Basisstation BTS dient als Schnittstelle zum Netz

Paneuropäisches Mobilfunknetz soll bis 1995 ausgebaut werden

28.06.1991

Die Mobilkommunikation, einer der größten Wachstumsmärkte der Telekommunikation, wird durch ihre zunehmende Vereinheitlichung hohe Umsatzzuwächse und niedrige Marktpreise gleichermaßen bescheren. Im folgenden Artikel spannt Klaus Rohn* einen Bogen von dem in den fünfziger Jahren in Betrieb genommenen A-Netz bis zum paneuropäischen, digitalen und zellularen Mobilfunknetz der Zukunft.

Das erste deutsche Autotelefonnetz ging im Jahre 1958 als A-Netz in Betrieb. Alle Gespräche in diesem 10 000 Teilnehmer umfassenden ersten Netz waren noch handvermittelt. Sein Betrieb wurde 1977 eingestellt.

Der technische Fortschritt brachte 1972 das selbstwahlfähige B-Netz, das ebenso wie das A-Netz im 150-Megahertz-Bereich arbeitet. Mit einer anfänglichen Kapazität von 16 000 Teilnehmern wurde bald die Sättigung erreicht. Durch die Verdoppelung der Funkkanalpaare konnte 1980 die Teilnehmerkapazität auf 26 000 erhöht werden. Der Nachteil des B-Netzes ist, daß der Anrufer immer wissen muß, in welchem Funkbereich sich das Autotelefon bewegt. Der Vorteil liegt in der Kompatibilität zu den B-Netzen in Österreich, Luxemburg und den Niederlanden. Die Teilnehmer können ihre Endgeräte auch dort betreiben. Das B-Netz ist gegenwärtig noch in Betrieb und versorgt heute etwa 20 000 Nutzer. Es ist geplant, den Betrieb Mitte der neunziger Jahre einzustellen.

Das C-Netz ist das dritte Autotelefonnetz der Telekom. Mit seiner Einführung im Mai 1986 wurde in Deutschland die Ära der zellularen Netze eingeläutet. Sie bringen den Benutzern zahlreiche Vorteile. Die Teilnehmer müssen nicht mehr bekanntgeben, in welchem Bereich sie sich aufhalten; das C-Netz erkennt dies-bei eingeschaltetem Telefon - jederzeit selbständig. Wenn während der Fahrt von einer Funkzone in die andere gewechselt wird, so kann das Gespräch unbeeinflußt fortgesetzt werden. Die Steuerung des Netzes übergibt das Gespräch von einer Funkzone zur benachbarten. Die hohen Teilnehmerzahlen führen zu einem hohen Frequenzbedarf. Da das verfügbare Frequenzspektrum jedoch auf 222 Funkkanäle begrenzt ist, müssen die Frequenzen mehrfach verwendet werden. Dies ist der Ansatzpunkt für das Prinzip der zellularen Netze. Das zu versorgende Gebiet wird durch aneinandergrenzende Funkstationen, die sogenannten Funkzellen, versorgt. Dabei gibt es im C-Netz ein Grundmuster von sieben Zellen: Eine Zelle steht im Mittelpunkt und die restlichen sechs Zellen gruppieren sich darum. Diese Zellstruktur setzt sich über das gesamte abzudeckende Gebiet fort. In jeder der Zellen befindet sich eine Funkstation, die mit einer anderen Frequenzgruppe arbeitet. Diese Frequenzen werden in den benachbarten Zellmustern wiederverwendet.

Mobile Büros in Fahrzeugen

Das im 450-Megahertz-Band arbeitende C-Netz sollte anfangs für eine Kapazität von 100 000 Teilnehmern aufgebaut werden. Man hat jedoch schnell erkannt, daß eine Erweiterung notwendig ist. Die Freigabe neuer Frequenzen und der Aufbau kleinerer Zellen haben die Kapazität auf 600 000 Teilnehmer erweitert. Erstmals ist auch neben der Übertragung von Sprache die Datenkommunikation möglich. Telefax, Datenübertragung über Datex-P einerseits und über Modems bis zu 2,4 Kbit/s andererseits sowie Bildschirmtext stellen die wichtigsten Datendienste dar. Das mobile Büro mit Telefax, Laptop und Akustikkoppler im Auto ist die jüngste Errungenschaft auf der Basis dieses Funkdienstes.

