Outsourcing - nicht ohne die Mitarbeiter

11.02.2005
Von 
Winfried Gertz ist Journalist in München. Er arbeitet in einem Netzwerk von zahlreichen Anbietern kreativer Dienstleistungen. Das Spektrum reicht von redaktioneller Hörfunk- und Fernsehproduktion über professionelle Fotografie bis zu Werbetexten für Industrieunternehmen und Non-Profit-Organisationen.
Ob eine Auslagerung erfolgreich ist, hängt nicht zuletzt davon ab, wie die betroffenen Mitarbeiter mitziehen. Der Dienstleister muss ihnen ihre Sorgen nehmen und berufliche Perspektiven eröffnen.

Zwei Herzen schlagen in meiner Brust", sagt Mar- tina Wegner, einst An- wendungsbetreuerin der krisengeschüttelten Bankgesellschaft Berlin und seit Oktober 2004 in gleicher Funk-tion bei der TDS HR Services and Solutions (vormals BFD) beschäftigt. "Wehmütig" erinnere sie sich daran, im "Cost-Center" der Bank nur wenig von der rauen Marktrealität gespürt zu haben. Beim neuen Arbeitge- ber hingegen muss sie ihre Arbeitszeit "wegen der stark aus- geprägten Kunden- und Dienstleistungsorientierung" bis auf eine Viertelstunde genau auf einem Stundenzettel ausweisen. Wegner kann sich glücklich schätzen: Weit über das gesetzlich vorgeschriebene Maß von einem Jahr hat TDS ihr eine Arbeitsplatzgarantie bis 2009 gegeben.

Wenn Firmen sich entschließen, einzelne Funktionen, Teilbereiche oder komplette Geschäftsprozesse an einen externen Dienstleister auszulagern, sollten sie die Rechnung nicht ohne ihre Mitarbeiter machen. Vielmehr sind sie gut beraten, die Beschäftigten offen, früh- zeitig und vor allem glaubhaft über den geplanten Betriebsübergang zu informieren. "Nicht die operative Umsetzung ist das Problem", sagt Monika Rösler, Vorstand der Idsteiner PPM AG (www.ppm-ag.com) und erfahren im Change-Management von Outsourcing-Projekten. Entscheidend sei die Haltung der Chefetage den Mitarbeitern gegenüber: "Geht sie auf die Unsicherheit von Mitarbeitern ein, oder wählt sie die harte Tour?"

Die Angst vor Arbeitsplatz- verlust ist in Deutschland stärker verbreitet als anderswo. Dies bekräftigt auch eine Umfrage von Logica CMG, in der IT-Beschäftigte ihre Situation vor und nach einem Outsourcing beurteilen. 97 Prozent der Befragten machen sich demnach Sorgen, sobald sie von Auslagerungsplänen hören. "Angestellte sind keine Unternehmer", wirbt Rösler um Verständnis, "sie wollen Sicherheit." Deshalb sei es so wichtig, dass nicht erst die "Gerüchteküche brodelt", ehe Mitarbeiter über ein bevorstehendes Outsourcing unterrichtet würden.

Doch Logica CMG überrascht mit einem weiteren Ergebnis: Nach dem Wechsel zum neuen Arbeitgeber räumen drei Viertel der Befragten ein, ihre Befürchtungen hätten sich nicht bewahrheitet. Sie fühlten sich in ihrem neuen Berufsfeld sogar wohler als vorher.

Allem Anschein nach haben die Marktpartner - von weni- gen Ausnahmen abgesehen - aus Fehlern gelernt. Deals wie etwa zwischen zwischen Hewlett-Packard und Triaton gelten in der Szene auch deshalb als problematisch, weil Mitarbeiter vor den Kopf gestoßen wurden und das Image der Dienstleister Schaden nahm. "Wer als Rambo auffällt", sagt ein Marktforscher, "wird sofort von der Ausschreibungsliste gestrichen."

Mangelnde Sensibilität gegenüber Mitarbeitern an den Tag zu legen sei unklug, kritisiert auch Wolfgang Fritzemeyer, Rechtsanwalt in München und Experte für Outsourcing-Recht. "Als Know-how-Träger sind sie die Nabelschnur zum alten Unternehmen", so der amtierende Vorsitzende der European Outsourcing Association Germany e.V (www.e-oa.net). Setzt sich der neue Arbeitgeber arrogant über berechtigte Mitarbeiterinteressen hinweg, darf er sich nicht wundern, wenn es drunter und drüber geht. "Ohne Vertrauen und Mitarbeiterbindung", warnt Thomas Eggert, Chef der TDS HR Services and Solutions GmbH, "ist Outsourcing zum Scheitern verurteilt."

Als Musterbeispiel führt beispielsweise Annette Rohrbach den Übergang der von ihr geführten 30-köpfigen IT-Abteilung des Baukonzerns Hoch- tief zu SBS an. Den reibungslosen Ablauf führt Rohrbach auf eine "sorgfältige Vorbereitung und offene Informationspolitik" durch Management, Betriebsrat und Personalabteilung zurück. Eine ähnliche Erfahrung machte Rudolf Torheiden, nunmehr Angestellter bei CSC Ploenzke. Dass der Wechsel des ihm unterstehenden 14 Mann starken Desktop-Supports von Motorola zum IT-Dienstleister im Juli 2003 gut über die Bühne ging, schreibt Torheiden besonders der engen Kooperation beider Betriebsräte zu. Sie handelten für die Neulinge Gehälter aus, die "über das sonst Übliche hinausgehen."

