„Outsourcing heißt Verantwortung abgeben“

24.09.2002
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Der IT-Dienstleister Accenture unternimmt derzeit große Anstrengungen, neben dem Beratungsgeschäft ein starkes Outsourcing-Standbein zu errichten. Über die Entwicklung und die Marktsituation in Deutschland sprach Thomas Köhler, Sprecher der Geschäftsführung und Country Managing Director von Accenture Deutschland GmbH, Kronberg, mit den CW-Redakteuren Joachim Hackmann und Wolfgang Herrmann.

CW: In der Branche kursieren Zahlen, wonach die Beraterhonorare um etwa 20 Prozent eingebrochen sind. Ist das auch Ihre Erfahrung? Köhler: Wir sind einem enormen Preisdruck ausgesetzt - keine Frage. Das hat die ganze Branche erwischt. Ich möchte den vielen unsinnigen Gerüchten nicht noch neue hinzufügen. Der Markt ist enger geworden, und die Kunden versuchen, die Preise zu drücken. Ich habe kürzlich zwei Gespräche mit Vorständen geführt, in denen die Herren eine Honorarkürzung um 20 Prozent zu Sprache brachten. Daraufhin habe ich die Gegenfrage gestellt: Was sollen wir denn nicht tun?

Thomas Köhler, Sprecher der Geschäftsführung und Country Managing Director von Accenture Deutschland GmbH
Thomas Köhler, Sprecher der Geschäftsführung und Country Managing Director von Accenture Deutschland GmbH

Als Komplettanbieter können wir uns der Kostendiskussion entziehen, wenn unser Honorar vom Nutzen abhängt beziehungsweise in einem gesunden Verhältnis zu dem erwarteten Nutzen steht. Voraussetzung dafür ist eine verantwortliche Beteiligung bei der Implementierung. Jeder kann große Töne machen, wenn er nach der Identifikation des Nutzens die Umsetzung anderen überlässt. Hängt hingegen ein Teil des Honorars von der erfolgreichen Umsetzung und Schaffung des Mehrwerts ab, dann signalisiert man Glaubwürdigkeit und ist gegen die unseligen Preisdiskussionen gefeit.

CW: Und hat das bislang funktioniert? Köhler: Auch wir haben Gespräche erlebt, in denen die Einkaufsabteilung gesagt hat: Im Markt haben die Honorare um 20 Prozent nachgegeben, reduzieren Sie doch bitte auch die Preise. Das sind schwierige Situationen.

CW: Haben Sie Zugeständnisse gemacht? Köhler: Wir versuchen immer, den Nutzen zu betonen, den wir mit unseren Projekten erzielen. Wir haben zudem eine neues dreigliedriges Servicemodell eingeführt. Es gibt die Consulting-, Solutions- und die Services-Workforce.

CW: Hat das Auswirkungen auf die Preisgestaltung? Köhler: In großen Innovationsprojekten setzen wir Mitarbeiter aus allen Arbeitsbereichen auf Basis einer Mischkalkulation ein. Hinzu kommt die geografische Dimension, denn wir haben lokale Solutions-Zentren und Offshore-Niederlassungen in Malaga, Indien und auf den Philippinen - ein weiteres Zentrum entsteht derzeit in China. Damit sind wir wettbewerbsfähig, ohne die lokalen Preise zu unterlaufen.

CW: Der Projektmarkt ist weltweit eingebrochen. Was hat sich in Ihrem Umfeld geändert? Köhler: Die Zahl der ausgeschriebenen Projekte ist geringer geworden. Zudem finden wir uns des Öfteren in Situationen wieder, in denen sich sieben oder acht Wettbewerber um einen Auftrag bemühen. Früher gab es häufig Fälle, in denen nur ein oder zwei Anbieter interessiert waren. Denn die Angebotserarbeitung ist auch für die Dienstleister sehr teuer.

CW: Rechnen Sie in absehbarer Zeit mit einer Erholung des Marktes? Köhler: Die Auftragslage wird sich verbessern. Der Handlungsdruck, der auf unseren Kunden lastet, wird nicht geringer. Dadurch, dass die Unternehmen kein Geld ausgeben, sparen sie nicht, denn durch Untätigkeit wird man nicht besser oder billiger, sondern man tut etwas nicht. Insofern glaube ich, dass es bald eine Entspannung geben wird.

Zurzeit erlebt die Branche nicht nur einen Konsolidierungs-, sondern auch einen Reifeprozess. Der Markt wird sich hinsichtlich der geforderten und geleisteten Qualität verbessern. In Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt es diesbezüglich Nachholbedarf. Die angelsächsischen Länder genießen heute schon eine höhere Transparenz und Qualität im Servicebereich.

CW: Das müssen Sie uns näher erläutern. Köhler: Der Outsourcing-Markt in Großbritannien und den USA ist viel reifer als der deutsche. Der meines Erachtens momentan fortschrittlichste Dienstleistungstyp ist der des Business Process Outsourcing (BPO), also die Auslagerung von Geschäftsprozessen. Hier sind die britischen und US-amerikanischen Anwender derzeit Schrittmacher.