Outsourcing: Manager haben den DV-Überblick verloren

15.03.1991

"Outsourcing meint immer einen Angriff auf die standardisierte Großrechnerwelt" - Franz C. Bürgers*. These impliziert, daß der Auslagerungstrend die heutige DV-Marktordnung ins Wanken bringen könnte. Nicht nur Hersteller, auch die Chefetagen großer Anwender-Unternehmen sind gefordert: Outsourcing ist nämlich nicht primär als technisches sondern als ökonomisches und organisatorisches Problem zu diskutieren.

Wird das Outsourcing als Möglichkeit der Problemlösung erwogen, so setzt dies zunächst die umfangreiche Kenntnis der Informationsverarbeitungs-Struktur (IV) im Unternehmen voraus (siehe Kasten: Voraussetzungen für Outsourcing). Die Informatikleistungen müssen weitgehend bekannt sein - scheinbar eine Selbstverständlichkeit. Bei der implementierten Standardsoftware ist das in der Regel auch der Fall. Je kleiner und vielzahliger aber die implementierte Software ist, desto geringer der Bekanntheitsgrad. Individuelle Anwendungen kennen meistens nur wenige.

Aber nicht der Aufwand für Software-Entwicklung und -pflege und die Maschinenleistung bedürfen der genauen Kenntnis, wenn über Outsourcing gesprochen wird. Auch personelle Beratungs- und Unterstützungsleistungen müssen bekannt sein. Von wessen Kenntnis ist hier die Rede? Daß die Fachleute in den Rechenzentren, in der Anwendungs- und Systemprogrammierung, diese Kenntnisse haben, gehört mit zu ihren Aufgaben, wenngleich Spezial- und Projektkenntnisse nicht automatisch auch den umfassenden Überblick bedeuten.

Auf höherer und oberster Führungsebene aber ist dieser Punkt ebenfalls ein Thema. Die Bedeutung des Berichtswesens und der Management-Information ist besonders groß. Anwendungsintensität und -häufigkeit der einzelnen Softwareprodukte wird oft nur an der Zugangshäufigkeit und Nutzungsdauer gemessen. Ein qualitatives Nutzungsmaß, zum Beispiel Transaktionen je Zeiteinheit oder Speicher- und Plattenplatzbelegung je Anwender ist kaum einsetzbar.

Beim Einkauf von externen RZ-Leistungen erhalten diese qualitativen Nutzungsaspekte eine große Bedeutung, weil sie dann bares Geld kosten. Verfügbarkeitsdebatten zwischen DV-Abteilung und Anwendern lassen daraus schließen, daß "Anwenden" und "Anbieten" immer mehr auseinanderdriften - ein Trend, der einerseits auf Nutzungszuwachs bei den Anwendern und andererseits auf eine Eingrenzung der Ressourcenzuteilung durch den IV-Dienstleister schließen läßt.

Der Nutzen läßt sich nicht exakt messen

Nutzen, der hinter der Nutzung steht oder zu stehen hat, läßt sich weder im Großen noch im Kleinen exakt messen. Doch der Einsatz des Mittels "Informationsverarbeitung" im Arbeitsprozeß bezüglich Qualität des Arbeitsproduktes" oder auch Arbeitsgeschwindigkeit ist sehr wohl meßbar. Und genau darum geht es, und dieses Bewußtsein ist selten vorhanden. Outsourcing heißt auch, Zeit und Kapazität für einen sinnvollen IV-Einsatz zu erhalten.

Aggregierte Kosten können leicht ermittelt werden: Das Unternehmen muß für alles zahlen, und jeder Pfennig läßt sich dokumentieren und nachvollziehen. Die Zuordnung bereitet allerdings Probleme. Beim Outsourcing ist aber unerläßlich, daß exakt zugeordnete, Kosten vorliegen.

Für die Umsetzung der Unternehmensstrategie - sofern es eine gibt und sofern diese auch formuliert wurde - ist die Informationsverarbeitung einer der wichtigen Erfüllungsgehilfen. In- oder Outsourcing ist eins zu eins mit der Unternehmensstrategie gekoppelt, zum Beispiel bei Unternehmenskäufen, Forschung und Entwicklung, Produktion und Produktentwicklung, neuen Märkten.

