Entwicklungsumgebung für Client-Server-Anwendungen vorgestellt

Parc Place geht europäische Großkunden künftig direkt an

18.01.1991

MÜNCHEN (CW) - Ihre Europazentrale hat die in Sunnyvale, Kalifornien, ansässige Parc Place Systems Inc. jetzt in München eröffnet. Neu in der Produktpalette ist die Entwicklungsumgebung Visual Works. Wie die Kalifornier ferner bekanntgaben, haben sie kürzlich die Geschäftseinheit für objektorientierte Software von der Solbourne Computer Inc. übernommen.

Bislang in Europa ausschließlich über Distributoren vertreten, will Parc Place mit der Gründung der Münchner GmbH seine internationale Präsenz verstärken. Geschäftsführer ist Klaus Ermecke, der gleichzeitig zum European Managing Director ernannt wurde. Die deutsche Niederlassung ist zunächst für die Schweiz, Österreich, die Benelux-Länder und die Tschechoslowakei zuständig; später sollen Großbritannien, Frankreich, Schweden, Dänemark, Norwegen, Finnland und Italien dazukommen.

Allerdings will die neugegründete GmbH nur Großanwender direkt betreuen. Daneben ist geplant, die Zusammenarbeit mit Distributoren im deutschsprachigen Raum noch zu verstärken.

Parc Place Systems wurde 1986 von Smalltalk-Entwicklerin Adele Goldberg als Geschäftseinheit des Xerox Palo Alto Research Center (Parc) aus der Taufe gehoben und firmiert seit 1988 unter seinem jetzigen Namen. 20 Prozent der Anteile liegen bei Xerox, acht Prozent hält die Cap Gemini Sogeti (CGS); der Rest verteilt sich auf die Gründerin, weitere Mitarbeiter sowie einige Risikokapitalgesellschaften.

Zum 31. März 1992 schloß das Unternehmen sein erstes profitables Geschäftsjahr ab. Der Umsatz lag bei rund acht Millionen Dollar und entspricht einer Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr. Die Anzahl der Mitarbeiter hat mit der Steigerung der Einnahmen Schritt gehalten: 70 Köpfe zählte das Unternehmen Ende März, mittlerweile sind es mehr als 100 Beschäftigte. Bis zum Ende des laufenden Jahres soll deren Zahl auf 120 wachsen, wobei ein Umsatzvolumen von 15 Millionen Dollar geplant ist.

Die Produktpalette des Unternehmens umfaßt zwei Linien mit gemeinsamen Technologiekomponenten, aber für unterschiedliche Zielmärkte, nämlich die Smalltalk-Produktfamilie für kommerzielle Anwendungen und die C + +-Familie für überwiegend technisch-wissenschaftliche Applikationen. Neu ist die ab sofort verfügbare objektorientierte und für Client-Server-Anwendungen konzipierte Entwicklungsumgebung Visual Works.

Das neue Produkt ist für die Erstellung grafischer Benutzeroberflächen, die Anbindung marktgängiger Datenbanksysteme sowie die Erarbeitung und Wiederverwendung der Applikationslogik ausgelegt. Es unterstützt C+ + und/oder Smalltalk. Durch die Nutzung einer Virtuellen Maschine laufen mit Visual Works erstellte Anwendungen, so der Hersteller, ohne Neukompilierung auf Windows-PCs, Macintosh-Rechnern, Sparc- und DEC-Stations sowie auf HP 9000 Serie 700 und auf RS/6000.

Nach Angaben des Europa-Chefs Ermecke zielt das Produkt auf zwei Gruppen von Kunden: zum einen auf Softwarehäuser, zum anderen auf Großunternehmen, die ihre Schlüsselanwendungen auf eine Client-Server-Basis stellen wollen. Präsident und CEO William Lyons, zuvor Chairman und CEO bei Ashton-Tate, ergänzt: "Eine IDC-Umfrage unter US-Großunternehmen vom April dieses Jahres hat gezeigt, daß rund 70 Prozent der befragten Cobol-Anwender den Einsatz von Objekt-Technologie erwägen oder bereits erproben." Dieses Potential wolle Parc Place Systems erschließen.

Sein Software-Angebot auf Basis der Programmiersprache C+ + erweitert das Unternehmen durch die Übernahme der Solbourne-Geschäftseinheit. Mit den Produkten Object Interface und User Interface Builder lassen sich komplexe grafische Benutzerschnittstellen entwickeln, die dynamisch zwischen OSF/Motif und Open Look umschalten können.

Daneben gab das Parc-Place-Management jetzt bekannt, daß es ein Lizenzabkommen mit IBM geschlossen habe. Diese Vereinbarung erlaube dem Branchenriesen die Nutzung von Smalltalk sowie von weiteren Elementen der Parc-Place-Entwicklungsumgebung.