Outsourcing: Jetzt neu verhandeln!

24.08.2006
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Bernd Schäfer verantwortete von 2003 bis 2017 als Partner und Geschäftsführer die Geschäfte von ISG in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Er verfügt über mehr als 30 Jahre Führungserfahrung in internationalen IT-Projekten von klassischen IT Sourcing -Themen bis zu Strategie- und kompletten Transformationsberatungen. 2012 hat Schäfer die Unternehmen Compass und TPI unter dem Dach von ISG erfolgreich zusammengeführt.

Für die steigende Zahl an Umstrukturierungen gibt es laut TPI drei zentrale Beweggründe: Erstens hält der Trend zum Multi-Sourcing an. Vor allem erfahrene Kunden vergeben nur noch Teilbereiche an die jeweils besten Provider, um deren Spezialisierungen gezielt zu nutzen und gleichzeitig die Kosten zu senken: Die Zusammenarbeit mit mehreren Anbietern führt dazu, dass diese um die gleichen Dienste konkurrieren und sich gegenseitig unterbieten. Der Kunde profitiert davon in Form von niedrigeren Preisen und besseren Serviceangeboten.

Deals sind nicht mehr zeitgemäß

Hinzu kommt, dass immer mehr Anwender die Deals in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr für zeitgemäß halten. Die meisten vor Jahren geschlossenen Verträge sehen eine wenig ganzheitliche Service-Bereitstellung vor; auch Kreativität und Innovationen wurden selten schriftlich vereinbart. Heute verlangen die Kunden von ihren Providern aber eine Unterstützung ihrer strategischen Ziele und versuchen, entsprechende Klauseln auszuhandeln. Und drittens heizt die zunehmende Nutzung des Offshoring den Trend zu Nachverhandlungen an. So erkennen inzwischen auch kleinere Firmen, dass der globale Dienstleistungsmarkt nicht allein multinationalen Konzernen vorbehalten ist.

Bislang wurden die meisten Umstrukturierungen mit dem bisherigen Anbieter ausgehandelt. Laut TPI wechselten 2005 nicht einmal 15 Prozent der Kunden ihren Provider. Angesichts des Multi-Sourcing-Trends wird sich das jedoch ändern, meinen die Experten. Ob der bisherige Anbieter im Falle einer Umstrukturierung den Auftrag ganz oder teilweise behält, werde zunehmend davon abhängen, ob sein Angebot konkurrenzfähig ist. Vor diesem Hintergrund steigt der Wettbewerbsdruck, was sich wiederum positiv auf die Verhandlungsposition der Anwender auswirkt.

Bei umfassenden Änderungen in Bezug auf Preis, Konditionen und Leistungsumfang besteht allerdings die Gefahr, dass der Anwender keinen spürbaren Nutzen aus den Verhandlungen zieht. Der Grund dafür liegt häufig in mangelnder Ursachenforschung: Verläuft ein Vorhaben nicht zur Zufriedenheit des Kunden, wird die Schuld meist auf den Anbieter geschoben. Laut TPI sind jedoch rund ein Drittel der schwerwiegenden Probleme auf unausgereifte Strategien des Anwenders zurückzuführen. Weitere 15 Prozent beruhen auf ungünstigen oder unzureichenden Vertragsbedingungen.

Mehr als die Hälfte der Probleme gehen auf eine schlechte Beziehung zwischen den Vertragsparteien zurück. Aber auch hier liegt der Fehler nicht selten beim Kunden. So meinen viele Firmen, der bestehende Vertrag gebe ihnen zu wenig Kontrolle. Tatsächlich sind jedoch alle nötigen Hebel vorhanden - sie werden nur nicht richtig eingesetzt. Der Wechsel des Dienstleisters bringt in solchen Fällen nichts - im Gegenteil: Er verschärft eher noch die Schwächen im Beziehungs-Management.