Bei den Funktelefonen für das C-Netz kann der Mobiltelefonierer zwischen Geräten dreier Leistungsklassen auswählen:

- Das im Auto installierte Funktelefon sendet mit einer Leistung von 15 Watt. Dieses Telefon bietet die größte Reichweite, kann jedoch außerhalb des Wagens nicht betrieben werden.

- Das portable Funktelefon mit maximal 2,5 Watt Sendeleistung läßt sich auch außerhalb des Fahrzeugs benutzen. Im Auto installiert, wird seine Sendeleistung auf maximal 15 Watt erhöht.

- Handfunktelefone mit bis zu 0,75 Watt können aufgrund der Abmessungen und des geringen Gewichts bequem in der Mantel- oder Jackentasche mitgeführt werden. Die Reichweite sowie die Sprechzeit ist wegen der geringen Sendeleistung und der begrenzten Kapazität der Akkus jedoch eingeschränkt.

Jedes Mobiltelefon im C-Netz ist bundesweit über die einheitliche Vorwahlnummer 0161 erreichbar. Der Versorgungsgrad der alten Bundesrepublik beträgt zur Zeit 90 Prozent. Es ist geplant, das Gebiet der ehemaligen DDR bis Ende 1991 zu 60 Prozent abzudecken.

Die Teilnehmerzahl im C-Netz beträgt derzeit ungefähr 300 000. Monatlich kommen etwa 6000 bis 8000 neue Teilnehmer hinzu. Bleibt der Zuwachs konstant - und alles deutet darauf hin - dann ist die Kapazität des Netzes im Jahre 1994 vollständig ausgeschöpft. Weitere Teilnehmer können dann nicht mehr aufgenommen werden. Der Betrieb soll jedoch bis zum Jahre 2008 aufrechterhalten werden.

Bis dahin dürfte sich das digitale D-Netz längst etabliert haben. Das Mobilfunknetz der vierten Generation wird in diesem Jahr den Betrieb in Deutschland aufnehmen, wenn auch zunächst nur in den wichtigsten Wirtschaftszentren. Erstmals tritt damit an der Seite der Telekom ein privater Netzbetreiber auf: die Mannesmann Mobilfunk GmbH mit Sitz in Düsseldorf, die im Dezember 1989 die Lizenz zum Netzbetrieb erhielt. Das bedeutet, daß Mannesmann mit der Post in direkte Konkurrenz treten wird und sich jeder D-Netz Teilnehmer sein Netz aussuchen kann.

Eine Flächendeckung, die dem heutigen C-Netz entspricht, läßt sich bei den D-Netzen erst Mitte der neunziger Jahre erreichen. Daher werden die D-Netze mit dem heutigen C-Netz noch einige Zeit konkurrieren. Nach den Vorstellungen der Telekom können dann spätestens im Jahr 2000 in beiden D-Netzen etwa vier Millionen Teilnehmer telefonieren.

Hohe Frequenzökonomie beim digitalen GMS-Netz

Das paneuropäische digitale Zellularsystem ist das Funktelefonsystem der nächsten Generation, das seinen Betrieb in Europa in diesem Jahr aufnehmen soll. Es ist das Ergebnis der langjährigen Bemühungen von Regierungen, Industrie und Wissenschaft, ein vollständig digitales Zellularsystem der zweiten Generation bereitzustellen. Die Ziele dieses Programms waren von Beginn an klar definiert:

- Europäische Harmonisierung und Standardisierung,

- Einführung von neuen Leistungsmerkmalen,

- Erhöhung der Kapazität,

- Bereitstellung einer preisgünstigen Infrastruktur und

- Einsatz portabler Geräte

Der Aufbau dieses Mobilfunknetzes erfolgt nicht isoliert von den Nachbarn. Im Hinblick auf das Zusammenwachsen Europas in den neunziger Jahren haben sich die Telekom und ihre vergleichbaren Institutionen in den Nachbarländern schon frühzeitig Kriterien für ein europaweites, zellulares und digitales Mobilfunknetz für Europa erarbeitet.

Repräsentanten der europäischen Post- und Fernmeldeverwaltungen sowie anderer europäischer Netzbetreiber haben sich in einer Arbeitsgruppe mit dem Namen Groupe Speciale Mobile (GSM) zusammengetan. Diese Arbeitsgruppe hat sich zum Ziel gesetzt, im Juli 1991 mit der Einführung eines europaweiten Netzes zu beginnen, bis 1993 die europäischen Ballungszentren abzudecken und bis 1995 auch die europaweiten Verkehrswege mit dem digitalen Mobilfunkdienst zu versorgen.

