Demotivation ist das größte Risiko

Outsourcing: Wenn Mitarbeiter wechseln

22.03.2002
MÜNCHEN (jha) - Der verordnete Wechsel beim Outsourcing sorgt für viel Unmut in der Belegschaft, wissen die Betroffenen doch häufig nicht, was sie beim neuen Arbeitgeber erwartet. Mündet diese unsichere Situation in Kündigungen oder Arbeitsverweigerung, stehen Outsourcer und IT-Nutzer vor großen Problemen, weil die Qualität der IT-Leistungen leidet.

Der Schelte der IT-Branche über das kürzlich geänderte Gesetz BGB 613 a, das in der neuen Fassung eine Verschärfung der Informationspflicht beim Betriebsübergang vorsieht, mag sich Eberhard Schott nicht anschließen. Ganz im Gegenteil: Der Outsourcing-Berater begrüßt die restriktive Gesetzgebung. Der Zwang zur Offenheit gegenüber den Mitarbeitern, die vom Anwenderunternehmen zum Outsourcer wechseln sollen, "erhöht die Chance, dass wirklich alle Betroffenen tatsächlich den Arbeitgeber wechseln", erläutert Schott, einer der Partner des Mainzer Beratungshauses Eracon AG. "Eine offene Kommunikation mit den Mitarbeitern entspricht den Grundprinzipien des Change-Management und sollte bei Outsourcing-Vorhaben selbstverständlich sein."

Seine Dienste werden häufig dann von IT-Dienstleistern und Anwenderunternehmen nachgefragt, wenn die Auftraggeber vermeiden wollen, dass während der Übergangsphase einer IT-Abteilung in die Organisation des Outsourcers Mitarbeiter abspringen und sich einen anderen Job suchen. In den USA und Großbritannien, wo die gesetzlichen Richtlinien weniger eng gefasst sind, beträgt die Fluktuation beim Outsourcing zwischen 20 und 30 Prozent. "Im Zweifel sind das die besten Mitarbeiter", fürchtet Schott. Der Weggang dieser Experten wäre für Dienstleister und Auftraggeber schädlich, denn nur sie verfügen über das Wissen um den gewohnten, qualitativen IT-Betrieb und um die Prozesse beim IT-Nutzer, so dass sie auch Verbesserungen und Innovationen in die Wege leiten können. Zudem versprechen sich die Service-Provider durch die übernommenen Experten oftmals einen Kompetenzgewinn etwa bei Branchenlösungen.

Nährboden für Gerüchte und SpekulationenFür die Betroffenen ist Outsourcing immer ein Schritt in die Unsicherheit. Die Phase von der ersten Ankündigung des Managements, man werde die IT-Abteilung auslagern, bis zum tatsächlichen Betriebsübergang ist in der Regel sehr lang. In dieser Zeit entstehen Gerüchte darüber, wer "bleiben darf" und wer "gehen muss". Hinzu kommt, dass die Mitarbeiter über den neuen Arbeitgeber und die dort herrschenden Arbeitsbedingungen nur spekulieren können. Häufig werden in den Unternehmen unter der Hand viele Firmennamen gehandelt, noch bevor der Zuschlag erteilt wurde. Ist eine Entscheidung schließlich gefällt, kann der neue Arbeitgeber noch nicht gezielt informieren, weil ungeklärt ist, wer wechseln wird.

Die Unsicherheit erfährt zudem dadurch Nahrung, dass die gesetzliche Lage auch in der neuen Form durchaus Änderungen bei den Beschäftigungsverhältnissen zulässt. Paragraf 613 a verbietet zwar, Rechte und Pflichten aus Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen während des ersten Jahres zum Nachteil der Arbeitnehmer zu verändern, doch dann lassen sich Mitarbeiter an andere Standorte versetzen, was wiederum einige als Aufforderung zur Kündigung empfinden dürften. "Outsourcing heißt nicht zwangsläufig Arbeitsplatzabbau, ist aber oft mit der Veränderung der sozialen Standards verbunden", erläutert Otmar Dürotin, Projektleiter Telekommunikation, Informationstechnik und Mobilfunk (TIM) bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in Berlin. "Der neue Arbeitgeber garantiert zwar die Beschäftigung, aber häufig unter anderen Bedingungen."

