Erster Auftrag von einem Großkunden

Outsourcing-Zweig der IBM startet Offensive

21.06.1991

IRVING (IDG) - Kaum aus der Taufe gehoben, hat IBMs US-Tochtergesellschaft Integrated Systems Solutions Corp. (ISSC) auch schon einen der größten Verträge in der noch jungen Geschichte des Outsourcing abgeschlossen. Vertragspartner ist die Zale Corp., Irving/Texas, ein Juwelen-Großhändler, dessen Geschäftsvolumen die Milliarden-Dollar-Grenze weit überschreitet.

Die ISSC wird die gesamte Informationsverarbeitung der Zale Corp. übernehmen und auch den End-User-Support verwalten. Das in der Nähe von Dallas errichtete Zale-Rechenzentrum soll physikalisch bestehen bleiben und vom ISSC-Zentrum in Lexington/Kentucky aus betrieben werden. Angaben eines IBM-Sprechers zufolge macht das Outsourcing-Geschäft bei Zale insgesamt etwa 100 Arbeitsplätze überflüssig; diese Mitarbeiter sollen jedoch im Rahmen der Zale-ISSC-Kooperation an anderer Stelle weiter beschäftigt werden.

ISSC-Präsident Dennie M. Welsh spricht von einem Vertrag, der mehrere 100 Millionen Dollar wert sei. Wichtiger als der finanzielle Aspekt sei aber die Tatsache, daß sich die IBM-Tochtergesellschaft mit dem Zale-Kontrakt neue Marktperspektiven eröffnet habe.

Die Übernahme der DV-Abteilungen von Großhandelsgesellschaften verspricht Profit. Bisher hatten die Armonker in diesem Bereich keine größeren Outsourcing-Verträge abschließen können.

Großhändler hielten bis dato wenig davon, ihre Datenverarbeitung in fremde Hände zu geben. Zwar gibt es Ausnahmen wie die US-Unternehmen Brooks Brothers, die Addis & Dey Inc. oder die Southerland Corp., doch bleibt die Rate im Vergleich zu anderen Branchen wie dem Bankgewerbe oder dem Gesundheitswesen eher gering.

Handelskonzerne sind auf IT besonders angewiesen

Der Grund für diese Zurückhaltung liegt in der besonderen Bedeutung einer individuellen Informationsverarbeitung für den Erfolg eines Handelsunternehmens am Markt: Das möglichst kurzfristige Reagieren auf Marktbedürfnisse ist für die Geschäftsentwicklung entscheidend.

Bei Banken dagegen wird in verschiedenen Instituten oft mit den gleichen Hard- und Softwareprodukten gearbeitet - eine besondere Software, die Marktvorteile verspricht, ist besonders für mittlere Unternehmen kaum verfügbar.

Die Zale Corp. hat sich entgegen den Vorbehalten anderer Großhändler zu diesem Schritt entschlossen, weil sie von der Zusammenarbeit mit IBM neue Impulse für ihre Datenverarbeitung erwartet. Big Blue habe schließlich auch ein Interesse daran, erfolgreich im Retail-Geschäft zu bestehen, betont Zales Vice-President David Karney.

IBM soll Marktchancen von Zale verbessern

Er erwartet, daß die Armonker innovative Produkte für diesen Markt einbringen werden. Ein neues branchenspezifisches Informationssystem sowie eine Reihe von Point-of-Sales-Systemen hat das Unternehmen bereits vor kurzer Zeit installiert.

Verärgert reagierten nach Informationen der CW-Schwesterpublikation "Computerworld" Mitbewerber auf den unerwarteten Coup der IBM-Tochtergesellschaft: Mit dem Vorwurf, IBM sei ein unfairer und illegaler Wettbewerber, ersuchten sie das Department of Justice in Washington, Maßnahmen gegen Big Blue in die Wege zu leiten. Zu den Protestierenden gehört unter anderem die Affiliated Computer Services Inc., ein Wettbewerber von ISSC.