Jeder GSM-Netzteilnehmer kann dann nicht nur in diesen Ländern mit seinem Mobilgerät telefonieren, er ist mit seiner persönlichen Telefonkarte auch überall erreichbar. Das digitale Mobilfunknetz kommt im Gegensatz zu analogen Varianten mit weniger Sendern und Empfängern in den Basisstationen aus.

Das schnelle Wachstum des Mobiltelefonmarktes erfordert immer höhere Systemkapazität. Durch die Anwendung digitaler Techniken mit hoher Frequenzökonomie sind digitale Zellularsysteme in der Lage, mehr Gespräche als bestehende Analogsysteme in einem vergleichbaren Bereich des Funkspektrums zu verarbeiten. Darüber hinaus wird die Sprachqualität wesentlich verbessert sein. Außerdem sind Datenübertragungen mit 9,6 Bit pro Sekunde möglich, die zusätzlich ISDN-Kompatibilität gewährleisten. Erstmals ist es auch möglich, alle Gespräche zu verschlüsseln.

Da man beim digitalen Mobilfunk ebenso mit dem zur Verfügung stehenden Frequenzband auskommen muß wie beim analogen Dienst, bedient man sich auch hier der Technik der Wiederverwendung von Frequenzen. Bei dieser Technik wird das Frequenzband ebenfalls durch Bildung von aneinanderliegenden Funkzonen beziehungsweise Funkzellen örtlich wiederholt. Bei der Generation der digitalen Netze hat man die Aussendung von Rufen an die Mobiltelefone auf ein Minimum reduziert. Die Mobilstationen brauchen nur zu bestimmten Zeiten ihre Empfänger einzuschalten, um einen eventuellen Verbindungswunsch zu erkennen. Diese Verfahrensweise bedeutet eine enorme Einsparung an Batterieleistung, wodurch die Stromspeicher in den Abmessungen klein gehalten werden können. Dies erlaubt den Herstellern, Funktelefone in der Größe von Taschenrechnern zu entwickeln. Künftig kann also jeder sein Telefon bequem in der Jackentasche mit sich tragen.

Enorme Einsparung an Batterieleistung

Bei ständig fallenden Preisen für die Endgeräte und immer leistungsfähigeren Netzen werden zum Ende dieses Jahrtausends etwa 16 Millionen Europäer an einem einzigen Funkdienst teilnehmen.

Einen wesentlichen Bestandteil des GSM-Netzes stellt die GMS-Basisstation - kurz BTS - als Schnittstelle zwischen dem mobilen Teilnehmer und dem Festnetz dar. BTS (Base Tranceiver Station) wird bisher ausschließlich von Motorola angeboten, entspricht allen anwendbaren GSM-Empfehlungen und übertrifft diese sogar teilweise. Die Architektur dieser Station basiert auf leistungsfähigen, fehlertoleranten Prozessorbaugruppen, leistungsfähigen Sende- und Empfangseinheiten sowie hochmodernen Bussystemen.

Das Fundament der Basisstation

Auf den fehlertoleranten Prozessorbaugruppen arbeitet ein mit 25 Megahertz getakteter Prozessor 68030 sowie zahlreiche Signalprozessoren der neuesten Generation. Die Hochgeschwindigkeits-Bussysteme stellen die interne Prozessorkommunikation und den Signalisierungsverkehr durch die Basisstation (BTS) sicher.

Grundsätzlich besteht die BTS aus:

- dem BTS-Gestell

- den Sende- und Empfangseinheiten (auch RCU = Radio Channel Unit)

- der Steuereinheit BCU (Base Control Unit) sowie

- Netzgeräten und Kühlventilatoren.

Das BTS-Gestell ist ein gegen elektromagnetische Störstrahlung abgeschirmtes Gehäuse das bis zu fünf Sende- und Empfangseinheiten aufnimmt. Es enthält außerdem einen Baugruppenrahmen, in dem die digitalen Baugruppen der BTS-Steuereinheit (BCU) untergebracht sind. Sogar ein Base Station Controller (BSC) kann im BTS-Gestell integriert werden. Er ist Bestandteil des GSM-Systems, der die integrierten und/ oder abgesetzten Basisstationen steuert.

Die Sende- und Empfangseinheit agiert im HF-Bereich. Acht Kanäle werden unterstützt. Die RCU besteht aus einem kombinierten Sende- und Empfangsteil (Transceiver), einem Leistungsverstärker und einem Netzteil, die gemeinsam ein kompaktes Modul bilden.

