Outsourcing/Mitbestimmung auch ueber die Betriebsgrenzen hinaus

12.05.1995

Gar nicht so selten ist zu beobachten, dass Unternehmensleitungen die

Mitwirkungsrechte des Betriebsrates bei Outsourcing-Projekten "uebersehen". Das kann gefaehrlich werden. Der Gruppenkonsens der DV-Abteilung kann ein derartiges Projekt zwar tragen (siehe Seite 42), aber auch scheitern lassen. Die Mitwirkungsrechte des Betriebsrates sollten als Chance zum unternehmensinternen Informations-Management verstanden und entsprechend umgesetzt werden.

Von Thomas Graefe*

Wenn die Mitwirkungsrechte des Betriebsrates uebersehen werden, kann ein derartiges "Versehen" das gesamte Projekt gefaehrden. Der Betriebsrat hat Mitbestimmungsrechte, die weit in die konkrete Vertragsgestaltung, in die technischen Grundlagen des Phasenkonzeptes, in die Systemkonfiguration, in die Definition von Geschaeftsprozessen und anderes mehr reichen.

Gerade zur Realisierung von Outsourcing-Projekten sind die Mitwirkungsrechte des Betriebsrates als Chance zu unternehmensinternem Informations-Management zu verstehen. Die Mitwirkungsrechte des Betriebsrates gewaehrleisten Verantwortungs- und Akzeptanzgemeinschaften im Betrieb.

Outsourcing ist kein juristischer Begriff, auch keiner des Arbeitsrechtes. Vielmehr bezeichnet der Terminus unterschiedliche Gestaltungen der Auslagerung betrieblicher Funktionen:

-Unter externem Outsourcing wird verstanden die Uebertragung eines Geschaeftsprozesses auf einen unabhaengigen Service-Provider auf dem freien Markt.

-Internes Outsourcing bezeichnet die Gruendung von konzerninternen Servicegesellschaften durch organisatorische Ausgliederung und juristische Verselbstaendigung.

-Es gibt Mischformen, insbesondere Gemeinschafts- und Beteiligungsunternehmen.

-Jede dieser Grund- und Mischformen ist mitbestimmungsrechtlich zu gestalten.

Die Aufmerksamkeit der organisierten Arbeitnehmerschaft gehoert seit langem den neuen Technologien, insbesondere wenn diese in bestehende Betriebs- und Wirtschaftsstrukturen eingreifen. Die Informationstechnologie ist Voraussetzung fuer die Durchsetzung neuer betrieblicher und zwischenbetrieblicher Unternehmensstrategien.

Neue Flexibilitaet fuer das Unternehmen

Outsourcing ist Bestandteil eines neuen Rationalisierungstypes. Im Vordergrund steht nicht mehr die Optimierung einzelner Prozesse, sondern die Optimierung der Gesamtablaeufe unter Einbeziehung aller Produktions-, Liefer-, Verwaltungs- und Verteilungsbereiche.

Outsourcing schafft ein neues System der Arbeitsorganisation, die ueber den Einzelbetrieb hinausreicht. Dies veraendert das Kraefteverhaeltnis zwischen Unternehmen und Betriebsrat. Outsourcing schafft im Unternehmen eine neue Beweglichkeit. Standortentscheidungen, Produktions- und Arbeitsflexibilisierung fuehren zu Produktivitaetseffekten, aber auch zu Beschaeftigungsrisiken.

-Outsourcing bedeutet die Aufloesung vormals organischer Betriebseinheiten. Es ist der Betrieb, der Ansatzpunkt und Grundla-

ge mitbestimmungsrechtlicher Machtbefugnisse ist. Mit der Aufloesung des Betriebes gehen diese Machtbefugnisse verloren. Dies geschieht heute nahezu ausschliesslich auf informationstechnologischer Grundlage. Moderne Formen betrieblicher Zusammenarbeit und logistische Konzepte wie der Just-in-time Verbund werden erst durch die Informationstechnologie ermoeglicht.

