Patient DV-Anwender: Seehofer, wo bist Du?

14.08.1992

Von den Zahnärzten erwartet niemand, daß sie sich für die Kürzung der Abrechnungssätze bei zahnärztlichen Leistungen aussprechen, wie auch den Chemiekonzernen und Pharmaherstellern nicht unterstellt wird, sie würden insgeheim den Zeiten der Naturheilkunde nachtrauern. Kritiker verlangen von der Regierung jedoch zu Recht eine klare Entscheidung: Der Gesundheitsminister solle Maßnahmen zur Kostendämpfung einleiten. Gründe genug gibt es: Die Finanzierung unseres medizinischen Versorgungssystems ist nicht mehr gewährleistet - ganz abgesehen davon, daß die Menschen wohl im Durchschnitt älter, trotz des enormen Technikeinsatzes in der Medizin aber nicht gesünder werden. Dies ist kein Versuch, es den Medizin- und Kassenkritikern gleichzutun. In der CW geht es "nur" um DV-Probleme. Wieso sollen sich die Computerhersteller für Downsizing stark machen? Warum sollen die DV-Berater Computerabstinenz predigen? Wir müssen diese Fragen nicht beantworten - eine marode DV-Industrie steht vor dem Kollaps, aus Anwendersicht ist die Komplexität der DV oft nicht mehr beherrschbar. Und das dauert. Und das kostet. Kritiker verlangen zu Recht ..., doch spätestens hier hören die Gemeinsamkeiten auf: Die Hackethals der DV sind nicht in Sicht.

Nun sollte man allerdings den Analogie-Bogen nicht überspannen. Es geht nicht um Moral, nicht einmal um einen Ehrenkodex. Die Frage muß indes erlaubt sein, von wem klare Entscheidungen in Sachen "vertretbarer DV-Einsatz" verlangt werden können, wer darüber zu befinden hat, was es heißt, einen guten Job in der DV zu machen. Seehofer, wo bist Du?

Falsch wäre die Annahme, es fände in den Unternehmensleitungen, bei den Topmanagern, eine permanente Entwicklung zu mehr Mündigkeit, zu mehr Transparenz in der Entscheidungsfindung statt. Das Gegenteil ist leider richtig, wie das Outsourcing-Phänomen zeigt: Das Management kapituliert vor der DV-Bürokratie. Schwülstige PR der Outsourcing-Anbieter verschlimmert das Übel - fehlte noch, daß sich gerade diejenigen Hardwarehersteller, die mit dreistem Overselling zu der Misere beigetragen haben, als Retter aufspielen.

Nein, die DV Industrie handelt, solange man sie läßt, wie die Pharmabranche. Das ist legitim. Wie es auch verständlich ist, daß sich die "Ärzte" (die DV-Berater, die DV/Org.-Spezialisten beim Anwender) am Einkommenszuwachs orientieren. Zum Weinen wird die Geschichte, wenn wir sehen müssen, welche Verrenkungen viele Anbieter und Berater anstellen, um sich als wahre Anwenderfreunde zu präsentieren Fazit: Wir brauchen keine DV-Hackethals. Viel wäre gewonnen, wenn es die Unternehmer, die Topmanager verhinderten, daß sich die DV-Anbieter zu mausig machen.