Die BTS-Steuereinheit kontrolliert die Basisstation und besteht hauptsächlich aus digitalen Baugruppen, die über einen gemeinsamen Bus verbunden sind.

Aufgrund des extrem hohen Dynamikbereiches vom Empfänger, der per Software gesteuerten Senderausgangsleistung, den automatisch einstellbaren Sendekopplern und der durch Software optimierbaren Empfindlichkeit der Empfänger sind keine manuell durchzuführenden Einstellungen in den ortsfesten Basisstationen erforderlich. Alle Signalverarbeitungs-Algorithmen können vom Betriebsführungszentrum aus in die jeweilige Basisstation geladen werden.

Anläßlich der CeBIT '91 haben die Telekom und Motorola erstmals digitalen Mobilfunk realisiert und die D-Netz-Technologie einem internationalen Publikum präsentiert. Das Vorführsystem bestand aus einer GSM-Basisstation, der dazugehörigen Basissoftware, einem Simulator für die Mobilvermittlung und zwei digitalen Mobiltelefonen.

Die Basisstationen sind für die Verbindung zum mobilen Teilnehmer verantwortlich und sorgen für das Weiterleiten der Gespräche zu den Mobilvermittlungsstellen. Diese Mobilvermittlungsstellen wiederum bilden die Schnittstelle zu den öffentlichen Fernmeldenetzen. Da die Verbindung zum öffentlichen Fernsprechnetz hergestellt war, konnte weltweit digital, dem GSM-Standard entsprechend, telefoniert werden.

Im Hinblick auf die Endgeräte läßt sich festhalten, daß rein äußerlich die neuen D-Netz-Telefone den Geräten der ersten Generation für 900-Megahertz-Systeme sehr ähnlich sind; die Technologie ist allerdings eine völlig andere.

Bedingt durch die komplexe neue Digitaltechnologie sind die ersten D-Netz-Handtelefone noch etwas voluminöser als die neuen kleinen Hand- und Taschentelefone für 900-Megahertz-Analogsysteme, beispielsweise in Skandinavien und Großbritannien. Aber schon die nächste D-Netz-Gerätegeneration, die für Ende 1992 zu erwarten ist, wird diesen kleinen Unterschied aufheben.

Die Kostenfrage läßt sich kaum beantworten

In der ersten Phase nach Netzeröffnung dürften allerdings nur Mobiltelefone zum Festeinbau und transportable Geräte verfügbar sein. Aufgrund der Systemspezifikationen werden die kompakten Handtelefone etwa vier bis sechs Monate später angeboten.

Die Frage nach den Kosten für digitales Telefonieren und nach den Endgerätepreisen ist im Moment noch sehr schwer zu beantworten. Grundsätzlich sind aus Sicht der Hersteller aufgrund der teuren Digitaltechnologie zumindest in der ersten D-Netz-Phase keine signifikant niedrigeren Gerätepreise zu erwarten. Primär wird der Endverbraucherpreis jedoch nicht vom Hersteller, sondern vom Netzbetreiber, seinen Diensteanbietern und den jeweiligen Handelspartnern beeinflußt und dies meist im Zusammenspiel mit dem Telefondienst und vielfältigen Zusatzdienstleistungen .

Die beiden Netzbetreiber Telekom (D1) und Mannesmann Mobilfunk (D2) werben mit Gerätepreisen von 2500 bis 3000 Mark in der Einführungsphase. Voraussetzung hierfür ist jedoch ein sofortiger und rascher Teilnehmerzuwachs in den D-Netzen, welcher von Anfang für Einkünfte aus dem Telefondienst und Zusatzdienstleistungen sorgt. Eine rasche Akzeptanz beim Endverbraucher in dieser Phase hängt jedoch im wesentlichen von der Flächendeckung des Netzes und von der Verfügbarkeit zusätzlicher Dienstleistungen ab. Die Geräte preise sind nur ein Teil dieses Gesamt-Dienstleistungspaketes und spielen somit auch nicht die wichtigste Rolle.

Es ist deshalb abzusehen, daß die Gerätepreise bis Ende 1992 relativ konstant bleiben werden. Wenn durch den zügigen Ausbau der D-Netze und einer entsprechenden Gebühren- und Servicepolitik die Mobilfunknutzer angesprochen werden, wird die Anzahl der Teilnehmer rasch steigen.

Von den daraus resultierenden höhere Produktionszahlen können dann die Kunden durch niedrigere Gerätepreise profitieren.