Entlassungen sind seltenEntlassungen beim IT-Outsouring hat es verhältnismäßig wenig gegeben, nicht zuletzt deshalb, weil die Branche bislang Mitarbeiter gesucht hat. Die von den Auftraggebern meistens eingeforderte Kostensenkung erzielen die Anbieter zum Teil mit technischen Mitteln (Konsolidierung und Harmonisierung der IT, System-Management-Tools etc.). Im Personalbereich, in der Regel der größte Kostenblock, drängen die Service-Provider auf Effizienzsteigerung, "indem die übernommenen Mitarbeiter nicht nur in der IT-Umgebung des Ex-Arbeitgebers, sondern auch anderweitig eingesetzt werden", erläutert Schott. Gleichzeitig warnt er aber auch vor einem möglichen Schneeballeffekt: Dieses System funktioniere nur solange, wie der Markt und der Anbieter wachse und das Personal mit der Entwicklung oder dem Betrieb neuer Services ausgelastet sei.

Für den Oursourcer ist die Personalplanung eine Gratwanderung zwischen Effizienz und Qualität, denn wenn er zu viele Experten von ihrem angestammten Arbeitsumfeld abzieht, sinkt das für den Kunden erbrachte Serviceniveau. Derartige Maßnahmen werden daher meistens erst dann vollzogen, wenn die kritische Übergangsphase überstanden ist. Dennoch: Zu Beginn des Betriebsübergangs sind Leistungseinbußen hingegen kaum zu vermeiden. Weil in Deutschland die Bindung zwischen Unternehmen und Mitarbeitern stark und das Vertrauen der Angestellten in die Führungsmannschaft im internationalen Vergleich hoch ist, fällt die Enttäuschung nach dem unfreiwilligen Wechsel besonders groß aus. In dieser Zeit sind die IT-Experten mehr mit sich selbst als mit der Arbeit beschäftigt.

Der Wechsel ist auch deshalb gravierend, weil die Betroffenen in der Regel einen Kulturschock zu verdauen haben. Während sie als IT-Abteilung kollegialen Umgangston mit den IT-Nutzern pflegten, müssen sie nun als Dienstleister gegenüber alten Bekannten auftreten. Das dürfte bestimmt nicht jedem schmecken, denn unter den übernommenen Mitarbeitern werden sich auch immer solche befinden, die sich bei ihrer Stellensuche ganz bewusst gegen die Dienstleistungsbranche und für die IT-Abteilung eines Anwenderbetriebs entschieden haben.

Dienst nach Vorschrift kann drohenTrotz dieser enormen Belastung und der vielen Enttäuschungen hat Schott in seiner Laufbahn als Outsoucing-Berater bislang keine Sabotageakte gegen den alten Arbeitgeber feststellen können. "Deutsche Arbeitnehmer neigen nicht zu rabiaten Mitteln", beruhigt der Consultant. Szenen wie in Frankreich, wo sich die Unzufriedenheit der gewechselten Mitarbeiter darin entlud, das sie handgreiflich gegen Angestellte des neuen Arbeitgebers wurden, hält er hierzulande für undenkbar. Was es aber durchaus gibt sind Formen des passiven Protests, etwa indem die enttäuschten Mitarbeiter nur Dienst nach Vorschrift machen oder Arbeiten verweigern. "Frustration und Widerständen muss man mit gezielten Change-Maßnahmen begegnen", weiß Schott. "Hier zeigt sich die Qualität des Outsourcers."

Der Outsourcing-ParagrafDer Paragraf 613 a aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) regelt die Rechte und Plichten beim Betriebsübergang. Darin heißt es unter anderem, dass der Inhalt eines Arbeitsverhältnisses nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden darf. Auf Initiative des Arbeitsministeriums wurde der Gesetzestext kürzlich um zwei Absätz erweitert, und das hat für Ärger gesorgt. Denn das Riester-Ministerium passte den Paragrafen nicht nur einer EU-Richtlinie an, und weiterte die Informationspflicht der Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmern aus. Außerdem haben Mitarbeiter nun ein unbegrenztes Einspruchsrecht, wenn sie fehlerhaft über die sie betreffenden sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Folgen in Kenntnis gesetzt wurden. Darin geht der Gesetzgeber über die Forderungen der EU hinaus, und genau das kritisierten Arbeitgeberverbände und Arbeitsrechtler. Sie befürchten, dass die Folgen einer Betriebsauslagerung kaum noch kalkulierbar sind, zumal der Gesetzgeber nur vage formuliert, welche Informationen gegenüber den Mitarbeitern erforderlich sind.