Bedarf nach hoher Rechenleistung steigt ständig:

Parallelrechner in der kommerziellen Datenverarbeitung

15.02.1985

Die heute installierten Vektorrechner werden vor allem in naturwissenschaftlichen Bereich eingesetzt. Aber auch in der kommerziellen Datenverarbeitung wächst der Bedarf an Rechnerleistung ständig. Sind Supercomputer auch hier verwendbar?

Vektorrechner gehören zur Gruppe der Supercomputer, die gemäß aktueller Definition mehr als 100 Millionen Rechenergebnisse in der Sekunde liefern können. Damit werden die schnellsten Universalrechner um zwei Größenordnungen übertroffen.

Der Einsatz dieser Vektorrechner liegt derzeit im technisch-wissenschaftlichen Bereich vor allem auf den Gebieten:

- Wettervorhersage und Klimaforschung

- Exploration von Lagerstätten

- Strukturberechnungen beispielsweise im Automobilbau

- Aerodynamik

- Simulation und Auslegung elektronischer Schaltkreise

- Physikalische und chemische Grundlagenforschung

- Computer Aided Engineering

Die erfolgreiche Anwendung auf diesen Gebieten ist dadurch begründet, daß die jeweiligen Problemstellungen theoretisch gut verstanden und durch mathematische Modelle formuliert sind, die sich für den Einsatz auf Vektorrechnern besonders gut eignen.

Wodurch erreicht nun ein Superrechner seine große Rechengeschwindigkeit? Die Leistungssteigerung der neuen Rechner ist nur in geringem Umfang durch technologische Verbesserungen der Chip-Bausteine zu erklären. Weit wirkungsvoller sind architektonische Maßnahmen mit dem Ziel, möglichst viele Systemkomponenten parallel arbeiten zu lassen.

Charakteristisch für Supercomputer wie beispielsweise der Cyber 205 ist die Aufteilung in einen Skalar- und einen Vektorprozessor, die unabhängig und gleichzeitig arbeiten können. Der Skalarprozessor ist praktisch ein konventioneller Großrechner. Das große Leistungspotential beruht aber auf der Fähigkeit des Vektorprozessors, nicht nur einzelne Operanden, sondern ganze Felder von bis zu 65 000 Operanden mit einem einzigen Hardware-Befehl zu verarbeiten. Solche Felder von Zahlen, Zeichen oder Bits werden als Vektoren bezeichnet. Zurück zur Frage der Anwendungsmöglichkeiten. Prinzipiell kann jedes Programm auf einem Vektorrechner laufen. Aber nur unter bestimmten Bedingungen wird man eine wesentliche Steigerung der Laufgeschwindigkeit gegenüber konventionellen Computern erreichen: Das Programm muß in seinen entscheidenden, das heißt laufzeitbestimmenden Teilen "vektorisierbar" sein. Gewiß sind die heutigen Supercomputer auch in ihrer Grundgeschwindigkeit schneller als konventionelle Rechner, aber die Anschaffung oder die Benutzung im Rechenzentrums-Service lohnt sich erst dann, wenn die enorme Leistung des Vektormodus ausgenutzt werden kann.

Kommerzielle Datenverarbeitung im Sinne von Rechnungswesen und Buchhaltung zeichnet sich weniger durch CPU-intensive Algorithmen als vielmehr durch intensive Datenbank-Zugriffe sowie große Mengen von Einzeloperationen aus. Die Addition der Einkommen aller bundesdeutschen Haushalte wäre mit einem Supercomputer in weniger als einer zehntel Sekunde erledigt - aber damit wäre der kommerziellen Datenverarbeitung wenig geholfen. Hier ist der sinnvolle Einsatz von Vektorrechnern mit den heute verfügbaren Programmen schwer vorstellbar.

Dennoch gibt es Einsatzbereiche für diese Giganten, die über die obengenannten klassischen Gebiete hinausgehen. Und dies nicht nur in der Filmindustrie, die sich neuerdings solcher Rechner bedient, um Bilder für Science-fiction-Filme und Werbespots zu erzeugen. Die Herstellung von komplexen Bildern ist erstaunlich rechenintensiv: Zum Drehen eines 90-Minuten-Films benötigt ein Filmstudio ein halbes Jahr trotz des Einsatzes eines schnellen Vektorrechners.

Auch die Ökonomen wenden sich dem Rechenriesen zu, um ihre immer komplexer werdenden Modelle mit genügender Genauigkeit und in vertretbarer Zeit durchrechnen zu können. Dabei wird beispielsweise die Volkswirtschaft eines Landes in Hunderte von mathematischen Gleichungen abgebildet, die die wirtschaftlichen Zusammenhänge widerspiegeln. Ergebnisse der Modellrechnung: Kurz- und mittelfristige Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung sowie Auswirkungen bestimmter Maßnahmen der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik.

Ganz ähnlich gelagert (und ähnlich komplex) ist die Simulation von Öko- und Biosystemen. Das Weltmodell das vor zehn Jahren durch den Club of Rome bekanntwerden, ist ein Beispiel für eine solche Simulation. Die damaligen Modellrechnungen sagten den Zusammenbruch des Industriesystems und die drastische Abnahme der Weltbevölkerung in Abhängigkeit von Umweltverschmutzung, Rohstoffverbrauch, Nahrungsmittel- und Industrieproduktion voraus.

In den beiden genannten Bereichen wird noch viel Arbeit in die Verbesserung der zugrunde liegenden Modelle investiert. Es steht jedoch fest, daß jede Verbesserung einer Vorhersagegenauigkeit ähnlich wie in der Meteorologie auch einer erhöhten Rechnerleistung bedarf. Dort führt zum Beispiel die Verfeinerung des über das Vorhersagegebiet gelegten Netzes auf halbe Abstände und die gleichzeitige Halbierung der gerechneten Zeitabstände zu einem achtmal höheren Rechenbedarf, wobei die Ergebnisse in derselben Zeit zur Verfügung stehen müssen.

Hier wie in den anderen genannten Anwendungsgebieten wird auch in Zukunft der Bedarf nach den jeweils schnellsten Superrechnern bestehen bleiben. Und neue Anwendungsmöglichkeiten werden sicher nicht auf sich warten lassen.

*Dr. Jürgen Pampus leitet bei der Control Data GmbH, Frankfurt, den Fachbereich Systemsoftware.