FRAMINGHAM (IDG) - Angesichts des Trends zu offenen Systemen könnte die IBM ihr derzeit nicht gerate gutes Standing im Router-Markt gewaltig aufpolieren. Diese - zunächst ironisch anmutende - Hypothese vertreten immer mehr Analysten in den USA. Jüngstes Indiz sind für sie die Verzögerungen bei der Auslieferung von Big Blues Router-Neuentwicklung "6611", der die vergleichbaren Konkurrenzprodukte in puncto Interoperabilität deutlich übertreffen soll.

Die Verantwortlichen in Armonk hatten erst vor kurzem angekündigt, daß der 6611 drei Monate später als zunächst vorgesehen seine Marktpremiere feiern werde, und dies damit begründet, daß man bei dieser Neuentwicklung erst die Integrationsmöglichkeit unterschiedlicher Routing-, Bridging- und Management-Funktionen sicherstellen wolle, bevor man ein Produkt ausliefere, ehe es nicht die Erwartungen der Anwender erfülle. Hintergrund dieses Ansinnens ist die zunehmende Verbreitung des Routing-Protokolls "Open Shortest Path First" (OSPF) als "offener Industriestandard", dem die IBM-Planer nun offensichtlich stärker Rechnung tragen wollen.

OSPF findet zunehmend Beachtung als Standard-Übertragungsprotokoll für Router in TCP/IP-Netzen und soll Anwendern genau das ermöglichen, was bisher in puncto Routing in der Regel nicht zum DV-Alltag unternehmensweiter Netze gehörte: Herstellerunabhängigkeit in Form von Interoperabilität unterschiedlicher Systeme und Komponenten. Etabliert sich OSPF als De-facto-Standard, könnte die Rechnung der Armonker nach Ansicht vieler Beobachter aufgehen, da im Router-Markt führende Hersteller wie Cisco Systems und Wellfleet Communications derzeit mehr an der Vergrößerung ihres Marktanteils denn an technischen Innovationen in Richtung OSPF interessiert seien. Erst kürzlich hätten sich, so die Kritik der Analysten, Unternehmen wie Wellfleet, Proteon und 3Com in einem OSPF-Interoperabilitätsforum zusammengeschlossen, während die IBM mit dem 6611 bereits an die Auslieferung erster OSPF-fähiger Produkte denke.