Papierflut im Unternehmen: Die Spreu vom Weizen trennen

13.07.1984

Immer erdrückender wird die Sturzflut von Informationen, die täglich über die bundesdeutschen Unternehmen hereinbricht. Der Löwenanteil davon flattert in schriftlicher Form ins Haus und stapelt sich in den verschiedenen Abteilungen. Angesichts eines solchen Überangebots nicht den Blick für das wirklich Wichtige zu verliieren, ist oft nicht einfach. Karl H. Heinze von der Polychrome GmbH, Osterode, gibt deshalb in der Praxis erprobte Tips, wie sich der Papierkrieg minimieren läßt. Dialog-Datenverarbeitung und Mikroverfilmung möchte Klaus-Dieter Müller, Leiter Org./DV bei der Hermann Waldner GmbH & Co. in Wangen durch eine Verdichtung der Informationen, unterstützt wissen. Einig sind sich die Befragten, daß der riesige Berg von Fachpublikationen eines der Hauptprobleme darstellt. Oberstes Gebot müsse deshalb sein, aus dem breiten Literaturangebot eine kritische Auswahl zu treffen.

Reiner Jirsa

DV-Leiter, Dogmoch GmbH, Ypsilon Vertriebs GmbH, Ludwigshafen

Informiert sein ist alles, egal wie und wo, von wem und in welchem Umfang. So oder ähnlich lautet der Tenor der betreffenden Personen, die sich tagtäglich von der Papier und Informationsflut überrollt sehen. Selbst beim Herausfiltern von Informationen, die für das eigene Aufgabengebiet interessant erscheinen, bleibt ein immenses Volumen an Material übrig, das ohne entsprechenden Zeitaufwand kaum zu bewältigen ist.

Diese gekürzten Informationsdaten müssen dann an Dritte (Enduser) so vermittelt werden, daß sie ohne Angstsyndrome - aber auch nicht mit zu hohem Erwartungshorizont - sinnvoll genutzt werden können. Das rasante Tempo der DV-Entwicklung der letzten Jahre hat manchen Benutzer ohnehin an eine Grenze der Belastbarkeit geführt. Dadurch ist nunmehr ein Punkt erreicht, der es erforderlich macht, die Informationsflut in einen überschaubaren Rahmen zu setzen. In unserem Unternehmen wird die Informationsflut wie folgt gebändigt:

Fachzeitschriften werden überflogen und die für uns interessanten Themen mit Farbstift gekennzeichnet. Das gleiche gilt mit Informationsmaterial wie beispielsweise Broschüren von Herstellern von Zubehör, Hard- oder Software. Anschließend wird das so vorsortierte Material nach folgenden fünf Kriterien in Ordnern zusammengefaßt: Hardware,

Software, Zubehör, Druck und Papier und sonstiges. Jede Informationseinheit wird unter dem entsprechenden Oberbegriff mit fortlaufenden Nummern und Titelbezeichnungen versehen, die in einer erstellten Info-Datei wieder auffindbar und jederzeit ergänzbar ist. Auf diese Art und Weise ist ohne großen Zeitaufwand eine gezielte Informationsaufnahme möglich.

Durch Änderung, Ergänzung oder Neuinstallation von Hard- und/oder Software ergibt sich meist auch eine Umstellung der Ablauforganisation. Die Information an die Benutzer, wer wann und wie informiert werden soll oder muß, erfordert deshalb genaueste Planung und Abstimmung mit den verschiedenen Bereichen. Schon bei kleineren Betrieben ist eine zentrale Anlaufstelle von größtem Vorteil, die die Daten und Informationen koordiniert und weiterleitet. Empfehlenswert ist ein Gremium mit den verantwortlichen Personen der verschiedenen Bereiche, das die entstehende Änderung festlegt und dann dem betreffenden Personenkreis weitervermittelt. Dies bedeutet beispielsweise, daß der Verkauf aufgrund der eingetretenen Änderung anders informiert werden muß als der Einkauf oder das Lager.

Daten-Output - egal ob in Papierform, in Mikrofiches oder Bildschirmanzeigen - wird heute in fast jedem Unternehmen in riesigem Umfang produziert. Um diese Datenflut bewältigen zu können, müssen Prioritäten gesetzt werden, die von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich sind. Soll zeitlich aktuell gehandelt werden, so kommt es in erster Linie darauf an, sich nur auf die wesentlichen Daten zu beschränken. Sie müssen sofort und exakt analysiert und flexibel umgesetzt werden, bevor Tage später der Ausgangspunkt bereits ein anderer ist. Darüber hinaus spart diese Vorgehensweise Kosten für Papier oder andere Datenträger. Andererseits sollte in regelmäßigen Abständen auf eine tiefergehende Analyse von Daten in ihrem Gesamtzusammenhang nicht verzichtet werden.