-Outsourcing bedeutet haeufig den Verlust von Mitbestimmungsrechten. Die Reduzierung der Betriebsgroesse zieht eine Verkleinerung des Betriebsrats-Gremiums nach sich. Bestimmte Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte sind von der Betriebsgroesse abhaengig (Wirtschaftsausschuss, Initiativrecht fuer Personalauswahlrichtlinien, Sozialplan und Interessenausgleich).

Outsourcing kann auch mit dem Wegfall des Gesamtbetriebsrates verbunden sein, wenn das Unternehmen in eine Vielzahl wirtschaftlich selbstaendiger Gebilde ohne einheitliche Leitungsinstanz umgewandelt wird. Der Arbeitnehmervertretung geht ein einheitliches Informations- und Koordinationsgremium verloren. Mit der Eingliederung eines bestehenden Betriebes in einen neuen gehen bestehende Betriebsvereinbarungen unter, soweit ihr Gegenstand im neuen Unternehmen gleichfalls geregelt ist.

Outsourcing steht daher auf der kollektivrechtlichen Tagesordnung von Betriebsraeten und Gewerkschaften.

Der Betriebsrat hat mannigfache Ansatzpunkte zur aktiven Mitgestaltung:

-Geschieht Outsourcing auf der Basis des neuen Umwandlungsrechtes vom 18. Oktober 1994, so gilt die Spaltung gegebenenfalls als Betriebsaenderung, so dass ein Interessenausgleich und ein Sozialplan erforderlich werden.

Auch ausserhalb des Geltungsbereiches des neuen Umwandlungsrechtes gilt die Einschraenkung und Stillegung des ganzen Betriebes oder wesentlicher Betriebsteile als Betriebsaenderung mit dem Zwang eines Interessenausgleiches und Sozialplanes.

Genauso verhaelt es sich mit der Verlegung wesentlicher Betriebsteile und mit grundlegenden Aenderungen der Betriebsorganisation des Betriebes oder dem Wechsel der Betriebsanlagen.

-Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer ueber Aenderungen in der Art seiner Taetigkeit und ihrer Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebes zu unterrichten, Betriebsraete sind hinzuzuziehen.

Outsourcing ist mitbestimmungspflichtig gemaess Paragraph 90 Absatz 1 und 2 BetrVG. Danach hat der Arbeitgeber den Betriebsrat ueber die Planung von technischen Anlagen, von Arbeitsverfahren und Arbeitsablaeufen rechtzeitig unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten; er hat mit dem Betriebsrat hierueber zu beraten und Vorschlaege entgegenzunehmen.

-Mit Outsourcing-Massnahmen sind langfristige Personalplanungs- Massnahmen verbunden. Gemaess Paragraph 92 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat ueber die Personalplanung, den Personalbedarf sowie ueber die sich hieraus ergebenden personellen Massnahmen und Massnahmen der Berufsbildung zu informieren; er hat sich mit ihm ueber die erforderlichen Massnahmen zur Vermeidung von Haerten zu beraten.

Wenn mit Outsourcing in den beteiligten Betrieben Einstellungs-, Eingruppierungs-, Umgruppierungs- oder Versetzungsmassnahmen verbunden sind, so hat der Arbeitgeber den Betriebsrat hiervon in Kenntnis zu setzen und insbesondere Auskunft ueber die Auswirkungen der geplanten Massnahmen zu geben und sich hierfuer die Zustimmung des Betriebsrates einzuholen (Paragraph 99 BetrVG; Mitbestimmung bei personellen Einzelmassnahmen).

-Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bezieht sich auch auf Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten und die Leistung der Arbeitnehmer zu ueberwachen gemaess Paragraph 94 BetrVG (Zustimmung des Betriebsrates zu Personalfrageboegen).

