Interview mit Thomas Köhler von Accenture Deutschland

"Outsourcing heißt Verantwortung abgeben"

27.09.2002
Der IT-Dienstleister Accenture unternimmt derzeit große Anstrengungen, neben dem Beratungsgeschäft ein starkes Outsourcing-Standbein zu errichten. Über die Entwicklung und die Marktsituation in Deutschland sprach Thomas Köhler, Sprecher der Geschäftsführung und Country Managing Director von Accenture Deutschland GmbH, Kronberg, mit den CW-Redakteuren Joachim Hackmann und Wolfgang Herrmann.

CW: In der Branche kursieren Zahlen, wonach die Beraterhonorare um etwa 20 Prozent eingebrochen sind. Ist das auch Ihre Erfahrung?

Köhler: Wir sind einem enormen Preisdruck ausgesetzt - keine Frage. Das hat die ganze Branche erwischt. Ich möchte den vielen unsinnigen Gerüchten nicht noch neue hinzufügen. Der Markt ist enger geworden, und die Kunden versuchen, die Preise zu drücken. Ich habe kürzlich zwei Gespräche mit Vorständen geführt, in denen die Herren eine Honorarkürzung um 20 Prozent zu Sprache brachten. Daraufhin habe ich die Gegenfrage gestellt: Was sollen wir denn nicht tun?

Als Komplettanbieter können wir uns der Kostendiskussion entziehen, wenn unser Honorar vom Nutzen abhängt beziehungsweise in einem gesunden Verhältnis zu dem erwarteten Nutzen steht. Voraussetzung dafür ist eine verantwortliche Beteiligung bei der Implementierung. Jeder kann große Töne machen, wenn er nach der Identifikation des Nutzens die Umsetzung anderen überlässt. Hängt hingegen ein Teil des Honorars von der erfolgreichen Umsetzung und Schaffung des Mehrwerts ab, dann signalisiert man Glaubwürdigkeit und ist gegen die unseligen Preisdiskussionen gefeit.

CW: Und hat das bislang funktioniert?

Köhler: Auch wir haben Gespräche erlebt, in denen die Einkaufsabteilung gesagt hat: Im Markt haben die Honorare um 20 Prozent nachgegeben, reduzieren Sie doch bitte auch die Preise. Das sind schwierige Situationen.

CW: Haben Sie Zugeständnisse gemacht?

Köhler: Wir versuchen immer, den Nutzen zu betonen, den wir mit unseren Projekten erzielen. Wir haben zudem eine neues dreigliedriges Servicemodell eingeführt. Es gibt die Consulting-, Solutions- und die Services-Workforce.

CW: Hat das Auswirkungen auf die Preisgestaltung?

Köhler: In großen Innovationsprojekten setzen wir Mitarbeiter aus allen Arbeitsbereichen auf Basis einer Mischkalkulation ein. Hinzu kommt die geografische Dimension, denn wir haben lokale Solutions-Zentren und Offshore-Niederlassungen in Malaga, Indien und auf den Philippinen - ein weiteres Zentrum entsteht derzeit in China. Damit sind wir wettbewerbsfähig, ohne die lokalen Preise zu unterlaufen.

CW: Der Projektmarkt ist weltweit eingebrochen. Was hat sich in Ihrem Umfeld geändert?

Köhler: Die Zahl der ausgeschriebenen Projekte ist geringer geworden. Zudem finden wir uns des Öfteren in Situationen wieder, in denen sich sieben oder acht Wettbewerber um einen Auftrag bemühen. Früher gab es häufig Fälle, in denen nur ein oder zwei Anbieter interessiert waren. Denn die Angebotserarbeitung ist auch für die Dienstleister sehr teuer.

CW: Rechnen Sie in absehbarer Zeit mit einer Erholung des Marktes?