Insbesondere die eigenen, aber auch die fremden Ressourcen müssen eindeutig bestimmt und kalkuliert werden, damit sich Entscheidungen treffen lassen. Materiell kennen Unternehmen ihre eigenen Ressourcen und zum Teil auch die der möglichen Marktpartner. Über die personelle Ausstattung dagegen besteht bereits Ungewißheit, und wenn es um finanzielle Belange geht, tappen Unternehmen nicht nur bei der Beurteilung potentieller Marktpartner sondern auch bei der Einschätzung des eigenen Unternehmens im dunkeln.

Die Unternehmensphilosophie und -kultur ist für das Thema Outsourcing ein wesentlicher Faktoren-Planung und Ausführung der Auslagerung können durch folgende Faktoren erheblich behindert, wenn nicht sogar verhindert werden:

- die Mentalität der Mitarbeiter und Führungskräfte,

- das Kommunikationsgefüge und - klima,

- die Unternehmensgeschichte und -tradition,

- das Firmenimage,

- die Altersstruktur,

- die Eigen-, oder Fremdbestimmtheit.

Teile des unternehmenseigenen Informatikbereichs oder gar der ganzen Organisationseinheit aufzugeben, ist eine Entscheidung, die nur schwer und unter

erheblichen Kosten wieder rückgängig gemacht werden kann. Sie betrifft im wesentlichen die Arbeit derjenigen, die von den DV-Dienstleistungen innerhalb des Unternehmens profitieren, und ist somit eine unternehmensweite Angelegenheit.

Nimmt man zum Beispiel die Auflösung der eigenen Rechenzentrums, so bedarf dies einer langfristigen und allseits akzeptierten Entscheidung, um nicht hinterher zu der fatalen Erkenntnis zu gelangen, daß die externen RZ-Dienstleistungen den eigenen qualitativ und quantitativ - hinterherhinken, oder daß die Nutzung durch die Anwender gelitten hat. Outsourcing heißt, Abhängigkeit von Marktpartnern.

Es geht nicht nur um den Abschluß von langfristigen Verträgen mit der Spezifikation von Leistungen und Pflichten, sondern auch um die Sicherheit, daß Verträge auch bei Unwägbarkeiten eingehalten werden. Faktoren wie Markt- oder Eigentumsveränderungen, Personal, Weltwirtschaft, Politik oder Krisen können leicht für veränderte Bedingungen sorgen. Diese Gefahren- und Risikopotentiale sind ein langfristiges Wirtschaftlichkeitskonzept miteinzubeziehen. Alternative Möglichkeiten, um den Betrieb auch nach Eintritt dieser nicht vorgesehenen Veränderungen aufrecht erhalten zu können, sollten berücksichtigt werden.

Der weitgehende Verzicht auf eigene Personalkapazität ist eines der großen Probleme des Outsourcing, weil man - in welcher Konstellation auch immer - von dem "ausgelagerten" oder freigesetzten Personal nie mehr denselben Nutzen hat, wie von eigenen Mitarbeitern. Es ist zu befürchten, daß den Verantwortlichen in einem Unternehmen erst im nachhinein so manche Leistung ihrer eigenen Mitarbeiter auffällt, für die nun gesondert gezahlt werden muß oder die nicht mehr zur Verfügung steht. Wird diese Leistung erkannt und wird die Personalfrage mit der gebotenen Vorsicht behandelt, so reduziert sich der wirtschaftliche Vorteil des Outsourcing notgedrungen. Ein klassischer Zielkonflikt.

In diesem Zusammenhang ist auch die erforderliche Koordination und Kommunikation zu sehen, die zwischen den Anwendern im Hause und externen Dienstleistungslieferanten entstehen sollte. Dafür müssen kompetente Mitarbeiter im Hause bleiben oder speziell für diese Aufgabe ausgewählt und entsprechend darauf vorbereitet werden. Probleme der Verarbeitungssicherheit, des Datenschutzes oder der DV-Revision lösen sich nicht automatisch durch Outsourcing. Das Management von Information ist eine notwendige Folge des Outsourcings.

