Open Software Foundation legt Strategie fest

OSF-Unix in zwei Jahren nur noch mit Microkernel-Technik

13.03.1992

MÜNCHEN (CW) - Die Open Software Foundation will noch in diesem Jahr das Microkernel-Betriebssystem "OSF/1 MK" ausliefern. Das herkömmliche OSF-Unix, das jetzt als Integrated-Kernel-Version "OSF/1 IK" bezeichnet wird, soll bis 1994 in der neuen Technik aufgehen.

Alain Fastré, Managing Director European Operations, beschreibt seine Vision für die Zukunft von OSF/l: "Die Ära der Betriebssysteme im herkömmlichen Sinne geht zu Ende. In zwei Jahren werden die Anwender ihre DV-Umgebungen wie mit Lego-Bausteinen konfigurieren können." Anders als die Unix System Laboratories, die gemeinsam mit Chorus Systemes ein Microkernel-Unix für die Nischen-Märkte, Echtzeitverarbeitung und massiv parallele Rechner anbieten, zielt die OSF darüber hinaus auf die gesamte Bandbreite der Datenverarbeitung. "Unser Microkernel", brüstet sich Fastré, "läßt sich auf Wunsch um VMS- und MVS- oder eine beliebige andere Funktionaltät erweitern".

Vergessen ist offenbar die Vorsicht, die OSF-Chef David Tory bei der Vorführung des neuen Betriebssytems im Januar anläßlich der Open-Systems-Messe Uniforum noch an den Tag legte. Die Messedemonstration habe lediglich dazu gedient, die technischen Möglichkeiten des Produkts aufzuzeigen, so der Manager, und sei eigentlich nur für Entwickler von Interesse. Vorgeführt wurde, daß der Mach-Kernel von OSF/l, der auf einem PC nicht nur das OSF-Unix, sondern gleichzeitig die Betriebssysteme MS-DOS und BSD-Unix verwaltete (siehe auch CW Nr. 5 vom 31. Januar 1992, Seite 3: "Open Software Foundation stellt Microkernel-Betriebssystem vor").

Ab Mitte 1993 Echtzeit-Funktionalität

Gegenüber dem Branchendienst Computergram nannte OSF-Vice-President Ira Goldstein Details zur Entwicklung des Mikrokernel-Betriebssystems. Das für dieses Jahr geplante OSF/1 MK, so habe sich bei den ausgelieferten Vorversionen erwiesen, werde bei der Verwendung auf Einprozessor-Maschinen langsamer laufen als das konventionelle OSF/1-Betriebssystem. Echtzeit-Funktionalität sei jedoch ab Mitte 1993 für das Release MK 2 vorgesehen.

Zu diesem Zeitpunkt, so Goldstein, ließen sich unterschiedliche Komponenten des Betriebssystems nach dem Vorbild der Cluster auf mehrere Rechner verteilen, so daß sie sich in Leistung und Funktionalität ergänzten. Für die Verwendung in derart verteilten Systemen sei es auf den Datentransfer über Glasfaser-Leitungen ausgelegt.

Schon auf der Uniforum-Messe stieß das Cluster-Konzept, bei dem Rechnern für unterschiedliche Aufgaben mit verschiedenen Ausprägungen des Mikrokernel-Betriebssystems ausgestattet werden sollen, auf heftige Kritik. Eine solche Umgebung, hieß es, lasse sich nur schwer verwalten. Weder Goldstein noch Fastré wollten sich jedoch dazu äußern.

Statt dessen sprechen die beiden Manager von den Perspektiven der Kunden von OSF/1 mit integriertem Kernel. Auch diese herkömmliche Version des Betriebssystems soll zu einem modularen System weiterentwickelt werden. Auf diese Weise, so Goldstein, könnten die Anwender ab 1994 auf die Microkernel-Variante umsteigen und dabei "wiederverwendbare Teile" mitnehmen.