Eine behutsame Integration zahlt sich aus

Mit einem freundlichen Empfang der neuen Mitarbeiter versucht es auch T-Systems. "Die Integration lief nahtlos", erinnert sich Miroslaw Heister, den es Ende 2003 gemeinsam mit 180 Kollegen von der West-LB-Tochter Swest GmbH zur T-Systems verschlug. "Wir gehörten vom ersten Moment an dazu." Seine Tätigkeit als Projekt-Manager konnte Heister bruchlos fortsetzen und ist inzwischen mit wesentlich größeren und anspruchsvolleren Vorhaben konfrontiert, was ihn "persönlich enorm weiterbringt".

Gelobt wird auch Accenture. "In der Anbahnungsphase", erinnert sich Andreas Wohlrab, Experte für IT-Infrastrukturen und Rechenzentren, der vor drei Jahren vom Systemhaus der Schmidt Bank gewechselt war, hätten sich Accenture-Kollegen persönlich in der Bank vorgestellt und durch ihr besonnenes Auftreten Vertrauen geweckt: "Sie waren keinen anonyme Käufer, sondern greifbar."

Neben seinen fachlichen Aufgaben kümmert sich Wohlrab bei Outsourcing-Deals inzwischen selbst darum, dass sich die neuen Mitarbeiter schnell akklimatisieren und Projekte gemäß ihren Qualifikationen und Erfahrungen übernehmen. Für ihn ist das eine interessante zusätzliche Aufgabe.

Freilich gibt es auch weniger erfreuliche Geschichten, sagt Katharina Grimme, deutsche Chefin des IT-Marktforschers Ovum. Manche Mitarbeiter hätten durchaus Grund, den Wechsel zu einem Dienstleister zu scheuen, insbesondere dann, "wenn eine amerikanisch geprägte Unternehmenskultur herrscht, die einen starken Karrieredruck nach sich zieht". Prekär sei die Lage für Mitarbeiter von Banken und Versicherungen, schließt sich der Münchner Rechtsanwalt Knut Müller (www.dkm-rechtsanwaelte.de) an. Sie hätten ein "erheblich höheres Risiko", Inhalt und Bestand ihrer "beamtenähnlichen Arbeitsplätze" zu verlieren.

Umso erstaunlicher sind Ergebnisse einer Ovum-Umfrage unter IT-Leitern, wonach der Mitarbeiterübergang nicht als problematisch eingeschätzt wird. "Man setzt einfach voraus, dass Mitarbeiter entspannt mit Outsourcing umgehen", kritisiert Grimme den mangelnden Realitätssinn im IT-Management.

Allerdings landet so manches Outsourcing-Projekt vor Gericht. Allein zum Paragrafen 613 a (siehe Kasten "Betriebsübergang") hätten sich inzwischen rund 1500 Urteile angehäuft, davon die meisten im Arbeitsrecht, berichtet der Düsseldorfer Rechtsanwalt Thomas Schmidt, der im Auftrag der Dienstleistungsgesellschaft Verdi ein Informationspapier erstellt hat (http:// www.verdi-it.de/betriebsuebergang.htm). "Die Sicherung der alten Ansprüche für ein Jahr wird oft zu Lasten der Mitarbeiter juristisch ausgehebelt."

Was sich manche Betriebe erlauben, grenzt an Nötigung. "Einige Arbeitgeber nutzen die Ängste der Mitarbeiter schamlos aus", sagt Jörg Hobland von Verdi IT in München (joerg.hobland@verdi.de). Hobland kennt den Fall eines Mitarbeiters, der direkt nach der Übernahme seine Kündigung erhielt. Trotz eines Jahresgehalts von rund 36000 Euro sollte er mit einer Abfindung von lediglich 2000 Euro abgespeist werden.

Viele Streitigkeiten landen vor Gericht

Über vergleichbare Erfahrungen berichtet Walter Scholz (Name von der Redaktion geändert), vor dem Outsourcing als Projekt- leiter im Softwaregeschäft tätig. Dreieinhalb Jahre nach dem Betriebsübergang geht Scholz mit seinem neuen Arbeitgeber hart ins Gericht: "Neukunden werden kaum noch gewonnen, dafür umso mehr Bestandskunden vergrault." Laufend werde Personal abgebaut. Es selbst habe das Gefühl, sich als Projektleiter zurückzuentwickeln und damit geringere Jobchancen zu haben.

Jenseits aller Risiken und bedenklichen Einzelfällen ist Ovum-Chefin Grimme davon überzeugt, dass Outsourcing "für viele IT-Mitarbeiter neue Chancen eröffnet". Galten sie beim alten Arbeitgeber vor allem als Kostenfaktor, werden ihre Kenntnisse beim IT-Dienstleister als Kernkompetenz geschätzt. "Mein Job bei Hochtief hätte in eine Sackgasse geführt", bilanziert Annette Rohrbach den Betriebsübergang zu SBS positiv. Wäre es nicht zu dem Vertrag zwischen Motorola und CSC gekommen, erinnert sich auch Rudolf Torheiden, wäre die Luft für die IT-Kollegen von Motorola "ziemlich dünn geworden."

"Bei TDS fühle ich mich sicherer aufgehoben als bei meinem früheren Arbeitgeber, einem Sanierungsfall", sagt auch Martina Wegner. "Die Zeiten, als eine Banktätigkeit noch als sicher galt, sind definitiv vorbei." (hk)