Outsourcing der Banken schlägt hohe Wellen

19.02.2003
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Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Das Outsourcing der Deutsche-Bank-Rechenzentren an die IBM hat Modellcharakter für die hiesigen Finanzdienstleister. Eine Diskussionsrunde mit verschiedenen IT-Verantwortlichen von Großbanken hat gezeigt, dass die Wettbewerber die Auslagerung interessiert verfolgen.
Speziell das Thema Outsourcing diskutierten (von links) Armin Heinzl, Lehrstuhlinhaber Wirtschaftsinformatik an der Universität Mannheim, Volker Wagner, Mitglied der Geschäftsleitung bei EDS Deutschland, Hermann-Josef Lamberti, CIO der Deutschen Bank, Ralf Gissel, Sprecher des Vorstands der BWS Bank, Martin Blessing, Mitglied des Vorstandes der Commerzbank. Foto: Wachendörfer
Speziell das Thema Outsourcing diskutierten (von links) Armin Heinzl, Lehrstuhlinhaber Wirtschaftsinformatik an der Universität Mannheim, Volker Wagner, Mitglied der Geschäftsleitung bei EDS Deutschland, Hermann-Josef Lamberti, CIO der Deutschen Bank, Ralf Gissel, Sprecher des Vorstands der BWS Bank, Martin Blessing, Mitglied des Vorstandes der Commerzbank. Foto: Wachendörfer

Beäugt wird insbesondere der Versuch, sich vom starren IT-Kostenblock zu lösen. Das Thema Deutsche Bank beherrschte die von der Maleki Group veranstaltete Diskussionsrunde „Bank der Zukunft“. Der Grund dafür war nicht allein, dass die Veranstaltung in der Frankfurter Zentrale des größten deutschen Finanzdienstleisters stattfand. Die Branche beäugt und bewertet dessen Vorhaben, die IT auszulagern, sehr kritisch - und sie bewundert es. „Was die Deutsche Bank gemacht hat, ist für mich ein Quantensprung“, zollte Jürgen Rebouillon, Mitglied des Vorstandes bei Credit Suisse First Boston, dem Outsourcing-Projekt Respekt.

Das derart gelobte Unternehmen übergibt zurzeit seine europäischen Rechenzentren an IBM. Die Beweggründe nannte Hermann-Josef Lamberti: „Was macht den Wettbewerbsvorteil einer Bank aus?“ fragte der CIO der Deutschen Bank das Auditorium, „Doch nicht die Wertschöpfungskette zu 100 Prozent zu betreiben, sondern den Kunden variabel zu beraten.“ Vehement plädierte Lamberti dafür, neue Wege zu beschreiten, Wertschöpfungsketten aufzubrechen und dem Kontrollwahn auf Vorstandsebene ein Ende zu setzen.

Für die Commerzbank, die neuerdings auch Outsourcing-Pläne verfolgt (siehe CW 6/03, Seite 1), ergänzt Martin Blessing, Mitglied des Vorstands: „Kernkompetenz einer Bank ist der Vertrieb und das Wissen um die notwendigen Prozesse. Wir müssen verstehen, wie die Abläufe funktionieren und wie sie abgewickelt werden. Das heißt nicht, dass die Herstellung aller Prozesse zwangsläufig ist.“ Die möglichen Grenzen fasst er sehr weit. In seinen Augen ist die Auslagerung des Rechenzentrums-Betriebs, der Netze, der Desktop-Services sowie im Bereich des Investment-Banking auch die Anwendungsentwicklung denkbar.

Die meisten Banken stehen derzeit unter gewaltigem Druck. Einerseits leiden die Geschäfte unter der anhaltenden Konjunkturkrise, der drohenden Kriegsgefahr und dem extremen Börseneinbruch. Andererseits ist der Investitionsbedarf in Sachen IT so groß wie nie.

„Im letzten Jahr haben die Banken in Deutschland 20 bis 25 Milliarden Euro in IT investiert“, rechnete Theophil Graband vor, Sprecher des Vorstandes der Norisbank. Beat Mathys, Mitglied der Geschäftsleitung der Zuger Kantonal Bank, ergänzte, dass 80 Prozent der Banken weiterhin massiv investieren müssen: „Die Banken-IT stammt aus den 70er und 80er Jahren. Sie ist am Ende ihres Lebenszyklus.“ Rebouillon ist der Meinung, dass verstärkte Kooperationen der Banken untereinander einen Gutteil der Investitionen überflüssig machen würden: „90 bis 95 Prozent der Dienstleistungen der Häuser sind identisch. Nur wenig erbringen sie gemeinsam.“

Zusammengefasst führt dies zu der ernüchternden Erkenntnis: Die Bankenbranche steckt Milliardenbeträge in den Betrieb und Ausbau von IT-Umgebungen, die im Kern dennoch veraltet sind und zum Gros identische Services unterstützen. Die Manager wissen das: „Die Zukunft der Banken ist nicht die IT, aber ohne IT haben Banken keine Zukunft“, fasst Graband zusammen.

Das Outsourcing wird keineswegs als Königsweg aus dem Dilemma gesehen, aber als Chance, sich einige Unannehmlichkeiten vom Hals zu schaffen. So ist der Präzedenzfall Deutsche Bank vor allem deshalb für die Branche interessant, weil sich an ihm studieren lässt, ob und wie es der Finanzdienstleister schafft, sich vom großen und fixen IT-Basiskostenblock zu trennen. Lambertis Ziel ist es, das Gros der Services je nach Bedarf vom Betreiber zu beziehen, also bedarfsgerecht wirtschaften zu können. Dabei geben die Frankfurter unumwunden zu, aus der Not eine Tugend zu machen: „Wir haben uns sukzessive in einen Prozess- und Technologieverhau verheddert“, so Lamberti ein.