Der Begriff "Out.." impliziert die Wahl eines unabhängigen Unternehmens und den Einkauf von Leistungen am Markt. Das setzt die Existenz entsprechender Marktangebote und -partner voraus. Die Bildung eines eigenen verbundenen Unternehmens, und die Beauftragung dieser "Tochter" mit der Lieferung von Informatik. Dienstleistungen an den Konzern und eventuell an Dritte, ist eigentlich kein Outsourcing, wenngleich sich die meisten Probleme und Lösungsschwerpunkte genauso darstellen.

Das reine Outsourcing (vergleiche Abbildung 2) ist strukturell einfacher, während das sogenannte "Inhouse-Outsourcing" (vergleiche Abbildung 3) eine Reihe zusätzlicher, Probleme aufwirft. Beim Inhouse-Outsourcing handelt es sich, um ein beherrschbares Beteiligungsunternehmen. Die Abhängigkeit von einem Fremdanbieter wird vermieden und das Unternehmen wird nicht durch gewollte oder ungewollte Entwicklungen "an einem wichtigen Lebensnerv" getroffen.

Mengen- und Synergieeffekte durch Expansion der Maschinen- und Personalleistungen müssen eintreten können, damit sich die Auslagerung rechnen kann. Entweder geschieht das durch Konzentration und durch die Versorgung mehrerer Konzernteile oder durch eine Leistungsausweitung auf dem Markt.

Eine Profit-Center-Struktur ist unabdingbar, sollen die gewünschten Effekte eintreten.

Wann, wodurch und wie der Break-even-Punkt grundsätzlich erreicht werden kann, hängt von der Unternehmensstruktur, seiner Größe sind den - zum Teil minoritär bestimmten Teilen ab. Die Grenze der potentiellen Versorgung von beteiligten und nicht, beteiligten freien Unternehmen am Markt ist nur schwer zu ziehen. Sie darf nicht Zeitpunkt-bezogen betrachtet werden. Was kann sich da in Zukunft alles ändern?

Eine schwierige und berechtigte Frage aus Anwendersicht - und nur diese Sicht sollte eigentlich zählen - ist, ob das neue Subunternehmen im Konzern Monopolist ist und par ordre du mufti dessen Dienstleistungen abgenommen werden müssen, selbst wenn Alternativen am freien Markt Vorteile brächten. In diesem Zusammenhang scheinen sich die Probleme nur zu verlagern, aber nicht aufzulösen.

Mit der Preisfindung der DV-Leistungen wird man diesem Problem gerecht und man entspricht den Grundideen des Outsourcings, dem Anspruch auf Wirtschaftlichkeit und Effizienz. Leistungsverrechnung aller Komponenten ist beim Outsourcing eine zwingende Voraussetzung - beim Inhouse-Outsourcing glauben Unternehmen, hier nicht so penibel vorgehen zu müssen. Umlage und Pauschalierung trägt jedoch zur - zum Teil erheblichen - "Unschärfe" bei.

Die DV-nutzenden Unternehmensteile verlieren durch das Inhouse-Outsourcing zwar unter Umständen die Informatik. Abteilung, doch der Aufwand an Personal wird mit Sicherheit nicht geringer. Organisation, Koordination und Kommunikation, auch "Trouble Shooting", müssen über die zahlenmäßig wachsenden, räumlich vergrößerten und komplexen werdenden Schnittstellen hinweghelfen. Eine anspruchsvolle Aufgabe für das Management.

Ursprünglich verankerte Unternehmenszielsetzungen können bei eigenständigen Konzernteilen im Laufe der Zeit divergieren und den Schnittstellen- und Management-Aufwand drastisch erhöhen. Nicht zu unterschätzen ist die erhöhte Komplexität der Aufgaben, von der nicht nur die verbleibenden "Schnittsteller" und Informations-Broker", sondern auch das Informatikpersonal der neugegründeten DV-Tochter betroffen sind.

Alles multipliziert sich in dieser Gesellschaft: Die Anwender mit ihren Bedürfnissen und Wünschen, die Zahl der Anwendungen und deren Integration, der Entwicklungsaufwand, die Maschinenleistung mit Rechen-, Speicher-, Übertragungs- und Maintenance-Kapazitäten, das Datenvolumen und die Datenvielfalt und vieles mehr. Der Grad der Spezialisierung nimmt dort zu, die Aufgaben der Mitarbeiter werden komplexer. Diese Mitarbeiter zu führen wird nicht eben einfacher.