Doch trotz obiger Ausführung muß man sich darüber im klaren sein, daß bei stetig anwachsender DV-Entwicklung die Papier- und Informationsflut Schritt hält.

Karl H. Heinze Leiter AV, DV und Org., Polychrome GmbH, Osterode

Wer leidet nicht ständig unter dem Gefühl, durch die kontinuierliche Schwemme von Informationen und Eindrücken im wahrsten Sinne des Wortes überflutet zu werden und somit das eigentlich Wichtige gar nicht mitzubekommen?

Fortwährend muß man sich mit täglichem Kleinkram wie seitenlangen Aktennotizen, externen inhaltslosem Schriftverkehr, nichtssagender Fachliteratur wie auch diversen Aufsätzen, Berichten und Leserbriefen plagen. Muß das wirklich sein? Ich meine, auch hier sollte jeder versuchen, mit der ihm zur Verfügung stehenden kostbaren Zeit und seinem leider nur im begrenzten Umfange vorhandenen geistigen Potential nach dem Wirtschaftlichkeitsprinzip zu handeln. Wem dieses zu theoretisch ist, beherzige folgende Vorschläge aus der Praxis:

- Man beschränke den Schriftverkehr auf das Notwendigste, internes Hin- und Hergeschreibsel ist zu unterlassen, gegebenenfalls befindet sich das Telefon in erreichbarer Nähe. Muß man doch einmal zur Feder greifen, erfüllen stichpunktartige Notizen ihren Zweck.

- Der Besuch von Messen ist zu unterlassen. Begründung: Inmitten einer schier unerschöpflichen Fülle von Werbematerial, das man einsammelt, hat man das trügerische Gefühl, nun klüger zu sein als zuvor. Und was passiert mit dem Stapel Papier zu Hause? Nichts - außer daß man kostbarer Ablagefläche beraubt wird. Doch damit nicht genug. In der Hoffnung, Detailinformationen direkt vom Händler zu ergattern, verabredet man sich zu Gesprächen, die sich letzten Endes als "Kaffeekränzchen-Geplauder" herausstellen.

Fazit: Will man sich Zeit, Kosten und wunde Füße ersparen, empfiehlt es sich, das Angebot an regionalen Workshops und Seminaren wahrzunehmen. In der Regel geben diese Veranstalter kein inhaltsloses aufgeblähtes Wortgeplänkel weiter, sondern adressatengerechte Informationen, da dies Voraussetzung für die Erhaltung ihrer Konkurrenzfähigkeit und damit Existenzfähigkeit ist.

- Als empfehlenswert hat sich auch die Zusammenarbeit mit externen Beratern herausgestellt, da diese die Funktion der Informationssichtung und -filterung übernehmen. Es ist aber darauf zu achten, daß man mit mindestens zwei verschiedenen externen Beratern Kontakt hält, da man sonst Gefahr laufen könnte, einseitig informiert und bewußt in bestimmte Bahnen gelenkt zu werden.

- Fehlinvestitionen kann man vermeiden, indem man nicht sämtliche auf dem Markt

angebotenen Fachzeitschriften erwirbt. Zum einem fehlt die Zeit, alles zu lesen, zum anderen werden die Themen in abgewandelter Form in jeder Zeitschrift behandelt. Folglich sind es nur redundante Informationen. Es ist vollkommen ausreichend, und man entgeht trotzdem der Gefahr der einseitigen Information, wenn man sich auf das Lesen von zwei bis drei Fachzeitschriften beschränkt. Hier sollte man den Inhalt der Zeitschriften nach Leitartikeln beziehungsweise Inhaltsverzeichnis zu studieren und nur auf ausgewählte Berichte näher eingehen.

Martin Gernhardt Leiter Verwaltung und Betriebsorganisation, Apotheken-Rechen-Zentrum

GmbH, Darmstadt

Das Problem der Papierflut im Unternehmen ist durchaus differenziert zu sehen. So hat man zumindest auf die internen Informationen am ehesten Einfluß und kann steuernd eingreifen. Die Daten aus dem internen Bereich, die zur Erfügung meiner Aufgaben wichtig sind, erreichen mich überwiegend in aufbereiteter und somit meist komprimierter Form. Die Form und die Intervalle werden in aller Regel von mir selbst vorgegeben, so daß ich sicher sein kann, keine wichtigen Informationen unbearbeitet vor mir herzuschieben.

Ganz anders stellt sich das Problem bei den externen Informationen. Hier erreicht die Flut mitunter Sturmflutcharakter und kann damit nicht immer schnell und vollständig bearbeitet werden. Reine Werbesendungen werden grob gesichtet und zu 90 Prozent der "senkrechten Ablage" anvertraut; die übrigen zehn Prozent werden sachgebietsbezogen abgelegt, da es sich um Angebote handelt, von denen man das Gefühl hat, sie irgendwann mal zu brauchen.

