Outsourcing: Mehr Kontrolle durch Zweitgutachten

29.08.2007
Von Gregor Gold
Wer unliebsame Überraschungen vermeiden will, sollte seinen Auslagerungsvertrag von einer neutralen Instanz prüfen lassen.

So sehr die Outsourcing-Konjunktur seit Jahren schon zu den Wachstumstreibern im IT-Markt gehört und inzwischen selbst kritische Branchen wie den Bankensektor erreicht hat, so wenig will die skeptische Begleitmusik verstimmen. "IT-Outsourcing ist eine Welt von Licht und Schatten", fasst Stefan Regniet, Chief Executive Officer (CEO) des Beratungshauses Active Sourcing AG, den derzeitigen Stand zusammen. "Einerseits haben es sich die Unternehmen auf die Fahnen geschrieben, ihre Fertigungstiefe zu reduzieren und zu diesem Zweck ihre gesamte IT oder Teile davon an einen Dienstleister zu übertragen. Andererseits wird diese Entwicklung von massiven Klagen über Outsourcing-Probleme begleitet." Einer der Hauptgründe für die Unzufriedenheit mit Auslagerungsverträgen ist ein schlechtes Vertrags-Management durch den Auftraggeber. Das ergab eine Umfrage der Sourcing-Beratung TPI. Auch die Kosten, die dem Anwender beim Outsourcing entstehen, werden häufig unterschätzt.

Beim nächsten Outsourcing wird alles anders…

Ein Viertel der befragten Anwender würde seine Auslagerungsstrategie beim nächsten Mal anders gestalten.
Ein Viertel der befragten Anwender würde seine Auslagerungsstrategie beim nächsten Mal anders gestalten.
Foto: Active Sourcing

Wie eine Erhebung von Active Sourcing zeigt, würden viele Firmen bei einer erneuten Outsourcing-Entscheidung mehr Sorgfalt an den Tag legen. So gab etwa ein Viertel der mehr als 200 befragten Anwender an, dass sie ihre Auslagerungsstrategie in "sehr wesentlichen Zügen" anders gestalten würden. Für weitere 38 Prozent gilt diese Einschätzung teilweise, während lediglich zwei von fünf Firmen mit ihrer ursprünglichen Entscheidung weitgehend zufrieden sind.

Die Ursachen dieses selbstkritischen Rückblicks sind vielfältig und vor allem durch praktische Erfahrungen geprägt. So gaben 42 Prozent der Befragten an, zu wenig Wert auf die Leistungsqualität der Services gelegt zu haben. 40 Prozent würden heute darauf achten, dass sich die Vertragsregelungen leichter umsetzen lassen. 37 Prozent zeigen sich unzufrieden mit den damals vereinbarten Preismodellen. Und für etwas mehr als ein Drittel der Firmen erwiesen sich die Kriterien für die Provider-Auswahl sowie den Transfer der ausgelagerten IT-Funktionen auf den IT-Dienstleister rückblickend als nicht optimal. Mit den Innovationseffekten sind 24 Prozent unzufrieden, und jedes vierte Unternehmen würde den Umfang und die Struktur der ausgelagerten IT-Systeme heute anders definieren.

Nach Ansicht von Regniet sind die vielfältigen Schwächen der Outsourcing-Projekte darauf zurückzuführen, dass die Anwender bei diesen langfristig angelegten Maßnahmen häufig Neuland betreten. "Wenn die Weichen durch Unerfahrenheit falsch gestellt werden, sind Probleme wie eine mangelnde Flexibilität durch starre Verträge, ungeeignete Preismodelle oder zu lange Vorlaufzeiten bei technischen Anpassungen quasi programmiert", so der Berater. Andererseits sei einem Outsourcing-Anwender auch nicht damit gedient, wenn er bedingungslos dem Rat des mit der Auslagerungsstrategie beauftragten Beraters folge.

Mehr Kontrolle durch neutrales Zweitutachten

Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Consultant, systematische Korrektivmethoden in die Auslagerungsstrategie zu integrieren. Gemeint ist ein Zweitgutachten in der finalen Entscheidungsphase, das einen neutralen und kritischen Blick auf das jeweils entwickelte Konzept wirft. "Angesichts der weit reichenden Konsequenzen einer vollständigen oder partiellen IT-Auslagerung ist eine zusätzliche Absicherung notwendig", begründet Regniet. Auch in anderen Bereichen sei das Vier-Augen-Prinzip selbstverständlich – etwa die regelmäßigen Security Audits von Banken oder die Zweitunterschrift in geschäftsrelevanten Briefen.

Bei Outsourcing-Vorhaben kommt diese Form der Risikominimierung dagegen kaum zum Einsatz. Das liegt nach Ansicht des Active-Sourcing-Chefs daran, dass diese Möglichkeit bislang kaum öffentlich diskutiert wird und es auch nur wenige Angebote gibt: "Es ist einfach noch niemand auf den Gedanken gekommen, obwohl er nahe liegt." Regniet räumt aber auch ein, dass sich die mit der Erarbeitung einer Auslagerungsstrategie beauftragten Berater vermutlich nicht gerne über die Schulter schauen lassen."

Dabei wären die Anwender durchaus offen für solche Angebote: Auf die Frage, ob eine zusätzliche neutrale Analyse der Outsourcing-Strategie Schwächen in der Vorgehensweise möglicherweise offen gelegt hätte, waren 19 Prozent der Befragten der Ansicht, dass damit "auf jeden Fall" spätere Probleme vermieden worden wären. Für 33 Prozent hätte das Vier-Augen-Prinzip "vermutlich" zur Offenlegung von konzeptionellen Mängeln geführt. 26 Prozent der Befragten können sich vorstellen, bei künftigen Outsourcing-Projekten ein solches Zweitgutachten einzubeziehen. Und mehr als die Hälfte erachtet dies zumindest als einen überlegenswerten Schritt.

Absicherung zu überschaubaren Kosten

Die Kosten eines Outsourcing-Zweitgutachtens schätzt Regniet auf 0,2 Prozent des Vertragswerts. Zum Einsatz kommen sollte es in der finalen Phase der konkreten Umsetzung des Vorhabens. "Dabei gilt es anhand einer Bewertungsmatrix zu prüfen, ob und in welcher Weise alle erfolgsrelevanten Faktoren adäquat berücksichtigt wurden und welche Konsequenzen daraus abzuleiten sind", erläutert der Manager. Wichtigste Frage ist zunächst, ob die auszulagernden IT-Funktionen die zentralen Geschäftskompetenzen des Anwenderunternehmens nicht beeinträchtigen. Anschließend wird geprüft, ob die Nutzenrechnungen realistisch angelegt sind und ob die Kosten- und Leistungsmodelle des avisierten IT-Dienstleisters den Marktverhältnissen entsprechen und genug Flexibilität für zukünftige Entwicklungen aufweisen.

Ein besonderes Augenmerk sollte dabei auf die Leistungsvereinbarungen und -prozesse zwischen beiden Seiten gelegt werden. "Sie stellen letztlich das Navigationssystem für das Zusammenspiel der Partner dar", begründet Regniet. Dabei gehe es nicht um minimale Erfüllungskriterien wie Service-Level-Agreements (SLAs), sondern um die tatsächliche Erreichung der erwarteten Performance, deren Messung spezifische Instrumente wie Scorecard oder Key Performance Indicators benötigen. (sp)