Insbesondere die Rolle von SAP SI ist umstritten

Partner rätseln über SAPs Servicestrategie

07.03.2003
MÜNCHEN (jha) - Das Verhältnis der SAP zu ihren Servicepartnern bleibt gespannt. Nachdem der Softwareriese die im letzten Jahr aufflammende Kritik an der Einrichtung der weltweiten Beratungseinheit Global Professional Service Organisation (GPSO) eindämmen konnte, sorgt nun die Rolle der Servicetochter SAP SI für Verdruss.

Den offenen Konflikt scheuen sowohl die Partner als auch die SAP. Regelmäßig beteuern Topmanager aus Walldorf, die SAP sei ein Produkthaus und wolle im Lizenzgeschäft wachsen. Gleichzeitig stieg der Serviceanteil an den Gesamteinnahmen kontinuierlich und SAP rückte mittlerweile zum fünftgrößten deutschen IT-Dienstleistungshaus hinter T-Systems, Siemens Business Services (SBS), IBM Global Services und EDS auf. "Ich schätze, dass die SAP derzeit rund 25 bis 30 Prozent des SAP-Servicemarktes bedient", vermutet Jean-Christian Jung, Analyst bei dem Münchner Marktforschungshaus Pierre Audoin Consultants (PAC). "Der Marktanteil hat ein wenig zugenommen, weil andere Häuser Kapazitäten abgebaut haben."

Die IT-Berater leiden derzeit besonders unter der wirtschaftlichen Flaute. Da schmerzt es umso mehr, dass SAPs Serviceeinheit vor Gesundheit strotzt und Henning Kagermann, Co-Vorstandssprecher des Gesamtunternehmens bei der Präsentation der Zahlen eine volle Auslastung der Berater melden kann. Mit der Faust in der Tasche äußern die Partner Verständnis für den Schritt der SAP, eine weltweite Serviceeinheit zu etablieren. Nur leise Kritik klingt an, wenn Roland Popall, Vorstand Vertrieb Marketing und Public Relations bei dem SAP-Alliance-Partner Lynx-Consulting, sagt: "Die SAP sucht die Nähe zum Markt, um ihre Erfahrungen aus dem Projektgeschäft in die Produktentwicklung einfließen zu lassen und Verbesserungspotenziale für die Software auszumachen. Gegen derartige Motive ist nichts einzuwenden. In letzter Zeit hat die SAP jedoch das Servicegeschäft spürbar ausgeweitet."

Startvorteil für SAP

Dabei agiert SAP aus einer komfortablen Position heraus, wie Roland Noll weiß: "Die SAP hat in Deutschland einen sehr guten Kundenzugang und bekommt genau mit, in welchen Unternehmen was und wann läuft. Die SAP wird selten von neuen Projekten der Partner überrascht. Meistens ist sie frühzeitig im Bilde", berichtet der Sales Director und verantwortliche Manager für das SAP-Alliance-Management bei CSC Ploenzke. Strategische Vorhaben, in denen neue Lösungen eingeführt werden sollen oder das Renomee von SAP auf dem Spiel steht, betreibt sie mit Vorliebe selbst. Zwar entscheidet im Prinzip der Kunde, wer bei seinem Vorhaben zum Zuge kommt. Sanfter Druck aus Walldorf ist aber nicht auszuschließen: "Hier und da äußern wir den Wunsch, dass wir gerne Teile des Projekts übernehmen möchten", schildert Stefan Gruler, Mitglied der SAP-Geschäftsleitung und Leiter der GPSO für Deutschland und Emea (Europa, Mittlerer Osten und Afrika).