Das größte zeitliche Problem stellen die Zeitschriften, Magazine, Hauspostillen, Fachblätter und Newsletters dar, die durchweg als Fachliteratur auf den Schreibtisch kommen.

Von den zur Zeit 37 verschiedenen Blättern, die uns regelmäßig erreichen, sind nur etwa sechs tatsächlich abonniert; dazu kommen fast monatlich Neuerscheinungen als Probeexemplare. Alle haben auf ihrem Fachgebiet gute Beitrage, so daß man eigentlich alle regelmäßig zumindest durchstöbern muß. Und doch ist es bei dieser Menge nicht mehr möglich alle, nicht einmal alle interessant erscheinenden Artikel, zu lesen. Hilfreich ist hier für mich immer ein gut gegliedertes Inhaltsverzeichnis, aus dem die Thematik der einzelnen Beiträge klar hervorgeht.

Trotz allem werden bei uns regelmäßig eingehende Fachzeitschriften archiviert, so daß immer die Möglichkeit besteht, nachzulesen, wenn man auf einen bestimmten Artikel angesprochen wird, den man mal wieder prompt nicht gelesen hat.

Klaus-Dieter Müller Leiter Org./DV, Hermann Waldner GmbH & Co., Wangen

Wie bewältigen Sie die interne und externe Papier- und damit Informationsflut - man ist geneigt, eine solche Frage spontan mit den Schlagworten Mikroverfilmung und Dialog-Datenverarbeitung zu beantworten. Bei tieferem Nachsinnen allerdings kommt man sehr bald darauf, daß diese Verfahren nur eine Teillösung der gestellten Problematik darstellen.

Der Begriff "Informationsflut" drückt ein Mengenproblem aus. Zur Bewältigung der Informationsflut bedienen wir uns in erster Linie der Dialog-Datenverarbeitung, die es uns erlaubt, bis zu einem gewissen Grad auf umfangreiche EDV-Listen wie beispielsweise Baukasten-Stücklisten, Arbeitspläne, Auftragslisten oder Offene-Kosten-Listen zu verzichten. Der Zugriff erfolgt also gezielt auf die benötigte Information. Natürlich hat diese Methode auch einen Nachteil nämlich den, daß die Information nicht von alleine kommt. Sie hat also keinen Auslösungscharakter. Informationen, die bestimmte Maßnahmen auslösen sollen, werden sinnvollerweise weiterhin auf Papier gedruckt. Eine gut organisierte Dialog-Datenverarbeitung löst aber nicht nur das Mengenproblem "lnformation", sondern verbessert in erster Linie ganz wesentlich die Qualität der Information.

Eine weitere Möglichkeit zur Eindämmung der Informations- oder auch Papierflut sehe ich im sinnvollen Zusammenwirken der verschiedenen Organisationssysteme. So kann zum Beispiel bei einem Kostenrechnungssystem in der Finanzbuchhaltung viel mehr mit Sammelbuchungen operiert werden. Notwendige Detailinformationen können den vor- oder nebengelagerten Organisationssystemen entnommen werden.

Schließlich bleibt noch die Verdichtung der Informationen, entsprechend den Hierarchiestufen des Unternehmens, zu nennen. Dem Management sollten nur verdichtete Informationen geliefert werden, die allerdings jederzeit durch Einzelaufzeichnungen belegbar sein müssen. Der Informationsmanager muß seine Managementkollegen im Betrieb davon überzeugen, daß sie auf Einzelinformationen verzichten können.

Informationen kommen aber nicht nur aus dem DV-Bereich. So gibt es ganz sicher in jedem betrieblichen Berichtswesen eine Reihe von Ansatzpunkten, um auch hier die Informationsflut einzudämmen. Angefangen bei der Reduzierung des Verteilerkreises (Rückendeckungskopie nach oben) bis zu organisatorisch aufbereiteten Berichtsformularen, mit Checklistencharakter kann hier eine Menge erreicht werden.

Zeigen sich doch für die Bewältigung der internen Informationsflut einige Ansätze, so hat man auf die externe Informationsflut wesentlich weniger Einflußmöglichkeiten. Helfen kann hier eine klare Aufgaben- und Kompetenzenregelung im Unternehmen, die es der Poststelle ermöglicht, eingehende Informationen gezielt und ohne Umwege weiterzuleiten. Auch sind gut geschulte Sekretariate in der Lage, die Spreu vom Weizen zu trennen. Manager sollten sich von der Vorstellung trennen, unbedingt die Post der ihnen unterstellten Abteilungen sichten zu müssen.

Zur externen Informationsflut gehört auch die fast nicht mehr überschaubare Fülle an Wirtschafts- und Fachzeitschriften. Ich halte nichts von einer Reglementierung von "oben", wer was abonnieren darf, empfehle aber eine kritische Auswahl.