Outsourcing und die sieben Mythen

19.06.2007

4. Papier ist geduldig

Das andere Extrem zu Punkt 3: Statt eines Vertrages wird lediglich eine Absichtserklärung ausformuliert. Hier geht es vornehmlich um die gemeinsame "Vision" und die Ausprägungen der neuen Partnerschaft, nicht jedoch um langweilige Details. Zwar kann eine Absichtserklärung bereits rechtliche Konsequenzen haben, doch bildet sie keinen Billig-Ersatz für einen "echten" Vertrag. Gerade weil häufig in Absichtserklärungen auf Details verzichtet wird, können Anwender hinterher den Dienstleister nur schwer in die Pflicht nehmen, da der Interpretationsspielraum groß ist – und umgekehrt. Kommt es zum Prozess, ist die Beziehung zerrüttet.

Der explizite Verzicht auf einen Vertrag ist in jedem Fall ein nobles Ziel in der Beziehung zum Dienstleister – Vertrauen ist schließlich der Anfang von allem. Unterschiedliche Interessen, etwa der geplante Vertragsabschluss des Dienstleisters mit einem Wettbewerber des Auftraggebers, sorgen für Spannungen. In einem Vertrag können sich Service-Provider und Klienten von Risiken, Belohnungen und Interessen gegenseitig in Kenntnis setzen. Zwei Binsenweisheiten: Irgendwann muss man immer für juristischen Beistand zahlen, und auf dem Mittelweg – in diesem Fall der virtuelle Punkt 3.5 – lässt sich bequem spazieren.

5. Selbst Schuld!

Die Verteilung der Risiken zwischen Kunden und Lieferanten ist ein steter Quell des Ärgers. Bei Anwendern herrscht oft die Einstellung vor, dass der Dienstleister grundsätzlich eine größere Verantwortung (Schuld) trägt als die IT-Abteilung, die zuvor mit der Aufgabe betraut war. Das kann unter Umständen korrekt sein, doch berechtigt es nicht zu der Überzeugung, dass der Service-Provider stets allein an allem Schuld ist. Das Risiko lässt sich nicht vollständig auslagern. Ein Automobilhersteller, der die Entwicklung und Produktion von Sicherheitsgurten herausgegeben hat, kann sich bei technischen Problemen nicht mit dem Verweis auf die vermeintliche Inkompetenz seines Lieferanten komplett aus der Pflicht stehlen – schließlich hat er den Auftrag gegeben, die Spezifikationen gesetzt und die (getesteten) Gurtsysteme verbaut.

Bei jeder Leistung werden Fehler gemacht. Der Vertrag soll nicht dazu dienen, unrealistische Regressforderungen durchzusetzen, sondern beiden Seiten einen Weg aufzeigen, wie im Falle eines Problems gehandelt wird. Ziel muss es sein, Herausforderungen gemeinsam zu meistern, ohne auf dem alten Grundsatz zu beharren: Partnerschaft – der Partner schafft.