Erst kürzlich wurden die Neuorganisation der deutschen, 2200 Mann starken Beratungseinheit abgeschlossen und die Consultants in einer eigenen Line of Business unterhalb der GPSO zusammengezogen. Damit wurden zwar offiziell Vertrieb und Consulting getrennt, doch inoffiziell soll weiterhin die Order gelten, Services aktiv zu verkaufen. Auch wenn die SAP-Verantwortlichen beteuern, das Einnahmenverhältnis zugunsten des Lizenzgeschäfts zu verschieben (angestrebt ist eine Quote von 70 zu 30), schließt dies ein Wachstum der Dienstleistungsumsätze nicht aus. In dem derzeit schwierigen Markt gehen Mehreinnahmen zu Lasten der Partner.

SAP SI ungern gesehen

Dennoch haben sich die Partner mittlerweile mit der GPSO arangiert und streben eine friedliche Koexistenz an, indem Projekte gemeinsam betrieben werden. Im SAP-lastigen deutschen IT-Markt bleibt ihnen auch kaum eine Alternative. Das aktuelle Ärgernis für die Partner sitzt in Dresden. Von der SAP SI fühlen sich die IT-Beratungshäuser derart gepiesackt, dass auf den vom SAP-Alliance-Management veranstalteten Strategie-Meetings mit den Partnern schon das eine oder andere Mal Streit über die Rolle der 67-prozentigen SAP-Tochter entbrannte. "Die SAP SI ist in der Branche nicht gern gesehen", äußerte sich ein Partner verschnupft. Die Dresdener haben im Verlauf der letzten Jahre so konsequent ihr Portfolio ausgebaut, dass sie es mit jedem unabhängigen Beratungshaus aufnehmen können. Neben Implementierungsprojekten, Customizing und Individualentwicklung bieten sie auch Outsourcing- und ASP-Dienste an. "Damit ist SAP SI im angestammten Markt der IT-Beratungshäuser aktiv", erklärte PAC-Analyst Jung.

Dort angekommen, muss sie nun eigene Kundenakquise betreiben, denn: "Mit der Gründung der Global PSO ist die SAP SI in der SAP-internen Supply Chain eine Stelle nach hinten gerutscht", erläutert Ferri Abolhassan, Vorstandssprecher von IDS Scheer. "Das bedeutet, dass sie nun verstärkt selbst Vertriebsaufgaben wahrnehmen muss, damit ihre Leute ausgelastet sind." Dabei zehrt SAP SI von den guten Verbindungen ins Stammhaus. Offen räumten Verantwortliche in der Vergangenheit ein, in den SAP-internen Informationsfluss eingebunden zu sein und einen direkten Draht zu den Entwicklungslabors zu haben.

Das scheint sich auszuzahlen, denn bei einem Umsatz von annhähernd 300 Millionen Euro im vergangenen Jahr kann das Unternehmen auf eine operative Gewinnspanne von 11,3 Prozent verweisen. "Im zweiten Halbjahr, nach der Umstrukturierung, belief sich die Operating-Profit-Marge auf 15,4 Prozent", verriet Bernd-Michael Rumpf, Vorstandsvorsitzender der SAP SI AG. "Wir erwarten für das Geschäftsjahr 2003 lediglich ein moderates Umsatzwachstum im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Das Ergebnis vor Steuern und Zinsen soll zwischen zwölf und 14 Prozent vom Umsatz liegen." Das sind Werte, von denen die meisten unabhängigen Dienstleister zurzeit weit entfernt sind.

Die Dresdener Tochter bleibt eine Ungereimtheit in der SAP-Strategie, Services nur als das Lizenzgeschäft stützende Säule zu betreiben, denn das börsennotierte Unternehmen beschränkt sich nicht darauf, strategische SAP-Projekte zu gewinnen. Im Aufsichtsrat sitzen SAP-Größen wie Kagermann oder Vertriebschef Léo Apotheker. Bislang haben sie die Tochter nicht in ihrem Aktionskreis eingeschränkt. "Im Hinblick auf die zukünftige Servicestrategie wünschen sich die Partner einen offenen Dialog", sagte Lynx-Vorstand Popall.

Abb: SAPs Serviceeinnahmen

Ein stetiges Wachstum verzeichnete die SAP in den letzten Jahren weltweit mit Services. Quelle: SAP