dell Deutschland zudem den eher halbherzigen Versuch, über einige wenige Händler in den indirekten Vertrieb einzusteigen. Vielmehr konzentriert man sich nun wieder ausschließlich auf den Direktvertrieb. "Wenn es uns gelingt, das Dell-Modell sauber umzusetzen, werden wir auch in Deutschland erfolgreich sein", betonte der Dell-Manager. Daß dies machbar sei, zeige das Beispiel Frankreich. Bernardi: "Dort haben wir noch vor zwei Jahren die gleichen Probleme gehabt."

Daß Dell an seinem eigenen Erfolg scheitert, oder sich in seinem anhaltenden Appetit nach Expansion verzettelt, wie es so viele Firmen in der Vergangenheit widerfahren ist, glaubt Bernadi nicht. "Wir werden weiter aus eigener Kraft wachsen. Firmen werden wir nicht zukaufen, wir holen lieber Köpfe an Bord. Und wir orientieren uns nicht an den Großen, sondern schauen nach hinten, ob uns jemand überholen könnte." Auch das aus seiner Sicht und der vieler Experten zu erwartende "Blutbad im PC-Markt", das sowohl weltweit als auch in Deutschland erst noch stattfinden werde, könne seinem Unternehmen nichts anhaben. Bernardi: "In zwei bis drei Jahren werden vier PC-Markenhersteller 80 Prozent des Weltmarktes unter sich aufteilen. Dell wird mit Sicherheit dazugehören."

*Beate Kneuse ist freie Journalistin in München.