Die Bestimmung des Paragraphs 94 Absatz 1 BetrVG bezieht sich auf jede formalisierte Form der Informationserhebung von Arbeitnehmerdaten. Diese Bestimmung wird immer dann einschlaegig, wenn das auftraggebende Unternehmen an den Outsourcer zuvor gespeicherte Personaldaten (auch in aggregierter Form) abgibt.

Betriebsrat entscheidet ueber die Zulaessigkeit

Die Mitbestimmung bezieht sich auf die Art und Weise der Informationserhebungen. Sie betrifft auch den Einsatz von Hardware und Software, soweit sie fuer die Informationserhebung von Bedeutung sind.

Fuer das Outsourcing von Bedeutung ist die Frage, ob sich das Mitbestimmungsrecht auch auf die Verwendung der erhobenen Daten bezieht. Damit waere das Speichern, Veraendern oder Uebermitteln personenbezogener Daten unabhaengig von den weiteren Voraussetzungen des Bundesdatenschutzgesetzes mitbestimmungspflichtig und damit notwendiger Bestandteil einer Outsourcing-bezogenen Betriebsvereinbarung. Dies ist aus Gruenden notwendigen Zusammenhanges zu bejahen. Der Betriebsrat, der die Zulaessigkeit und inhaltliche Gestaltung standardisierter Erhebungsverfahren zur Gewinnung arbeitnehmerbezogener Personaldaten zu bestimmen hat, entscheidet ueber die Zulaessigkeit bestimmter Informationen. Die Mitbestimmung darueber kann der Betriebsrat nur dann wahrnehmen, wenn er weiss, was mit diesen Informationen geschieht. Die Zulaessigkeitsentscheidung und die Verwendungsentscheidung sind sachlich nicht zu trennen.

Sach- und Personaldaten sind kaum zu trennen

Damit ist der Betriebsrat befugt, ueber den Datenfluss zwischen dem auftraggebenden Betrieb und dem Outsourcer zu bestimmen. Sach- und Betriebsdaten und Personaldaten lassen sich ohnehin kaum trennen. Der Betriebsrat hat also auch zu entscheiden ueber die Vermittlungssysteme und deren Schnittstellen, ueber die Uebermittlungsinhalte und ueber regelmaessige Uebermittlungskontrollen. Er kann die Bedingungen mitbestimmen, unter denen die Verwendung der personenbezogenen Daten beim Outsourcer geschieht. Dies gilt unabhaengig davon, ob dieser Service-Provider konzernangehoerig ist oder nicht.

Mit diesem Verstaendnis des Mitbestimmungsrechtes wird dem Umstand genuege getan, dass mit der Aufloesung organischer Betriebszusammenhaenge Datenerhebung und Datenverwendung auseinanderfallen. Das BetrVG erlegt dem Betriebsrat die Einflussnahme auf betriebliche Funktionszusammenhaenge auf. Das Recht zur Mitbestimmung bei der Verwendung arbeitnehmerbezogener Daten gewaehrleistet die Mitbestimmung informationstechnischer Funktionszusammenhaenge auch ueber die Betriebsgrenzen hinaus.

-Eine weitere zentrale Mitbestimmungsnorm ist die des Paragraphs 87 Absatz 1 Nummer 6 BetrVG. DV-Anlagen sind fast ausnahmslos verhaltens- und leistungskontrollierend. Die konkrete Eignung hierzu genuegt. Die Mitbestimmung bezieht sich nicht nur auf die leistungs- und verhaltenskontrollierenden Systemkomponenten; die Eignung zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle ist blosse tatbestandliche Voraussetzung fuer die auf das Gesamtsystem bezogene Mitbestimmung im Ganzen. In Konsequenz dieser herrschenden Auffassung unterfallen alle Komponenten der Funktionseinheit Datenverarbeitungssystem der Mitbestimmung. Mitbestimmungspflichtig sind die verarbeitenden Daten, die Programmlaeufe, der technische Zugriffsschutz, die Zugriffsberechtigung, die Abfragesprache und auch die Vernetzung.