Köhler: Die Auftragslage wird sich verbessern. Der Handlungsdruck, der auf unseren Kunden lastet, wird nicht geringer. Dadurch, dass die Unternehmen kein Geld ausgeben, sparen sie nicht, denn durch Untätigkeit wird man nicht besser oder billiger, sondern man tut etwas nicht. Insofern glaube ich, dass es bald eine Entspannung geben wird.

Zurzeit erlebt die Branche nicht nur einen Konsolidierungs-, sondern auch einen Reifeprozess. Der Markt wird sich hinsichtlich der geforderten und geleisteten Qualität verbessern. In Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt es diesbezüglich Nachholbedarf. Die angelsächsischen Länder genießen heute schon eine höhere Transparenz und Qualität im Servicebereich.

CW: Das müssen Sie uns näher erläutern.

Köhler: Der Outsourcing-Markt in Großbritannien und den USA ist viel reifer als der deutsche. Der meines Erachtens momentan fortschrittlichste Dienstleistungstyp ist der des Business Process Outsourcing (BPO), also die Auslagerung von Geschäftsprozessen. Hier sind die britischen und US-amerikanischen Anwender derzeit Schrittmacher.

CW: Outsourcing-Projekte erreichen häufig nicht die gesteckten Ziele. Worauf führen Sie die Schwierigkeiten zurück, und welche Konsequenzen hat das für BPO-Aufträge?

Köhler: Gescheiterte Projekte schaden der Reputation des gesamten Outsourcing-Marktes. Projekte schlagen in sehr vielen Fällen aufgrund mangelnder Kooperation fehl, und zwar nicht nur zwischen Dienstleister und Auftraggeber, sondern auch innerhalb der Anwenderorganisation. Vielfach wurden auch zu hohe Erwartungen geweckt. Dem Markt fehlt eine gewisse Reife. Anbieter und Anwender müssen wissen, was man verlangen und bekommen kann.

CW: Was sind denn Ihrer Erfahrung zufolge die Erwartungen?

Köhler: Beispielsweise, dass mit dem Outsourcing automatisch Einsparungen von 20 Prozent möglich sind. Die Anwender müssen sich aber auch darüber im Klaren sein, dass das Outsourcing Konsequenzen auf die Service-Levels hat. Wenn sich ein Kunde verständlicherweise Kosteneinsparungen erhofft, zugleich aber auch vorschreiben möchte, welche Computer mit welcher Stromversorgung zum Einsatz kommen sollen, dann kann ich nur sagen: so nicht. Outsourcing bedeutet, sich von Dingen und Verantwortung zu trennen. Stattdessen bedarf es neuer Schnittstellen mit klaren Regeln. Der Erfolg von Outsourcing-Vorhaben hat viel mit Erfahrung zu tun.

CW: Welche Erfahrungen beim Outsourcing haben Sie über das Schmidt-Bank-Engagement hinaus in Deutschland sammeln können?

Köhler: Wir haben in der Vergangenheit mehrere kleine Aufträge erhalten. Das Schmidt-Bank-Projekt ist für Accenture Deutschland das erste größere Outsourcing-Vorhaben. Zudem arbeiten mehr als 300 Mitarbeiter im Application-Support vor Ort beim Kunden.

CW: Der Umsatz von Accenture Deutschland entstammt nur zu rund fünf Prozent aus Outsourcing-Aufträgen. International strebt Accenture rund 30 Prozent an. Setzt die US-Zentrale Sie deshalb unter Druck?

Köhler: Ich benötige keinen Druck, um diese Quote zu erhöhen. Der Markt ist reif für diese Dienstleistung. Wir wollen insbesondere das Thema BPO vorantreiben und den Markt mitgestalten.

CW: Aber der Markt ist eng. Mittlerweile hat sich fast jedes Dienstleistungsunternehmen das Thema Outsourcing auf die Fahnen geschrieben.

Köhler: Ich möchte nicht die Angebote der Wettbewerber beurteilen. Um kompetentes Business Process Outsourcing zu betreiben, benötigt man detaillierte und fundierte betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Die Fähigkeit, ein Rechenzentrum effektiv zu verwalten, ist etwas anderes.