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Patricia Russo hat als Alcatel-Lucent-Chefin große Sparpläne

03.04.2006
Patricia Russo (53), eine der prominentesten amerikanischen Unternehmerinnen, hat enormes Durchsetzungsvermögen. Dies hat sie als Konzernchefin beim größten US-Telekomausrüster Lucent Technologies bewiesen.

Seit Januar 2002 trieb sie die Sanierung von Lucent in der für die Telekommunikations-Branche schlimmsten Geschäftsphase erfolgreich voran. Russo soll Chefin des geplanten Weltmarktschwergewichts Alcatel-Lucent mit Sitz in Paris werden, falls die als "Fusion Gleicher" deklarierte transatlantische Ehe mit dem französischen Telekomausrüster Alcatel von den Aktionären beider Firmen und den Aufsichtsbehörden genehmigt wird. Alcatel-Chef Serge Tchuruk (68) ist als Verwaltungsratsvorsitzender vorgesehen. Der Wert der Transaktion wird auf rund 13,4 Milliarden Dollar beziffert.

Zehn Prozent der Mitarbeiter müssen gehen

Russo wird dann ein Unternehmen mit 21 Milliarden Euro Umsatz, nach bisherigem Stand rund zwei Milliarden Euro Gewinn und 88.000 Mitarbeitern führen. Allerdings sollen mehr als zehn Prozent und damit fast 9000 Beschäftigte innerhalb von drei Jahren ihre Stellen verlieren. Dabei sind jährliche Synergien von 1,4 Milliarden Euro vorgesehen. Die Haupteinsparungen sollen in den ersten zwei Jahren erfolgen.

Bei Lucent Technologies hatte Russo die Belegschaft halbiert. Sie ließ zahlreiche Werke schließen und richtete Lucent stärker auf das Internet und das Geschäft mit den Unternehmen aus. Allerdings blieb Lucent weit hinter dem auf Internet-Ausrüstungen konzentrierten Branchenführer Cisco Systems zurück. Die Firma leidet auch unter der Konkurrenz von Firmen wie Juniper Networks und neuen chinesischen Billiganbietern. Der Zusammenschluss von Alcatel und Lucent könnte nach Wall-Street-Spekulationen Telekom-Ausrüster wie Nortel Networks, Ericsson und Siemens in Zugzwang bringen.

Personalabbau in den USA einfacher

Als Hauptaufgabe wird Russo die schwierigen Personalkürzungen durchsetzen müssen, was in den USA wegen des fehlenden Kündigungsschutzes viel einfacher sein dürfte als in Frankreich mit viel strikteren Gesetzen. Die Amerikanerin will dabei "fair und ausgewogen" vorgehen. Überlappungen gibt es Branchenbeobachtern zufolge im Verkauf und Marketing, Werksschließungen sind offensichtlich ebenfalls geplant. Allerdings hielten sich Russo und Tchuruk noch zurück, wo genau der Rotstift angesetzt werden soll.

Lucent hatte gewaltige Milliardenverluste zu verkraften, bevor Russo das Steuer herumriss. Die Belegschaft wurde mehr als halbiert. Der Konzern hatte Anfang 2002 noch 62.000 Beschäftigte. Unter Russo ging der Stellenabbau dann rasant weiter: Lucent hat derzeit nur noch rund 30.000 Mitarbeiter. Die viel größere Alcatel beschäftigt rund 58.000 Mitarbeiter.

Russo, eine passionierte Golfspielerin mit Schul-Französisch-Kenntnissen, hatte zu Beginn ihrer Laufbahn zunächst acht Jahre lang bei IBM im Verkauf gearbeitet, ehe sie 1981 zum Telefonkonzern AT&T wechselte. Dort machte sie rasch Karriere. AT&T hatte seine große Telekom-Ausrüstungssparte 1996 als Lucent an die Börse gebracht und abgespalten. Die Managerin schied im August 2000 bei Lucent aus. Damals war sie Leiterin der Netzwerksparte. Nach einem Zwischenspiel beim Fotoriesen Eastman Kodak als für die Tagesgeschäfte verantwortlicher President kehrte sie Anfang 2002 als Konzernchefin zu Lucent zurück. Sie brachte das Unternehmen innerhalb von zwei Jahren auf Vordermann und wieder in die Gewinnzone.

Alcatel Deutschland tappt noch im Dunkeln

Die deutsche Tochter des Telekommunikationsausrüsters Alcatel hat noch keine Informationen über einen möglichen Stellenabbau nach der Fusion mit Lucent. "Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist noch nichts absehbar", sagte eine Sprecherin am Montag in Stuttgart.

Alcatel hatte Ende 2005 in Deutschland rund 5200 Beschäftigte, darunter 1600 Ingenieure. Deutschland ist nach Frankreich der zweitgrößte Entwicklungsstandort des Konzerns. Eines von weltweit sechs Forschungszentren ist in Stuttgart angesiedelt. Weitere Standorte sind im thüringischen Arnstadt, in Berlin, Bonndorf (Baden-Württemberg) und Hannover. Im vergangenen Jahr wurde ein Umsatz von 1,3 Milliarden Euro (2004: 1,2 Milliarden) erzielt.

Ein Schwerpunkt der deutschen Alcatel-Tochter mit Hauptsitz in Stuttgart ist die Entwicklung von Leit- und Sicherungstechnik für Bahnen im Fern- und Nahverkehr. Seit dem 1. April ist Wolfgang Weik neuer Chef von Alcatel in Deutschland. Er rückte auf den Posten von Reinhard Hutter. (dpa/tc)