Betriebsrat kann ueber jede Aenderung mitbestimmen

Da die Einfuehrung und der Einsatz von DV-Systemen mitbestimmungspflichtig sind, bezieht sich die Mitbestimmung auch auf die Aenderung dieser Sach- und Verfahrenskomponenten. Mit Outsourcing-Massnahmen gehen derartige Aenderungen einher.

Mit der Auslagerung betrieblicher DV-Funktionen ist in der Regel keine Minderung der Eignung zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle des im auslagernden Betrieb verbleibenden Systems verbunden. Der Service-Provider steht nahezu ausnahmslos weiterhin in Leitungsverbindung zu dem auslagernden Unternehmen. Mitbestimmungsrechtlich bilden die ausgelagerten Sach- und Verfahrenskomponenten ein einheitliches mitbestimmungspflichtiges System.

Hiernach kann der Betriebsrat mitbestimmen ueber jede Aenderung; wird das Outsourcing-Projekt stufenweise realisiert, also durch einen definierten Phasenplan, so hat der Betriebsrat an jeder technischen Stufe dieses Phasenplanes mitzuwirken. Dies gilt erst recht, wenn der Geschaeftsbereich oder die Geschaeftsfunktion in einem Schritt uebertragen werden. Aufgabe vertraglicher Gestaltung ist es, das technische Phasenkonzept exakt abzubilden. Damit gewinnt der Betriebsrat auch Einfluss auf die vertragliche Gestaltung, soweit sie ablauftechnische Relevanz hat. Dies muss kein Nachteil sein. Die Einbeziehung des Betriebsrates ist wesentliche Komponente einer Akzeptanz-Strategie im Unternehmen, dient der Bildung von Verantwortungsgemeinschaften und der Informationsvermittlung auch gegenueber den nicht-sachkundigen Belegschaftsmitgliedern. In der Regel handelt der Betriebsrat ueber einen Technologie-Ausschuss (TA), in dem meist Arbeitnehmer vertreten sind, die mit der Realisierung des DV-Projektes beauftragt wurden. Diese Mitarbeiter haben einen der Sache verpflichteten Ehrgeiz, der bei offener Informationspolitik auch der Unternehmensleitung nutzt.

Zur Einfuehrungsstrategie eines insbesondere unternehmenspolitisch schwierigen DV-Projektes, wie dies das Outsourcing-Vorhaben darstellt, empfiehlt sich die Einrichtung einer Planungsgruppe, die den gesamten Projektgang begleitet. Sie kann zusammengesetzt sein aus Vertretern des Arbeitgebers, der Beschaeftigten, der technisch und organisatorisch betroffenen Abteilungen und des externen Outsourcers. Zur Aufgabe dieses Gremiums gehoert es, den Betriebsparteien Vorschlaege zur Gestaltung einer Betriebsvereinbarung zu unterbreiten. Diese Gruppe wirkt gleichzeitig als projektbegleitender Lenkungsausschuss zur Koordinierung, Abstimmung und gegebenenfalls auch zur Abnahme einzelner Projektschritte.

Eine technologieorientierte Betriebsvereinbarung, insbesondere eine solche, die Grundlage des Outsourcings von DV-Leistungen darstellt, muss aenderungsbestaendig sein. Dies wird am besten durch einen zweistufigen Aufbau gewaehrleistet.

In einen allgemeinen Teil sind die allgemeinen Betriebs- und Nutzungsregelungen aufzunehmen, in dem durch einen Anhang realisierten besonderen Teil wird die technische und organisatorische Ausgestaltung beschrieben. Der allgemeine Teil klaert die Zielsetzungen und Vorgaben und verweist fuer Details, insbesondere was das konkrete schrittweise Vorgehen betrifft auf Anhaenge.