Das Outsourcing-Geschäft boomt. Viel Spektakuläres ist zu hören, Studien werden verkauft, Outsourcing-Partner bieten ihre Dienste an, in den Unternehmen wird eifrig diskutiert - teilweise auch schon umgesetzt. Der Druck ist aus Kosten-, Effizienz-, Nutzungs-, Personal-, System- und strategischen Gründen vorhanden. Die Daten- und Informationsverarbeitung ist kein Selbstzweck, der Status als Mittel zum Zweck rückt zunehmend ins Bewußtsein.

Was bleibt, ist das, was man heute schon - meist ungerechtfertigter Weise - Informations-Verarbeitung oder -Management nennt. Viele neue Probleme tauchen auf, dagegen sind die oben dargestellten nur ein Klacks". Unternehmen werden sich an Mitbewerbern messen müssen, die ohne ein eigenes Rechenzentrum, ohne eine eigene nennenswerte Informatik auskommen. Ein Kinderspiel?

Inhouse-Outsourcing

- Die Besitzverhältnisse müssen so beschaffen sein, daß die Geschäftspolitik eindeutig und dominant mitbestimmt werden kann.

- Das Geschäftsvolumen muß eine kritische Größe überschreiten, so daß das Beteiligungsunternehmen vernünftig wirtschaften kann.

- Entschieden werden muß, ob die Leistungen ausschließlich dem Konzern angeboten werden, oder ob sie zusätzlich am freien Markt vertrieben werden.

- Besteht von seiten des Konzerns als Nachfrager dieser Leistungen eine Abnahmeverpflichtung, oder befindet sich das Beteiligungsunternehmen potentiell im Wettbewerb mit anderen externen Anbietern?

- Existiert eine Preisdifferenz für die Leistungen an das Stammhaus (Selbstkosten) und an Marktkunden?

- Alle Leistungen müssen be- und verrechnet werden.

- Durch Auslagerung entsteht im "informatiklosen" Konzern nicht geringer Koordinationsbedarf zentral oder in den Fachabteilungen zur effizienten Implementierung"

der Dienstleistungen.

- Grundsätzlich können verschiedene Unternehmenszielsetzungen existieren, die die Schnittstellenproblematik vergrößern.

- An das Personal werden tendenziell höhere Anforderungen gestellt.

Voraussetzungen für Outsourcing

- Kenntnis der Informatikleistungen im Unternehmen

- Kenntnis der Anwendungsintensität und -häufigkeit

- Kenntnis der Kosten der Informationsverarbeitung (Gesamtkosten, Budget, Kosten der

Anwendungen, System-, Netzkosten)

- Informatikleistungen müssen einen Preis oder Wert haben (Leistungsverrechnung)

- Kenntnis des Nutzens der Informatikleistungen für den Anwender, die Organisationseinheit, das Unternehmen

- Kenntnis der Unternehmensziele und -strategien, auch die Informationsverarbeitung betreffend

- Kenntnis über die eigenen Ressourcen

- Kenntnis der Marktangebote und -struktur

- Kenntnis der "Unternehmensphilosophie"

Konsequenzen des Outsourcing

- Durch Outsourcing gibt das Unternehmen bewußt hohe Kompetenz auf und setzt Mitarbeiter frei.

- Die Entscheidung zum Outsourcing muß reiflich überlegt sein, im gesamten Unternehmen diskutiert werden, alle Vor- und Nachteile müssen abgewogen werden, die Entscheidung ist ein "way of no return".

- Outsourcing schafft weitreichende Abhängigkeiten von dem (den) externen Partner(n).

- Dem Partner muß ein sehr hohes Vertrauen in der Diskretion, Kompetenz, in der Verarbeitungssicherheit und in der Kontinuität der Dienstleistungsqualität und der Geschäftsfähigkeit entgegengebracht werden.

- Es muß geprüft werden, ob Outsourcing nicht nur kurzfristig günstiger ist, sondern auch langfristig ökonomischen und strategischen Anforderungen genügt. Outsourcing kann auch teuer werden.

- Ein Stamm an hochqualifizierten Mitarbeitern muß im Unternehmen verbleiben, um die Kommunikation der Anwender mit dem Informatik-Dienstleister herzustellen, zu koordinieren und effizient zu gestalten.

- Sensible unternehmensinterne Informationen müssen von diesen Informations Managern" gestützt werden.