Digitalisierung der Old Economy

Otto Group investiert massiv in Startups

28.05.2015
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Mehr als 50 Millionen Euro macht die Otto GmbH & Co KG, Hamburg im kommenden Geschäftsjahr 2015/2016 locker, um junge Technologiefirmen mit Startkapital zu versorgen. Dazu bedient sie sich des 2008 gegründeten VC-Gebers E.Ventures und der Project A Ventures.

Die wichtigsten Fragen, die sich ein Handels- und Dienstleistungsunternehmen heute stellen müssen, heißen: "Warum sollen die Kunden bei uns kaufen? Und womit wollen wir in 25 Jahren noch Geld verdienen?" So die Überzeugung von Rainer Hillebrand, dem stellvertretender Vorstandsvorsitzenden der Otto Group. Insofern sei es für das Traditionsunternehmen ein "sehr, sehr vitales Thema", sich mit aktuellen Markt- und Technologietrends sowie mit Startups und Venture Capital auseinanderzusetzen. In der offiziellen Mitteilung heißt es: "Mit unseren Venture-Aktivitäten verfolgen wir das Ziel, vielversprechende Geschäftsmodelle im Digital Business in der Frühphase zu entdecken." Modelle, von denen sich Otto so Einiges abschauen kann.

Vor fast fünfzig Jahren war Otto im Kataloggeschäft dick dabei - hier die Ausgabe 1957/58.
Vor fast fünfzig Jahren war Otto im Kataloggeschäft dick dabei - hier die Ausgabe 1957/58.
Foto: Otto Group

Profitieren sollen selbstverständlich auch die eigenen Handels- und Dienstleistungsgeschäfte des Familienunternehmens. Ein Schwerpunkt liegt deshalb auf neuen Geschäftsmodellen im E-Commerce-Bereich. Aber nicht nur! Wie Florian Heinemann, Mitgründer und Geschäftsführer des "Company Builders" Project A Ventures, berichtet, konzentriert sich das in Berlin und Sao Paolo ansässige Gemeinschaftsunternehmen von Otto Group und Axel Springer auch auf Bereiche, die nicht unbedingt zum Kerngeschäft eines Handelskonzerns gehören: beispielsweise auf Software as a Service für potenzielle E-Commerce-Konkurrenten (in Form der generischen Abwicklungsplattform "Spryker"), auf digitale Infrastrukturen und auf das B-to-B-Geschäft, wo es eine Menge "Nachholbedarf" gebe.

Damit die Autoindustrie nicht Google-hörig wird

Diese Aktivitäten des Firmenablegers fechten Hillebrand überhaupt nicht an. Dient das alles doch dem Zweck, die "Digitalkompetenz" innerhalb der deutschen Wirtschaft zu fördern. Ihm sei daran gelegen, hierzulande eine "Startup-Kultur" zu schaffen, sagt der Otto-Vorstand. Damit nicht eines Tages zum Beispiel US-Unternehmen wie Google die deutschen Automobilbauer zu Schraubern degradierten.

Davon abgesehen, sind die Venture-Capital-Aktivitäten für Otto bislang nicht zum Nachteil verlaufen. Eigenen Angaben zufolge hat die Handels- und Dienstleistungsgruppe seit 2008 einen "mittleren dreistelligen Millionenbetrag" in etwa 100 Beteiligungen an Unternehmen der "Digitalwirtschaft" investiert - und das eingesetzte Kapital mehrfach zurückgezahlt bekommen. Dazu Heinemann von Project A Ventures: "Wir sind sehr zufrieden mit unserer Rendite pro Jahr." Im Portfolio befänden sich einige potenzialträchtige Firmen, die auch künftig versprächen, eine gute Rendite abzuwerfen.

Laut Andreas Haug, Gründer und General Partner bei der Otto-eigenen, auf Venture Capital spezialisierten E.Eventure mit Sitz in Hamburg und San Franzisco, geht es aber keineswegs darum, eine "Alles-meins"-Mentalität zu entwickeln. Das Ziel sei vielmehr, mit anderen Unternehmen zusammenarbeiten und Co-Investoren zu gewinnen.

Fremdinvestoren bedeuten auch in immer eine Art Proof of Concept, pflichtet Otto-Vorstand Hillebrand ihm bei. Erst wenn man auch Andere für etwas begeistern könne, sei man sicher, das richtige Thema zu verfolgen.

Neues Geld für den E-Commerce

Mit den Online-Plattformen "Collins" und "About you" hat Otto bereits den Versuch gestartet, seinen Versandhandel jüngeren Käufern schmackhaft zu machen. Die beiden Projekte markieren das vorläufige Ende eines langen Wegs, an dessen Anfang - vor beinahe zwei Jahrzehnten - das Unternehmen seinen Warenkatalog erstmals auf digitalen Datenträgern auslieferte.

1998 sei der damalige Unternehmenslenker Michael Otto auf ihn zugekommen mit der Aufforderung: "Machen Sie mir das Unternehmen E-Commerce-fähig", erinnert sich Hillebrand, der im Vorstand unter anderem mit den Themen E-Commerce und Business Intelligence betraut ist. Im laufenden Geschäftsjahr, das Ende Februar endet, erzielte Otto einen Online-Umsatz in Höhe von 6,3 Milliarden Euro. Und in den kommenden drei Jahren sieht der Business-Plan E-Commerce-Investitionen von insgesamt etwa 300 Millionen Euro vor.

Darüber hinaus treibt das Kernunternehmen auch die eigene Digitalisierung voran, beispielsweise im Sourcing, in der Logistik, in Web-Enabling und Datenanalyse, Payment ("Yapital") und Forderungs-Management.